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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung
Die Sächsische Autobiographie, inzwischen ungetarnt offen als authentisches Autobiographie-Roman-Fragment – weil unabgeschlossen – definiert, besteht bisher aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nachrufe & Abrechnung.
Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
Nachrufe & Abrechnung 42 |
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Linke zwischen Hasspredigern und Pazifisten
Merkels siebte Reise nach China im Juli 2014 ist ein Wirtschaftstreffen mit real- symbolischer Bedeutung. Die Kanzlerin entstammt dem untergegangenen DDR-SU-Marxismus, Chinas Staatspräsident Xi Jinping dagegen verkörpert einen marxistischen Kapitalismus oder kapitalistischen Marxismus, der die Weltmacht USA dazu provoziert, den Untergang des alten Rom parodistisch nachzuahmen. Von Cäsar zu Berlusconi. Von George Washington zum Allesmithörer Obama, der das legendäre Große Ohr des Dionysios bei weiten übertrifft wie die Drohne Pfeil und Bogen. Wie läuft das jetzt, wenn die zur stärksten Frau Europas erklärte Bundeskanzlerin mit dem höchsten Chinesen so intensiv verhandelt. Vor Jahren schon gestattete ich mir, Europa und China einen »Dritten Weg« zu empfehlen – Diskurs, Heft 18, Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen 2005. Dem Kapitel »Europas Dritter Weg« folgt dort das Kapitel »Schach statt Mühle«. Ein wenig Ironie darf sein. Der doppeldeutige Ausspruch wurde Bloch in der DDR verübelt. Die Mühlen mahlen langsam. Noch heute ist das Verhältnis zu China im Westen strittig, Merkel jedoch versucht es durchaus mit Schach. Erste Erfolge stellen sich in der Kunstszene ein. Angelas global abgehörtes Handy soll schon millionenfachen Kultwert besitzen. Museen stehen Schlange
Merkel wird nicht überall so hochgeschätzt. Kaum ist sie aus China zurück, um von Berlin aus per tv den haushohen Sieg der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien über Brasilien zu genießen, gibt es erste Missfallensbekundungen:
»Willfährig in China … Sind die goldenen Zeiten in China vorbei? … Wanderarbeiter brauchen Merkels Fürsprache …« Die armen Wanderarbeiter, hoffentlich sind sie nicht auf den Kanzlerinnenbeistand angewiesen. Sonst aber brummt es: »Daimler greift in China an …« Na also. Und noch ein Schlaumeier vom Main: »Misstraut der Politik!« Das ist so klar wie Kloßbrühe und Obamas Gier auf Angelas Handy-Gespräche. Verabredet sie sich mit Herrn Sauer zum Abendessen, weiß der US-Präsident Bescheid und kann sich beruhigt aufs Ohr legen. In Berlin aber gibt's laufend schlechte Nachrichten. Viele Orte des weltweit so erfolgreichen Deutschland sind oder gehen pleite. Gera in Thüringen ist der Renner der Notrufe: »Gera geht voran.« Steil voran nach unten. Die Stadtwerke und Verkehrsbetriebe melden Insolvenzen an. Was tun? China hilf? Der bundesweit kaputten Infrastruktur aufzuhelfen, dürfte sogar das Chinesische Wunderland überfordern.
Soviel zur unnützen, wo nicht unnötigen globalen Bundesweltpolitik. Wer so freundlich war, die jüngsten Folgen unseres Fortsetzungs-Romans zu lesen, der weiß den autobiografischen Anteil zu schätzen. Zurück also zu den Anfängen in Sachsen. Für mich ist es die Urkatastrophe der Geburt. Da ist Leipzig an der Pleiße eine Vorstadt von Crimmitschau an der Pleiße und Crimmitschau an der Pleiße eine Vorstadt von Bad Gablenz an den zwei Teichen. Zur Welt kam ich vor gerade mal 89 Jahren. Zur Feier des Tages ergibt sich ein kurzer E-mail-Wechsel mit Wolfgang Eckert, der unweit von Gablenz lebt:
Liebe Ingrid, lieber Gerhard! Der alte „Saggse“ sendet Euch wieder einmal ein Lebenszeichen. Wie geht es Euch am Fuße (fast) des Feldberges? Hoffentlich einigermaßen gut. Was macht Gerhard? Einen Verlag habe ich noch immer nicht für meinen Roman. Aber ein neues Buch zur Hälfte fertig. Ich bin und bleibe ein unverbesserlicher Trottel. Wie kann man in dieser Zeit nicht schreiben mit der Absicht, etwas zu bewirken? Die Szene beherrschen in der Regel Pseudoliteraten. Scharlatane. Aber da das sogenannte lesende Volk solche liebt, machen sie oder macht man mit ihnen das große Geschäft. Ich kenne so viele gute Autoren um mich herum, die alle ausgeschaltet da sitzen oder ganz resignieren. Schönes Wochenende! Wolfgang
Unser Nachruf 27 mit dem exklusiven Thema »Das Ende der Linksintellektuellen« beginnt mit Der Mensch in der Revolte von Albert Camus und endet mit der Gegenüberstellung zweier Sozialdemokraten – Fritz Bauer und Hans-Ulrich Wehler, dessen Foto die Unterzeile schmückt: »Hans Ulrich Wehler wünscht Rechts- statt Linksöffnung.« Soweit die übliche Lage an der Berliner Front. Jetzt verstarb der gute Genosse plötzlich. Das tut mir leid. Politisch bleibt die immense Distanz. Im Nachruf 27 Seite 9 bezog ich mich kürzlich auf das FAZ-Feuilleton vom 25. November 2013, wo der meist verdrossene Historiker und Alt-Sozi Prof. Hans-Ulrich Wehler seiner mürben Partei den dumpfen Titel einer »rot-roten Chimäre« verleiht, die liebe NATO hochleben lässt und die Ostgenossen als Irrlichter abtut, und alles wegen der eventuellen Linksöffnung zu Gysi und Wagenknecht.
Wehler liebte auch anderswo die rechte Tour. Am 15.1.2009 sendete Deutschlandradiokultur ein Telefon-Interview zwischen Liane von Billerbeck und Wehler, in dem der hochangesehene Historiker die Morde an Luxemburg und Liebknecht parteigetreu relativiert:
»Billerbeck: Versetzen wir uns mal 90 Jahre zurück. Was geschah an diesem 15. Januar 1919?
Wehler: Ich gehöre nicht zu denen, die diesen Mythos um Liebknecht und Luxemburg teilen. Das Kaiserreich hatte einen Krieg verloren, der in der Schlussphase ein totaler Krieg geworden war, die aufgelösten Armeen strömten zurück, und in dieser Situation, als keiner so genau wusste, wie stabil die soeben ausgerufene Republik sein würde, entschloss sich der Spartakus, den Bürgerkrieg zu entfesseln. Wer den Bürgerkrieg entfesselt, lebt immer im Angesicht des Todes, wenn er von der Gegenseite erwischt wird, wird er an die Wand gestellt. Wenn Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht korrekt überstellt worden wären, wären sie abends vor ein Standgericht gekommen und erschossen worden. So sind sie gräulich erschlagen worden, aber wer sozusagen den Bürgerkrieg provoziert, muss mit dem Tod rechnen.«
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Karl Liebknecht und
Rosa Luxemburg
In den heutigen „Kriegszeiten“ kann an beide gar nicht oft genug erinnert werden |
In solche Gefahren begab Genosse Wehler sich lebenslang nicht. Da war der namensähnliche Herbert Wehner ein anderer Charakter. Als Kommunist, Stalinist, Ex-Kommunist näher am »Mythos«, aber schließlich doch Sozialdemokrat. Oder Willy Brandt, anfangs linke SAP, dann Exilant und wie Wehner Sozi, endlich vom Kalten Krieger zur bemisstrauten neuen Ostpolitik unterwegs, zu deren Folgen dem Historiker Wehler nur Beschimpfungen einfallen. Revolutionäre müssen mit ihrer Ermordung rechnen. Wem sagt er das? Derart banal schreibt kein Antifaschist. So verlaufen die Fronten in der SPD. Wer für rot-rot-grün optiert, muss wissen, wie breit die trennenden Gräben sind. Wer sie zuschütten will, braucht mehr als Schaufel und verordneten Gedächtnisschwund. Braucht mehr als das feige, jämmerliche Ungeschick einer nachgewachsenen Politikerklasse, die ewig vom Frieden redet und neue Kriege vorbereitet. Was also kann die Linke noch tun? Zusammengehen? Im nd ist die Bereitschaft zu rot-rot-grün offenbar am größten. In der jW ist man strikt dagegen. Bleibt die Zeitschrift „Ossietzky“ mit dem Vorrang objektiven Materials in meist traditionell polemischer Verpackung wie einst die Weltbühne. Alle drei leiden im Detail am globalen Niedergang der Linken.
Das Ende der Philosophie, das wir mit der Urkatastrophe des ersten Weltkriegs 1914 ansetzen, trifft Linke wie Rechte inklusive aller Zwischenglieder. Wer diese imperiale Welt noch retten will, landet ohne Philosophie bei den religiösen Mythen, mit denen alles begann.
Neun lapidare Einsichten: 1. Die SPD parodiert sich selbst unerschüttert seit 1914/18. Ihr Schröder wurde zum ökonomischen Noske. 2. Die deutsche Rechte verlor zwei Weltkriege, gewann den Kalten Krieg und sammelt für den dritten heißen Krieg. Sie will das Grundgesetz verstümmeln, die Bundeswehr im Innern einsetzen wie einst die Reichswehr und über die Grenzen quellend Europas Führung übernehmen. Wofür sie das Ende des seit 1945 herrschenden »Postheroismus« – Herfried Münkler – proklamiert, ergo wieder heroisch wie vor 1945 sein möchte. 3. Der sowjetische Sozialismus scheiterte an der fehlenden »sozialistischen Ökonomie« – Fritz Behrens –. 4. China zog daraus die Konsequenzen eines strukturellen Kapitalismus unter kommunistischem ZK-Kommando. Mit dem erfolgreichen China stellt sich die bipolare Welt erneut her. 5. Die USA schwächeln. Lateinamerika unruhig wie der Kaukasus und Hindukusch. In Nahost misslingen alle Pläne der Befriedung. Diese weltweiten Konflikte sind nur sozialistisch-pazifistisch oder kriegerisch lösbar. Ein Drittes gibt es nicht. 6. Mit der Einverleibung der DDR erreichte die BRD das Optimum ihres Status nach 1945. Was dabei als Reform und Umbau ausgegeben wird, ist Abbau von Standards und Sozialsystemen. Den demokratischen Widerstand zu brechen braucht es dieses Mal keine Nazi-Partei. Die faktische Ausschaltung oder Indienstnahme der Linken genügt. Der Rest ist Weimar. 7. Wie in China Kommunisten und Kapitalisten koexistieren, hätten BRD und DDR koexistieren müssen. Indem sie diese Chance nicht wahrnahmen, öffneten sie das Tor zum neuen Chaos der Grenzveränderungen. 8. Merkel ist nur das Markenzeichen einer Regierung, die sich von Schröder/Fischer lediglich dem Namen nach unterscheidet. 9. Eine Linke, die das Grundgesetz verteidigen will, wird mindestens so heroisch sein müssen wie die neonationalen Fundis, die das Grundgesetz weiter zu fragmentieren beabsichtigen. In der Berliner Republik beginnen die prä-konterrevolutionären Potentiale sich zu sammeln. Ein Land ohne bürgerliche Revolution, liberale Tradition und mit einer parlamentarisch ausgetricksten Linken steht stets in Gefahr, bis in die dritte und vierte Generation zur Beute von Wiederholungstätern zu werden. Kohl schickte keine Soldaten in den Krieg. Schröder/Fischer missachteten das Tabu. Seitdem wird wie 1914 und 1939 wieder weltweit zurückgeschossen, wie die Lügenfloskel lautet.
Adorno sitzt im Glaskasten mitten in Frankfurt/Main. Die Kritische Theorie ist Nachkriegsgeschichte wie Blochs Dritter Weg des Marxismus von Leipzig bis Tübingen. Fehlt nur noch der Glaskerker in – ja wo denn? Postiert Blochs Kopf als Einheitsdenkmal vor den Reichsbundestag analog zum Marx-Nischel in Chemnitz. Aus China werden viele Besucher anreisen. Der letzte Philosoph, die beiden letzten Philosophen zeigen Gesicht. Die Urkatastrophe sind wir, die Simulanten. Der Mensch ist ein Tier, das sich einbildet, Mensch zu sein – eine Beleidigung der Tiere – würden die Tiere sagen, wenn sie etwas sagen könnten. All das ist noch nicht ausdifferenziert. Schopenhauer lieferte die Definition vom Menschen als Raubtier. Es gibt auch tierische Vegetarier – zum Dank werden sie trotzdem von Tieren und Menschen gefressen. Bloch entzog sich der biologischen Frage durch die Formel vom aufrechten Gang als primäres Charakteristikum des Menschen. Medizinisch gesehen ist das ein Risiko. Tiere haben keine Last wegen der Prostata wie der auf zwei Beinen gehende Menschenmann. Ausgenommen der Pelikan, den hat noch niemand befragt. Der Begriff aufrechter Gang bleibt reflektionsbedürftig. Zum einen drückt er Hoffnung aus. Der Typ Mensch sei noch in der Entwicklung befindlich. Metaphorisch mag das stimmen. Real gesehen krochen vor dem 1.Weltkrieg nie so viele Menschen tierisch auf allen Vieren in der Erde voller Schützenlöcher und Schützengräben herum. Wer sich erhob, war des Todes. Metaphorisch gilt das auch für Revolutionäre. Wer sich erhebt, um aufrecht zu gehen, wird traditionell niedergemacht. Anders die Obamaisten mit ihren Todeslisten. Sie sitzen im Büro. Andere dienen als Scharfschützen in anderen Büros. Der Tod ist längst zur Maschine degeneriert, die den Fortschritt ins blanke Nichts betreibt. Soviel zur Vorgeschichte der Politik von 2014. Was nun?
Die Linkspartei hat sich inzwischen tapfer aufgestellt. An der Basis ist es momentan still geworden. Wo nicht, grummelt es nur leise. Die Partei der verlorenen Revolution versammelt ein Spitzenpersonal der Aufklärung. Als distanzierter Sympathisant erfreue ich mich daran. Traurig, wo nicht tragisch nur, im Kontrast dazu stehen mehr als anderthalb Jahrhunderte Gegen-Aufklärung. Ein Spitzenresultat sendete das ZDF im Juli 2014 als Ranking der Besten Deutschen – alles manipuliert, gelogen und betrogen. So tief kann ein Land fallen und bleibt dennoch groß. Beim
Fußballweltfestival verhilft ein einziger Torschuss kurz vor dem Spiel-Ende zur deutschen Weltmeisterschaft. Im übrigen herrscht global Krieg wie zuvor. Und wir werden einbezogen.
Gern verweisen wir hier auf eine Veranstaltung in Frankfurt/ Main und neue Informationen zum Film über Fritz Bauer.
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Heinrich Wandt: Etappe Gent
Zur Wiederentdeckung eines wichtigen Antikriegsbuches und Bestsellers. Der vielverfolgte und vielgeschmähte Autor starb in bitterer Armut – so die Rache der Gesellschaft |
Dieser 42. Nachruf geht am 21. Juli 2014 online, der 111. Geburtstag des Hessischen Generalstaatsanwalts wurde am 16.7. in Frankfurt gefeiert. Der Dauer-Erfolg des Ilona-Ziok-Films über Fritz Bauer und die Nachfrage aus aller Welt freut uns, wir berichten stets interessiert über den Fall, auch wenn ein deutschtümelnder Professor es Bauer verübelte, dass er zur Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses Dokumente aus der DDR beizog. Zeit vergeht, Dummheit besteht. Es gibt dennoch Besseres zu berichten. In Folge 89 empfahlen wir dringend das eminente Antikriegsbuch Etappe Gent von Heinrich Wandt. Dieser Schlag in die Kriegsfratzen schien vergessen zu sein. Jetzt lesen wir, im Berliner Dietz Verlag erscheint eine Neuauflage. Der Bericht aus der Etappe im 1. Weltkrieg – vorne krepieren die Soldaten, hinten schlemmen die Übermenschen – nimmt heutige Standards vorweg. Im elektronischen Drohnenkrieg wird der Himmel zur Hölle. Von dort oben, wo früher Gott wohnen sollte, verteilen nun die Maschinenmachthaber nach Gusto den Tod.
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Gruß vom Leipziger Hartwig
Runge – Wie ist aufrechter Gang
unter Drohnen möglich? |
In der Nacht, als ich vom Römer-Kastell zurückkehrte, begegnete mir bei der
Zur Vorbereitung liest er, heißt es, schon Das kommunistische Manifest und Blochs Prinzip Hoffnung.
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