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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte

Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 73. Nachwort

Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coinci­dentia opposi­torum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.

  73. Nachwort

Die Suche nach dem anderen Marx



  

Beginn einer hoffnungsvollen Politkarriere



Der gespenstische Engel des Marxismus prägte die tapfere deutsche Arbei­ter­bewegung im stän­digen Auf und Ab. Bei den Sozial­demokraten dominierte das Auf bis 1914, von da an ging's mit Noske bergab. Die 2. Inter­nationale wurde eine alte Nationale. Die nach­folgende rus­sisch geprägte 3. Inter­nationale der Kommunis­ti­schen Parteien erhob die Diktatur des Prole­tariats zum Aufnahme­kriterium, bis das Prole­tariat zum Prekariat absackte. Noch während des Krieges gegen Hitler-Deutsch­land löste Stalin konse­quenter­weise die 3. Inter­nationale auf. Dem Sieg von 1945 folgte der kurze Aufstieg von SU und DDR und das baldige Ende in den Jahren 1989/90.
  Die heutige Linkspartei entwickelte sich zur links­sozial-demo­kra­tischen Grup­pierung. Als PDS war sie ost­regional. Mit Lafontaines aufrechten linken Sozis und steilen Gewerk­schaftern folgte Erweiterung nach Westen. Als Linkspartei brachten sie es auf einen Schnitt von ca. 10% gut­williger Wähler. Mehr ist in Deutschland mit seiner fatalen Vergangen­heit und der vererb­baren Mediokrität der Eliten nicht drin. Weniger gibt's, wenn die Linkspartei-Köpfe versagen. Das Versagen fällt leichter als das Nicht­versagen und wird besser gelöhnt. Im Augenblick lebt die Linkspartei vom 10prozentigen Bedürfnis nach ihr. Tendenz fallend. Im Osten sterben die Genossen aus. In weiten Teilen der Provinzen sind sie schon weg. Die Jugend hat auch keine Lust. Im Westen kann die Linke auf Gewinn hoffen, sobald die SPD wieder regiert und das kapitale Chaos verant­worten darf. Darauf können Oskar & Sahra hoffen. Am 24.11.2011 lautet eine Überschrift in der FAZ: Das Prinzip Hoffnung – das galt dem Fußballspiel FSV gegen Paderborn. Zu mehr reicht es nicht.

Im Dezember 2011 ist der Euro gerade dabei zu explodieren. Sogar das mainische Banken-Amtsblatt sieht sich aufge­schreckt genötigt, den US-Professor Michael Hudson auf einer ganzen Seite vor dem Ende warnen zu lassen, zwar nur im Feuilleton, das sich kleinere Mords­späße erlauben darf, doch immerhin im Klartext, soweit es bürgerlich dazu noch fähig ist. „Was sind Schulden?“ fragt das tapfere Übersee-Schneiderlein, das schon die Schrecken der geplatzten US-Immobilien­blase pünktlich voraus­gesagt hatte und nun das nächste Desaster prophezeit, auf die Poleteia des Aris­toteles zurückgreifend – den Wechsel von Demokratie, Oligarchie und Tyrannei. Und wo stehen wir heute – vor Weimar II? Bonn war nicht Weimar. Berlin wird es?
  Der Euro ist also gerade dabei zu explodieren, während die Staatsbanken der westlichen Halbwelt ihn durch endlose Geld­zufuhr zu retten versprachen, was als Konkurs­verschlep­pung Welt­rekord ist, doch die Deutschen, der Herbst war trocken, das Heu ist in der Scheuer und das Gold im Safe, versammeln sich zur bundes­weiten Fernseh­schmon­zette. Die Clowns von den Schön­heits­farmen treten freude­trunken trauernd auf, weil Wetten-dass-Gottschalk sich verwettete und abtrat oder zum nächsten Zirkus übertritt, das werte Publi­kum, zum Applaus bestellt, spielt die Gala übern Horizont, wo die Länder der Welt darauf warten, mit dem Euro getauft oder verbrannt zu werden. Denn China verweigert die Rettung des Kapi­talis­mus außerhalb seiner Großen Mauer und die USA sind zwar pleite, aber ein Halbdutzend seiner atomaren Flugzeug­träger hält alle Welt im Entsetzen vor dem Inferno noch zusammen.

Bedenke ich gänzlich konsensions- und konfes­sions­los mein Leben, gelange ich zu dem Schluss, es als gänzlich unerträg­lich zu defi­nieren, wäre es in gehorsamer Alternativ­losig­keit als Maul­wurfs­dasein verlaufen. Unter den fünf Deutschlands, von denen ich vier über­lebte, das fünfte turtelt noch, war keines, das den armen Heinrich von Kleist nicht in höchsten Tönen gelobt hätte. Kein Wunder, er war für jedes Deutsch­land der Suicid-Heros. Der tollkühne Stilist litt an Phimose. Jede Erektion schmerzt, weil die zu enge Vorhaut Grenzen setzt. Beschnei­dung hätte erlöst. Kleist's Zerbrochener Krug ist die deutsche Komödie in Permanenz. Der Täter als Richter, der Richter als Parade­rolle. Sehr beliebt unter Schauspielern. Hans Filbinger: Die geschmähte Generation – damit meinte er sich und seines­gleichen. Jeder Text von Kleist eine Tragödie als Posse. „Über die all­mäh­liche Verfer­tigung der Gedanken beim Reden“ und Schreiben, nein Schleifen bis zur Rasier­klingen­schärfe. Die Allmäh­lichkeit beim Verfertigen lässt aus Gefühlen Begriffe entstehen. Die will er gar nicht. Also geht's über die Begriffs­werdung zur Kunst­werdung. Der ästhe­tische Schlüs­sel findet sich bei Aristoteles und Bloch. Aber das nur nebenbei. Sie wurden ausgetrieben.

„Ich bin der Geist, der stets verneint!“ deklamiert Mephisto in der Studierstube, und weil Faust etwas schwer von Begriff ist, setzt er hinzu: „Und das mit Recht: Denn alles was entsteht, Ist wert, dass es zugrunde geht.“ Wir wechseln von der Studierstube („Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum.“) direkt ins nächste Kapitel Auerbachs Keller in Leipzig. „Will keiner trinken? Keiner lachen?“ Lachen ja, und schräg dazu. Reden wir also vom Abstieg der Leipziger Volkszeitung (LVZ) zum ober­sächsi­schen Regional­blatt, das von Berlin her aufge­motzt werden soll. Ich kenne das von Frankfurt, wo die Frankfurter Rundschau als unsere geliebte sozial­liberal-kritische Zeitung solange standhielt, bis das Banken­gespenst obsieg­te und die SPD pro­grammgemäß den Schwanz einzog. Ein Absturz zum Regional­blatt als Folge von Vereini­gung und Medien­konzen­tration. „Mein Leipzig lob' ich mir?“ An der Pleiße gibt's keine Leipziger Allgemeine. Nur die LVZ und die geht weiter den Bach runter. Da lacht Mephisto und Faust wundert sich. Die LVZ war der Platzhirsch am Ort und wird zum Bambi verzwergt. Frankfurts laute Banker­stimme bleibt per FAZ weithin vernehm­bar. Die Stimme der LVZ, von Berlin her souffliert, verkommt zum uner­hörten Hilferuf. Die Heldenstadt, einst weltgerühmter Buch- und Verlagsort, degeneriert zum er­wei­terten und verwäs­serten Auer­bachs­keller, wo vergangene Größen, an die Wand geklatscht, auf bessere Zeiten warten. Wirtschaft, Horatio – so oft kann man Shakes­peare gar nicht zitieren, wie es heut­zutage zutrifft. Kapital­schwäche und Austreibung. Wohin ist unser legen­därer Hörsaal vierzig? Wer das nicht wissen will, der irrt sich.

Heinz Lippmann links neben Honecker

Am 8.12.2011 sendete RBB um 22 Uhr 45 die Doku­mentation Honeckers ab­trünniger Stell­ver­tre­ter, das war Heinz Lippmann, wie ihn seine brave Enkelin Karoline Kleinert, die den Groß­vater nie ken­nen­lernte, ein­schätzt. Diese Sicht reicht für einen Blick zurück. Der Durch­blick ist es nicht. Viel­leicht ver­sperrt die Sendung als Medium in der Bilder- und Inter­view-Abfolge den Geheim­nis­ver­rat. Die Tie­fen­dimen­sion in der Tragö­die Lippmann ist nicht erreicht. Lippmann und Merkel sind zwei dia­me­trale Mög­lich­keiten, das FDJ-Hemd abzu­legen. Honecker wäre die dritte Möglichkeit. Er und sein frü­her Stell­vertre­ter schei­terten. Angela hat es noch vor sich.
  In der jungen Welt vom 8.12.2011 wurde der Lippmann-Film sogar fair und fast sympathi­santen­haft vorangezeigt: „Innerhalb weniger Jahre wird aus dem KZ-Häftling ein Spitzen­funktionär. Und doch ergreift er auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Flucht.“ Man stelle sich vor, statt Honeckers Stell­ver­treter hätte Honecker selbst schon am 23. September 1953 die Flucht ergriffen. Was wäre dann aus der DDR geworden?

65 Fragen an die SED – blieben ohne Antwort

Was die Dokumentation nicht zeigt, steht in Heinz Lippmann – Porträt eines Stell­vertreters von Michael Herms, Dietz Verlag Berlin 1996 mit Vorwort von Hermann Weber, der, soweit es mich betrifft, im Buch exakter formuliert als im Film: „Es ist übrigens bemer­kens­wert, dass mich der Schrift­stel­ler Ger­hard Zwerenz nach Heinz Lippmanns Tod anrief und zu überlegen gab, ob dahinter nicht die Stasi stecke.“ Wenn ich mich recht ent­sinne, gab es Gründe für diesen Verdacht. „Bist du, Geselle, ein Flüchtling der Hölle?“, Faust I im Studierzimmer. Für Lipp­mann hatte die Hölle in Auschwitz begon­nen und nie geendet. Sahra Wagenknecht eröffnet am 8.12.2011 ihren antikapitalen FAZ-Artikel bil­dungs­status­gemäß mit Faust II:
  „Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr. Und täglich wächst mir neue Pein.“ Das stimmt exakt für die Jahreswende 2011/12 und könnte von Mutti Merkel stammen statt vom Urgroß­vater Goethe. Lippmann übrigens brauchte nicht alle Tage mehr, hatte von der FdJ-Kasse für geheime West-Arbeit 300.000 Westmark ausgeborgt, im BRD-Unter­grund aber so fehlerhaft spuren­legend verplempert, dass die Gehei­men des früheren Klassen­feindes ihn fest­nehmen konnten. Es begann seine Tragödie II wo nicht III.
  Von Hermann Weber und Heinz Lippmann alias Lothar Pertinax stammt das gemeinsame Buch Schein und Wirk­lich­keit in der DDR – Unter­titel – 65 Fragen an die SED, erschienen 1958 in Stuttgart, ein Werk, das unver­lier­bar zur Wissen­schafts-Geschichte zählt, auch wenn es heute unbekannt geworden ist. Hermann Weber begann damit seine Hoch­schul­karriere. Die SED scheute die Antworten. 65 Fragen waren ihr offenbar zuviel. In der Selbst­auf­klärung blieb sie rückständig.

Mehr als 6.000 Google-Aus­künfte zu Lipp­mann – Zwerenz

Zu Heinz Lippmann äußerte ich mich in Büchern, Artikeln, Radiosendungen. Bei Google werden über 6.000 Ergebnisse gemeldet. In der Kasbacher Zeit hatte Jo Scholmer (Dr. Joseph Schöl­merich) mich gebeten, mit Lippmann über den 3. Weg zu spre­chen. Sie machten dann die ille­gale Flug­schrift draus. Auf langen Spazier­gängen begriff ich, Heinz zählte zum 3. Geschlecht. Das ist poli­tisch gemeint. Im übri­gen war Heinz von Jugend an ein Womanizer. Die Frauen flogen auf ihn. Zuletzt spannte er noch einem reichen rheini­schen Fabri­kanten das Ehe­weib aus. Ingrid erinnert sich an den Besuch des frisch­verliebten Paares in unserer Kölner Woh­nung. Häufig waren dort mit Lippmann gemeinsam Wolf­gang Leonhard und Ralph Giordano zu Gast. Da waren's ihrer drei Ex-Genossen mit den gleichen Havarien und der daraus resul­tierenden Provo­kations­lust.

Bei aller analytischen Skepsis lasse ich mir meine Sympathien für die Linkspartei nicht nehmen. Sie wird benötigt. Erfreulich wäre, ihre Leute wüssten das auch (zu würdigen). Man stelle sich vor, Dietmar Bartsch brächte seine Meck-Pom-Genossen dazu, sich geschlos­sen aus der Landes­po­litik zurück­zuziehen. Die NPD, in nordöst­lichen Grenz­räumen bereits domi­nierend, käme im ganzen Schweriner Bundes­land ans Ruder. Die Bürgerlichen wären er­schrocken, nähmen es aber als gesetz­lich-demo­kratisch legitimiert hin. Würde Sachsen dann wider­stehen oder wie jetzt Antifa-Gegen­aktionen verfolgen? Der 30. Januar 1933 war formal auch legitim. Ende des Angst­traums. Beginn eines Wunsch­traums. Schorlem­mer ist sauer, wo nicht verstört, weil Deutschland bereits an dritter Stelle beim weltweiten Waffen­export rangiert. Und so wagt er schleunigst vor den Kameras von ADR/ZdF Schwerter zu Kochtöpfen umzu­schmieden und avanciert zum Fünf-Länder-Bischof der vereinigten Protes­tanten. Aufgewühlt beginnen auch die katho­lischen Militär­pfarrer mindestens aus Konkur­renz­gründen das unverfälschte Wort Christi zu predigen. Ende Wunschtraum.
  Das wird mir jetzt im Ton zu weihnachtlich. Ich bin kein deutscher Christ, sondern Trotzkist von Geburt an und Blochianer seit meiner zweiten Geburt in Leipzig, das von unsereinem nichts wissen will. Pfeifdrauf. Ich bleibe der Gert Gablenz aus dem Mendels­sohn-Haus, der in Gablenz an den zwei Teichen auf die Welt geriet. Aus Sympa­thie für meinen Freund und Leidens­genossen Heinrich Graf (von) Einsiedel nannte ich mich in unserer Bonner Zeit ab dem vierten Glas Rotwein von und zu Gablenz am Donnersberg, und als ein von und zu Freiherr G. als künftiger Herr­scher der Deutschen aus dem ober­fränki­schen Altreich jauchzend auftauchte, bestaunte ich die Leichtigkeit des inszenierten Albtraums. Hatte nicht Adolf der Verführer das verdiente Ende seines Volkes konstatiert, das im Kampf mit den Russen schwächlich unterlag? Die Enkel fechten's, dem Lügen­bold folgend, besser aus? So ist das Leben. Früher stand der Hamburger W. Biermann weit links vom Hamburger Schmidt-Schnauze. Heute steht er weit rechts von Schmidt-Bambi, der im Alter Meister Popper zu spielen versucht, obwohl dem Wehr­machts-Ober­leut­nant sein verschluckter Stahlhelm noch im Magen liegt. Such is Life. Unsere Kriegs­helden kriegen ihre große Vergangen­heit einfach nicht aus den Klamotten.
  Gibt es Gott Janus als Schatten? Franz Josef Strauß forderte die Deutschen auf, endlich aus dem Schatten Hitlers herauszutreten. Der war gewiss ein Gott und überlebt als Schatten. Was aber geschieht, tritt einer draus heraus? Wo ist er dann? Angenommen, die NPD würde verboten. Was passiert mit den 130 eingeschleusten V-Leuten des Verfas­sungs­schutzes – werden sie pensioniert wie Beamte? Als Beamte? Auch wenn sie führende NPD-Funktionäre waren, verantwortlich für die Politik einer Partei, die dafür verboten wird (wurde)? Wie nennt sich so ein Pensionär dann? Pensioniert wegen verbotener Politik? Es gibt Schatten, die die Schatten­menschen als Vergangenheit scheuen oder aufarbeiten, und Schatten, auf die sie stolz sind. Schmidt, Gauck, Sarrazin sind stolz auf sich, wie ihre Bücher und Gesichter zeigen. Sie sind, gänzlich schattenlos, ganz windschlüpfig mit sich im reinen. Anders unsere linken Genossen, diese veraltet verwaltete Junge Garde im Garten Chaos.
  Was wurde aus den unzähligen Demonstranten der Heldenstadt Leipzig? Die friedliche Revolution, eine Straßenrevolte, fegte den Staat DDR hinweg und erreichte ihren Anschluss. Seither führt Deutschland wieder Kriege und nimmt als Waffen­exporteur hinter USA und Russland den 3. Platz ein. Das soll der Sinn einer fried­lichen Revolution gewesen sein. Die Parallele zur verlorenen Revo­lution von 1848 liegt nahe. Die damaligen Monarchen schlugen die Aufstände aller­dings militärisch nieder, was die wankende Sowjetunion nicht mehr riskierte. Auf unsere Ideen eines 3. Weges von 1956 verzichteten die niedlich-friedlichen Bürger­rechtler von 1989, ohne sie auch nur eine Sekunde lang zu erwägen. China und Vietnam riskierten ihren 3. Weg mit einem Erfolg, der das Kapital heute zum Bitt­steller macht. Das Gebiet der DDR verkam zum teuren Anhängsel des Westens. Das war politisch borniert, finan­ziell und ökonomisch stink­konser­vativ und intellektuell so schwach wie die SED-Kopf­befind­lichkeit beim Endspiel um die Macht.
  Nach dem Exitus ihrer DDR hatte die Rest-SED die unfreie Wahl, eine neue kommunistische Partei oder eine linke SPD zu gründen. Um nicht gleich verboten zu werden positionierte sie sich als links­sozial­demo­kra­tischer Flügel­schlag und nannte sich PDS. Wer nicht mitging, privatisierte, schlüpfte in Nachbars Bürger­gärten unter oder entdeckte die Schön­heiten von Sekten­vereinen. Die neue Linkspartei als Hauptstrom reüssierte, bis die heutige große Zeit tatsäch­licher End­spiele begann. DDR und SU lieferten nur den Prolog dazu. Was nun tun, Genossen? Zurück zu Stalin oder voran zu Marx? Wie wär's mit August Bebel statt Noske und Wilhelm Liebknecht statt Hindenburg-Ebert? Auf dem langen Weg durch die Institutionen kam Sahra Wagenknecht am 8. Dezember 2011 im FAZ-Feuilleton an: „Schluss mit Mephistos Umver­teilung!“ Ein Kanonen­schuss aus unvermuteter Position.

Das Fernseh-Antikmöbel Arnulf Baring hatte in der FAZ schon im November 2002 gefordert: „Bürger auf die Barri­kaden!“ Zu Zeiten der Gruppe 47 hieß es von der FAZ: Politik schwarz, Wirtschaft weiß, Feuilleton rot. Heute gibt's ne Wieder­holung? Der US-Autor Michael Lewis hält in der FAS vom 1.12.2011 den Kapita­lismus für revo­lu­tions­reif, nur die verheerende Erin­nerung an das Scheitern des realen Sozialismus verhin­dere Umsturz. Solche Stimmen schwellen seit Wochen an. Sahra Wagen­knecht zählt dazu. Siegt Marx auf unor­thodoxe Weise an fremden Ufern? Neues Deutsch­land merkte dazu am 9.12. an: „Frankfurter Allgemeine Verun­siche­rung – Kapi­talis­muskri­tische Texte im Hausblatt des Kapitals …“ Am 10.12. setzt Sahra in der jungen Welt einen Gast­kom­mentar ab: „Merkels Geis­terfahrt“. Da sagt Wagen­knecht glasklar, was sie in der FAZ noch ortsan­gepasst im Langlauf mit Goethes Faust äußerte: 830.000 deutsche Millio­näre besitzen mit 2,2 Billionen mehr Finanz­vermögen als Bund, Bundes­länder und Gemeinden Schulden haben.
  Was wäre zu tun? Revolution als gerechter Ausgleich geht nicht. Friedlich schon gar nicht. Wie war das doch mit dem bibli­schen Tanz ums Goldene Kalb? Das Duo Wagenknecht-Lafontaine ist in der Vorweihnachts­zeit multimedial vertreten. Am 3. Advent durfte Oskar bei Günther Jauch auftauchen. Der neben ihm plazierte Neoliberale Hans-Werner Sinn stimmte dem Linksparteiler auffallend oft zu. Lafontaine wunderte und freute sich. Verkehrte Welt oder späte, wenn nicht unheilbar späte Einsicht? Stoiber übrigens war auch dabei und nervte selbst ohne ähähäh-Gestotter. Wagenknecht in der FAZ Goethe zitierend: „Entschlüsse sind nicht zu vermeiden, wenn alle schädigen, alle leiden.“

Zwerenz – Wagenknecht
Die grundsätzliche Differenz

Beim Leipziger Dingsda Verlag erschien 1999 das Buch Die grund­sätzliche Differenz – Ein Streit­gespräch in Wort und Schrift – zwischen Sahra Wagenknecht und Gerhard Zwerenz. Damals riet ich Sahra W. zum Wirtschafts­studium. Wenige Jahre später saß auf einem Frank­furter Podium Bruder Diether Dehm zwischen uns. Friede-Freund­schaft-Eier­kuchen? Was bleibt 2011/12 von der grund­sätz­lichen Dif­ferenz? Das will ergründet sein. Vorwärts Linke oder aus Angst vor der kapi­talen Pest zurück ins warme Nest? Da heute selbst die USA sich Richtung Asien orien­tieren und Europa zu Bette geht, stellt sich die Frage: Was kommt nach dem Kapitalismus? 1994 erlaubte ich mir, diese Frage schon mal zu beant­worten.



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Gerhard Zwerenz
Weder Kain noch Abel
Gespräch mit Jürgen Reents Das Neue Berlin 2008
So stands damals in mehreren Blättern. Heute erscheint mir mein Opti­mis­mus von 1994 zu optimis­tisch. Linke Parteien sind von Marx her auf Revolu­tion pro­gram­miert. Die Spaltung ab 1914 in Revolu–tionäre und Revi­sionisten wurde mit dem Ende der SU Geschichte. Das siegreiche Bürger­tum ist nicht weniger ratlos und revo­lutions­unfähig. Ausge­nom­men einige Helden, Analytiker auf verlo­renem Posten und im FAZ-Feuilleton, das eine Lizenz zum Widerspruch hat wie James Bond zum Töten. „Stellt endlich die System­frage!“ So Nils Minkmar am 11.12.2011 im Vor­weihnachts­rausch. Erschiene der­gleichen in Neues Deutsch­land oder junge Welt wären das Fälle für den Verfas­sungs­schutz. Das jeweilige System ist heilig. Bis es untergeht. Ich erlebte 5 Deutsch­länder. Vier krachten weg. Das 5. übt noch. Am Ende wechseln Verfolger und Verfolgte Platz und Stellung. Oben geht runter, unten geht rauf. Bis zum nächsten Wechsel. Ja ihr braven Genossen, es ist Essig mit der Diktatur des Prole­tariats. Die Diktatur des intel­lektuel­len Prekariats pro­duziert ihre pro­grammierte Chaotik. Keine Angst. Wenn die SPD demnächst wieder oben sein wird, wächst der waidwunden Linkspartei erneut opposi­tionelle Energie zu. Sie dürfte auch ehrlicher und klüger mit ihrer Vergan­genheit umgehen. Die Geschichte der Kommunis­ten und Marxisten ist eine Tragö­die mit dem Schlussakt eines Trauer­spiels wie von Walter Benjamin beschrieben. Im Ge­sprächs-Buch Weder Kain noch Abel, erschienen 2008, fragte mich der Interviewer Jürgen Reents nach Sahra Wagenknecht. Meine Antwort steht auf Seite 84:


Heute würde sie sich wohl darüber freuen.

Gerhard Zwerenz    

 

 
Gerhard Zwerenz
Serie
  1. Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
  2. Wird Sachsen bald chinesisch?
  3. Blick zurück und nach vorn
  4. Die große Sachsen-Koalition
  5. Von Milbradt zu Ernst Jünger
  6. Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
  7. Reise nach dem verlorenen Ich
  8. Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
  9. Van der Lubbe und die Folgen
  10. Unser Schulfreund Karl May
  11. Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
  12. Die Westflucht ostwärts
  13. Der Sänger, der nicht mehr singt
  14. Ich kenne nur
    Karl May und Hegel
  15. Mein Leben als Prophet
  16. Frühe Liebe mit Trauerflor
  17. Der Schatten Leo Bauers
  18. Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
  19. Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
  20. Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
  21. Tanz in die zweifache Existenz
  22. General Hammersteins Schweigen
  23. Die Pleiße war mein Mississippi
  24. Im Osten verzwergt und verhunzt?
  25. Uwe Johnson geheimdienstlich
  26. Was fürchtete Uwe Johnson
  27. Frühling Zoo Buchmesse
  28. Die goldenen Leipziger Jahre
  29. Das Poeten-Projekt
  30. Der Sachsenschlag und die Folgen
  31. Blick zurück auf Wohlgesinnte
  32. Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
  33. Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
  34. Brief mit Vorspann an Erich Loest
  35. Briefwechsel mit der Welt der Literatur
  36. Die offene Wunde der Welt der Literatur
  37. Leipzig – wir kommen
  38. Terror im Systemvergleich
  39. Rachegesang und Kafkas Prophetismus
  40. Die Nostalgie der 70er Jahre
  41. Pauliner Kirche und letzte Helden
  42. Das Kickers-Abenteuer
  43. Unser Feind, die Druckwelle
  44. Samisdat in postkulturellen Zeiten
  45. So trat ich meinen Liebesdienst an …
  46. Mein Ausstieg in den Himmel
  47. Schraubenzieher im Feuchtgebiet
  48. Der Fall Filip Müller
  49. Contra und pro Genossen
  50. Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
  51. Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
  52. Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
  53. Als Atheist in Fulda
  54. Parade der Wiedergänger
  55. Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
  56. Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
  57. Fragen an einen Totalitarismusforscher
  58. Meine fünf Lektionen
  59. Playmobilmachung von Harald Schmidt
  60. Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
  61. Denkfabrik am Pleißenstrand
  62. Rendezvous beim Kriegsjuristen
  63. Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
  64. Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
  65. Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
  66. Der Bunker ...
  67. Helmut auf allen Kanälen
  68. Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
  69. Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
  70. Die Sächsischen Freiheiten
  71. Zwischen Genossen und Werwölfen
  72. Zur Geschichte meiner Gedichte
  73. Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
  74. Der Dritte Weg als Ausweg
  75. Unendliche Wende
  76. Drei Liebesgrüße für Marcel
  77. Wir lagen vor Monte Cassino
  78. Die zweifache Lust
  79. Hacks Haffner Ulbricht Tillich
  80. Mein Leben als Doppelagent
  81. Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
  82. Vom Langen Marsch zum 3. Weg
  83. Die Differenz zwischen links und rechts
  84. Wo liegt Bad Gablenz?
  85. Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
  86. Der 3. Weg eines Auslandssachsen
  87. Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
  88. Am Anfang war das Gedicht
  89. Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
  90. Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
  91. Im Hotel Folterhochschule
  92. Brief an Ernst Bloch im Himmel
  93. Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
  94. Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
  95. 94/95 Doppelserie
  96. FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
  97. Rainer Werner Fassbinder ...
  98. Zähne zusammen­beißen ...
  99. Das Unvergessene im Blick
    1. Nachwort
Nachworte
  1. Nachwort
    siehe Folge 99
  2. Auf den Spuren des
    Günter Wallraff
  3. Online-Abenteuer mit Buch und Netz
  4. Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
  5. Die Leipziger Denkschule
  6. Idylle mit Wutanfall
  7. Die digitalisierte Freiheit der Elite
  8. Der Krieg als Badekur?
  9. Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
  10. Alter Sack antwortet jungem Sack
  11. Vor uns diverse Endkämpfe
  12. Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
  13. Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
  14. Kampf der Deserteure
  15. Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
  16. Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
  17. Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
  18. Was zum Teufel sind Blochianer?
  19. Affentanz um die 11. Feuerbach-These
  20. Geschichten vom Geist als Stimmvieh
  21. Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
  22. Trotz – Trotzalledem – Trotzki
  23. Der 3. Weg ist kein Mittelweg
  24. Matroschka –
    Die Mama in der Mama
  25. Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
  26. Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
  27. Jan Robert Bloch –
    der Sohn, der aus der Kälte kam
  28. Das Buch, der Tod und der Widerspruch
  29. Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
  30. Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
  31. Hölle angebohrt. Teufel raus?
  32. Zwischen Heym + Gauck
  33. Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
  34. Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
  35. Die Philosophenschlacht von Leipzig
  36. Dekonstruktion oder Das Ende der Ver­spä­tung ist das Ende
  37. Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
  38. Meine Weltbühne im poetenladen
  39. Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
  40. Die Internationale der Postmarxisten
  41. Dies hier war Deutschland
  42. Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
  43. Einiges Land oder wem die Rache gehört
  44. Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
  45. Macht ist ein Kriegszustand
  46. Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
  47. Damals, als ich als Boccaccio ging …
  48. Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
  49. Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
  50. Leipzig am Meer 2013
  51. Scheintote, Untote und Überlebende
  52. Die DDR musste nicht untergehen (1)
  53. Die DDR musste nicht untergehen (2)
  54. Ein Orden fürs Morden
  55. Welche Revolution darfs denn sein?
  56. Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
  57. Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
  58. Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
  59. Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
  60. Die heimatlose Linke (I)
    Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
  61. Die heimatlose Linke (II)
    Ein Zwischenruf
  62. Die heimatlose Linke (III)
    Wer ist Opfer, wer Täter ...
  63. Die heimatlose Linke (IV)
    In der permanenten Revolte
  64. Wir gründen den Club der
    heimatlosen Linken
  65. Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
  66. Links im Land der SS-Ober­sturm­bann­führer
  67. Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
  68. Leipzig. Kopfbahnhof
  69. Ordentlicher Dialog im Chaos
  70. Büchner und Nietzsche und wir
  71. Mit Brecht in Karthago ...
  72. Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
  73. Die Suche nach dem anderen Marx
  74. Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
  75. Vom Krieg unserer (eurer) Väter
  76. Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
  77. Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
  78. Die Heldensöhne der Urkatastrophe
  79. Die Autobiographie zwischen
    Schein und Sein
  80. Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
  81. Atlantis sendet online
  82. Zur Philosophie des Krieges
  83. Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
  84. Der Prominentenstadl in der Krise
  85. Der Blick von unten nach oben
  86. Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
  87. Vom Krieg gegen die Pazifisten
  88. Keine Lust aufs Rentnerdasein
  89. Von der Beschneidung bis zur
    begeh­baren Prostata
  90. Friede den Landesverrätern
    Augstein und Harich
  91. Klarstellung 1 – Der Konflikt um
    Marx und Bloch
  92. Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philo­sophie und Verbrechen
  93. Der Kampf ums Buch
  94. Und trotzdem: Ex oriente lux
  95. Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
  96. Der liebe Tod – Was können wir wissen?
  97. Lacht euren Herren ins Gesicht ...
  98. Die Blochianer kommen in Tanzschritten
  99. Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz