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Sylvia Plath
Die Glasglocke
Lady Lazarus in New York
Vor fünfzig Jahren starb die Dichterin Sylvia Plath, die Autorin der Glasglocke
Kritik |
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Sylvia Plath
Die Glasglocke
Übersetzt von Reinhard Kaiser
Mit einem Vorwort von Alissa Walser
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
262 Seiten, 22,90 EUR |
Als „Lady Lazarus“ hat sich diese Dichterin porträtiert, als eine im Unglück „lächelnde Frau“, die in die Hölle des Schmerzes geht, ohne jedoch – wie der biblische Lazarus – wiedererweckt zu werden zu einem neuen, befreiten Leben. Sylvia Plath, die Dichterin aus Neuengland, ist seit ihrem Freitod am 11. Februar 1963 zur Ikone des Feminismus geworden, von der Nachwelt zurechtgeschminkt zur visionären Schmerzensfrau, verehrungswürdig vor allem als ein Opfer ihres berühmten Manns, des englischen Dichterkönigs Ted Hughes. Auch die Neuedition ihrer Werke ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod hat wenig an der schwärmerischen Überhöhung ändern können, mit der man dieser Autorin seit je gegenübergetreten ist. Eingeprägt hat sich vor allem das biografische Faktum, dass die Verbindung von Sylvia Plath und Ted Hughes in eine tragische Schieflage geriet, nachdem Hughes ein außereheliches Verhältnis mit einer mittelmäßigen Dichterin begonnen hatte und sich Sylvia daraufhin mit den Kindern in eine Wohnung in London einmietete und alle Versöhnungsversuche von Ted Hughes abwehrte. Am 11. Februar 1963 legte sie dort noch das Manuskript ihres Gedichtbandes „Ariel“ auf den Schreibtisch, bevor sie sich in Küche zurückzog, die Türschlitze sorgsam abklebte und das Gas im Backofen aufdrehte.
Vier Wochen zuvor war ihr einziger Roman „Die Glasglocke“ erschienen, der als kaum fiktionalisierte Autobiografie gelesen wurde. Der Suhrkamp Verlag hat nun zum fünfzigsten Todestag von Sylvia Plath „Die Glasglocke“ in der bewährten Übersetzung von Reinhard Kaiser aus dem Jahr 1997 neu aufgelegt und mit einem Nachwort von Alissa Walser versehen, die selbst vor einigen Jahren die Tagebücher und die Gedichte von Sylvia Plath übertragen hat.
Wer nun die Mühe nicht scheut, die Gedichte des „Ariel“-Bandes und den „Glasglocke“-Roman parallel zu lesen, erlebt eine große Überraschung. Die surreal flackernden Bilder der Gedichte verbinden sich zu einer suggestiven Todesbeschwörung, die keine Gegenbilder zur schwarzen Vision mehr zulässt. Bereits der erste Vers im Gedichtband „Ariel“ erfasst das ganze Drama des lyrischen Subjekts. Der Liebeswunsch prallt ab an der Erfahrung einer leeren Mechanik des Lebens: „Liebe hat dich aufgezogen wie eine fette goldene Uhr. / Die Hebamme schlug deine Fußsohlen, und dein nackter Schrei / Nahm Platz unter den Elementen.“ Und der „nackte Schrei“ eines einsamen Subjekts ist es auch, der die weiteren Sprachbewegungen des Ich bestimmt, bis hin zu den hypnotischen Todesgedichten „Lady Lazarus“ und „Tod & Co“: „Bald schon, bald ist das Fleisch / Gefressen von der Gruft des Grabes, /Auf mir zuhaus. // Und ich, eine lächelnde Frau, /Bin erst dreißig / Und hab, wie die Katze, neun Leben, zu sterben.“
Ein ganz anderer Ton prägt die Prosa der Sylvia Plath. Aus elegant gefügten Perioden und ironisch federnden Sätzen ist der Roman „Die Glasglocke“ gebaut. Und obwohl im zweiten Teil des Romans sehr viele Motive der Psychiatrie- Erfahrung der Autorin auftauchen, die auch vielfach verspiegelt in die Gedichte eingegangen sind, wird hier doch stets eine erzählerische Distanz zu dem Seelenleben der Heldin gewahrt. Hier gibt es kein unverhülltes Ich, das in literarischer Unmittelbarkeit seinen „nackten Schrei“ aussendet, sondern eine kühl kommentierende Erzählerstimme, die uns die Irrungen und Wirrungen einiger abenteuerlustiger College-Girls in einem heißen New Yorker Sommer vorführt – bis dann eine der Mädels, die Protagonistin Esther Greenwood, von ihrer bislang mühelos absolvierten Lebensbahn abrutscht in die Hölle der Depression.
Die „Glasglocke“ beginnt wie eine spielerische, lässige Ausflugsfahrt einiger College-Mädchen, die sich bei einem Modemagazin in New York erste berufliche Erfahrungen sammeln sollen, dem aber ein Party-Leben in „herrlich pompöser Dekadenz“ vorziehen. Mitten unter ihnen begrübelt die junge Esther ihre Zukunft – und träumt davon, eine berühmte Dichterin zu werden. Nach ein paar Tagen in New York erleidet sie eine Lebensmittelvergiftung – und nach dem Zerplatzen ihrer Träume von einer erfolgreichen Existenz als große Dichterin gerät die Welt aus den Fugen. Die Heldin plant immer neue Todesarten und bleibt eingesperrt in ein Gefühl des Erstickens, als würde man „immer tiefer in einen schwarzen Sack gestopft, ohne Luft und ohne Entkommen“. Am Ende des äußerst diszipliniert geschriebenen Romans scheint die Ich-Erzählerin das Gefängnis der Depression zu verlassen. Sylvia Plath dagegen erstickte im „sauren Dunst der Glasglocke“, dem furchtbaren Gefühl absoluter Seelenlähmung, das sie in ihrem Roman so eindrucksvoll beschrieben hat.
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Michael Braun
Bericht
Archiv
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