Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer Gedenksteine in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
(Nahe Wladiwostok 1954 – Köln 2009)
Igel
dessen Nadelbett den Leib Sebastians durchspießt.
Sein Rücken: eine Vielheit, geschöpft wie durch ein Sieb,
und der doch in sich, ganz, abgesondert blieb.
Zisch ihn an – er erlischt, gleichsam durchbohrt. Trollt
sich fort. Pass auf, daß er nicht in den Kragen rollt!
Der Igel – ein Schlosserutensil; Tölpel, der einen Twist hinlegt.
Abfallkorb an der Haltestelle, von einer Schneewächte verdeckt.
Bei Frauen stehen seine Nadeln still, wie in Futteralen.
Verträumten Männern wird er das Kinn zermahlen.
Das Verschwinden des Igels – ein trockener Auspuffknall.
Auferstanden? Dann schüttel dich aus! Nadeln überall!
Übersetzung von Hendrik Jackson
»Zwar galten seine Verse oft als dunkel, sie sind jedoch eher überladen und verdichtet, inspiriert von Malerei und Philosophie. Sein Schreiben basierte auf dem Aufspüren innerer und visueller Ähnlichkeiten. Seine Vergleiche zielten nicht auf Effekte und auch nicht auf rauschhafte surreale Momente, sondern darauf, neue und wesenhafte Verbindungen zwischen Wörtern und Dingen herzustellen und zu entdecken.«
Hendrik Jackson
Alexej Parschtschikow wurde 1954 bei Wladiwostok geboren und starb Anfang April 2009 in Köln mit 54 Jahren. In Moskau und Stenford (USA) studierte er Literatur und veröffentlichte seinen ersten Band (Formen der Intuition) 1989 in Moskau. 1985 erhielt er den Andrej-Bely-Preis. Parschtschikow wurde der Strömung der „Metarealisten“ zugerechnet und lebte seit 1995 in Köln.
18.06.2009