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Brooke Davis
Noch so eine Tatsache über die Welt
Millie und die Rentnergang
In ihrem Romandebüt lässt die australische Autorin Brooke Davis ein siebenjähriges Mädchen und zwei Oldies über das Leben,die Liebe und den Tod nachdenken
&xnbsp; Kritik |
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Brooke Davis
Noch so eine Tatsache über die Welt
Roman
Aus dem Englischen von Ulrike Becker
München: Verlag Antje Kunstmann 2015
279 Seiten, 19,99 EUR
ISBN 978-3-95614-053-2
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Millicent Bird, genannt Millie, ist sieben Jahre alt, als sie plötzlich allein im Leben dasteht. Ohne Vater und Mutter mitten in der Damenwäscheabteilung eines Warenhauses in der australischen Kleinstadt Warwickvale. Sie solle hier warten, bis sie wiederkommt, hat ihr die Mutter aufgetragen. Aber die durch den Tod ihres Mannes offensichtlich stark verwirrte Frau kommt nicht wieder. Nicht nach einer Stunde, nicht nach zwei und nicht bis zum Ende des Tages. Millie nennt ihn den „ersten Tag des Wartens“. Viele weitere werden ihm folgen. Damit ihre Mutter sie wiederfindet, hinterlässt das Mädchen von nun an überall die Botschaft „Hier bin ich, Mum!“. Sie schreibt sie auf Zettel, in den Staub der Straßen und – spiegelverkehrt – an verschmutzte Fensterscheiben.
&xnbsp; Denn natürlich muss sie das Warenhaus, das ihr nur für kurze Zeit Unterschlupf bietet, wieder verlassen. Zumal sie dem Hausdetektiv und der Geschäftsführerin in die Hände fällt und selbst ein siebenjähriges Mädchen schnell begreift, was ihm droht, wenn es kein Zuhause mehr hat. Doch einen Freund hat Millie Bird, während sie vergeblich auf ihre Mutter wartete, immerhin gefunden.
&xnbsp; Der Mann heißt Karl und ist genau 80 Jahre älter als Millicent. Auch ihm hat der Tod schwere Wunden geschlagen. Evie, die Frau, die er liebte wie niemanden sonst, ist vor ihm gestorben und sein Sohn hat mit dem Alten nichts Besseres anzufangen gewusst, als ihn kurz darauf in ein Heim zu geben. Doch da hält es Karl nicht lange aus. Er, der sich „der Tasttipper“ nennt – Evie und er haben sich einst in einem Schreibmaschinenkurs kennengelernt –, nutzt die erstbeste Gelegenheit, um dem ungeliebten neuen Zuhause den Rücken zu kehren. Als ihm auf seiner Flucht das elternlose Mädchen über den Weg läuft, beschließt er kurzerhand, sich fortan um die Kleine zu kümmern.
&xnbsp; Das muss er freilich nicht allein, denn noch eine Person hat den festen Plan gefasst, Millie und ihre Mutter wieder zusammenzubringen. Auch Agatha Pantha ist schon in den Achtzigern und lebt seit dem Tod ihres Mannes vereinsamt in einem allmählich zuwuchernden Haus genau gegenüber der Heimstatt der Familie Bird. Den Nachbarn gilt die Frau als sonderbar, lässt sie sich, seitdem sie allein ist, doch kaum mehr in der Öffentlichkeit sehen. Stattdessen schaut sie durch das Fenster ihres kleinen Hexenhäuschens, beschimpft die Vorübergehenden, bekommt ihr Essen und die anderen Dinge des täglichen Bedarfs vom nahen Supermarkt geliefert und hat jeden einzelnen der ihr noch im Leben verbleibenden Tage genau durchgeplant: vom morgendlichen Notieren der zunehmenden Zeichen ihres körperlichen Verfalls bis zum abendlichen Ins-Bett-Gehen, bei dem sie vor dem Augenschließen endlich auch die Sonnenbrille, die ihr die Welt da draußen ein wenig vom Leib halten soll, abnimmt. Allein das Schicksal des kleinen Mädchens von Gegenüber rührt sie und um ihr zu helfen, im Leben seinen Platz zu finden, beginnt sie selbst, an den verrückten Dingen vor ihrer Haustür wieder teilzunehmen. Zu dritt macht man sich schließlich per Bus und Bahn auf ins ferne Melbourne, immer auf den Spuren von Millies Mutter.
&xnbsp; Ein kleines, schlaues Mädchen mit vielen Fragen und zwei alte, einsame Sonderlinge voller Ressentiments – Brooke Davis hat mit diesen Helden ein herrlich chaotisches Trio erfunden. Weil die eine noch zu jung ist, um sich vor der Welt zu fürchten, und ihre beiden Reisegenossen viel zu alt und ausgebufft, als dass man ihnen noch etwas vormachen könnte im Leben, stiftet das Triumphirat Unruhe, wo immer es auftaucht. Dabei gehen sowohl für Millie wie auch für ihre beiden Begleiter gesunder Menschenverstand immer vor Gesetz und Ordnung, Gerechtigkeit vor Recht und Mitgefühl vor jeglicher Korrektheit.
&xnbsp; Der tragische Unfalltod der eigenen Mutter, hat Brooke Davis bekannt, war der Auslöser für den vorliegenden Roman. Plötzlich, von einem Moment auf den anderen, einen geliebten Menschen zu verlieren und mit der Tatsache konfrontiert zu sein, dass jede Person, der man im Leben nahesteht, genauso plötzlich sterben kann, hat in ihr den Wunsch entstehen lassen,über Trauer und Verlust, den Tod und die verschiedenen Arten, mit ihm umzugehen, eine Geschichte zu erzählen, die so menschlich wie humorvoll, so nachdenklich wie heiter, so mutmachend wie anarchisch ist.
&xnbsp; Noch so eine Tatsache über die Welt – im Original Lost&xnbsp;& Found – ist der erste Roman der 35-jährigen australischen Autorin. 2014 in Sydney erschienen, hat es das Buch binnen kürzester Zeit auf die Bestsellerlisten der englischsprachigen Welt geschafft. Übersetzungen in mehr als 20 Sprachen machen Brooke Davis inzwischen auch international bekannt. Auf die Verfilmung der Geschichte eines kleinen Mädchens, das, plötzlich ohne Eltern dastehend, bei zwei vom Leben kräftig mitgenommenen alten Menschen neuen Halt findet, wird man wohl auch nicht lange warten müssen. Finden sich in der Reise des Trios per Bus und Bahn quer durch den fünften Kontinent doch abenteuerliche Begegnungen, witzige Situationen und zutiefst menschliche Botschaften zuhauf. Ein Roadymovie mit Herz, nicht zu hundert Prozent kitschfrei, aber großartig erfunden und sprachlich-kompositorisch ideenreich umgesetzt.
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