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Frank Schulz
Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen
Tri, tra, trullala ... Onno Viets ist wieder da!
In seinem zweiten Abenteuer lässt Frank Schulz seinen Hamburger Detektiv Onno Viets als Personenschützer auf Mittelmeerkreuzfahrt gehen
Kritik |
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Frank Schulz
Onno Viets und das Schiff
der baumelnden Seelen
Roman
Berlin: Galiani Verlag 2015
325 Seiten, 19,99 Euro
ISBN 978-3-86971-106-5
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Er hat sich eine posttraumatische Belastungsstörung weggeholt bei seinem ersten Fall, der ihn 2012 mit einer Hamburger Kiezgröße namens Tibor Tetropov und dessen stets gewaltbereitem Bodyguard konfrontierte, wobei der Showdown an Bord des Alsterdampfers „Saselbek“ ihm fast die Lichter ausblies. Onno Viets und der Irre vom Kiez fanden Kritik und Publikum damals dermaßen gut, dass sich augenblicklich eine „Liga zur Beförderung der Lektüre Frank Schulz'scher Schriften in Mittel- und Süddeutschland“ gründete. Schließlich sollten den Mann nicht nur seine Landsleute zwischen Flensburg und Kassel kennen und lieben, sondern auch die ignoranten Preußen und das kaum mehr ein verständliches Deutsch sprechende Volk südlich des Weißwurstäquators.
Nun ist er jedenfalls wieder da. Und sein aktueller Auftrag führt ihn an Bord eines jener Kähne, die, angefüllt hauptsächlich mit wohlhabenden Senioren beiderlei Geschlechts, über die Weltmeere schippern. Also muss Onno auf ein paar Partien Tischtennis mit seinen Alte-Herren-Freunden vom BSV Hollerbeck Eppendorf e.V. verzichten und den Vetter seines besten Freundes, Donald Maria Jochemsen, besser bekannt auch unter seinem Künstlernamen „D.J. Sacknaht“, auf die quer durchs Mittelmeer schippernde FLIPPER IV begleiten.Da kann man dann „die Seele baumeln lassen“, wie es so trefflich im Bordprogramm für alle sich dem mehrtägigen maritimen Vergnügen hingebenden Landratten heißt.
Allein dieses Baumeln der Seele ist des Vetters Sache nicht. Denn zum einen leidet er unter „Viktimophobie“ – der Angst, zum Opfer einer Gewalttat bestimmt zu sein, die ihm auf hoher See ohne die Bekanntschaft mit den salzigen Fluten nicht vorstellbar ist –, zum andern hat er nicht des Müßiggangs, sondern der Liebe wegen den schwankenden Kahn für ein paar Tage zu seinem Lebensmittelpunkt erwählt. Denn seine „Mail- und SMS-Beziehung“ Kristin Luise hält sich als Mitglied der Entertainment-Crew ebenfalls an Bord auf. Da wird sie ihm auch kaum entkommen – und dafür, dass er seine Netze ungestört von Ängsten aller Art auswerfen kann, soll sein Personenschützer Onno sorgen.
Also Leinen los und rein ins Vergnügen! Das bei Frank Schulz immer auch ein sprachliches ist. Gilt der Mann seit seiner „Hagener Trilogie“ doch als ein Ausdrucks- Künstler ersten Ranges, versiert im Dialektalen ebenso wie im Brachialen. Und wenn der sich schon mit seinen Figuren auf eine Mittelmeer-Kreuzfahrt begibt, dann hört er auch genau hin, was da so an Smalltalk abgeht zwischen Backbord und Steuerbord, Bug und Heck. Klar, dass das Vetter Donald, dem geborenen Misanthropen, nicht gefällt, genausowenig wie die „repräsentative Kohorte des bundesdeutschen Ur- und Neospießertums“, die sich da zur gemeinsamen Urlaubsverbringung in „T-Shirts in allen Primärfarben“ versammelt hat und vor keiner Geschmacklosigkeit zurückschreckt: „Fiel sein Blick auf Matronenwülste in Radlerhose, deren Trägerin in gelochten Gummibotten in Pink über die Dielen auf dem Pooldeck watschelte, verdrehte er die Augen bis zum Anschlag.“
Doch was hilft all das Gejammer und Augenverdrehen – schließlich ist der Mann nicht der frischen Seeluft noch der Rundum-Bespaßung durch ein Entertainment-Team unter der Leitung von Managerin Maren Vigoleit wegen oder aufgrund der Tatsache hier, dass ein Essen praktisch das andere ablöst und auch der Alkohol in Strömen fließt – nein, der Schöpfer des animierten Handpuppenspiels „Kasper Spackennacken“, von dem uns Frank Schulz im Anschluss an jeden der sieben Teile seines Romans eine Kostprobe als „Nachspiel“ gibt, will nichts weiter als endlich in den Hafen der Liebe einlaufen.
Derart konditioniert, darf er sich erhaben hinwegsetzen über die Schlemmerorgien des betuchten Mobs im Restaurant „Calypso“, das er natürlich sofort in „Apocalypso“ umtauft, und dem Augenblick entgegenfiebern, in dem sie vor ihm stehen wird – Kristin Luise, die Auserwählte, die von all dem natürlich nicht das Geringste ahnt und aus allen Wolken fällt, als ihre Netzbekanntschaft leibhaftig vor ihr steht.
Mit Onno Viets, dem 59-jährigen Hamburger, der wenig kann und viel versucht, dem an der Tischtennisplatte alles gelingt und im Leben wenig, der aber dennoch immer zufrieden und glücklich scheint, weil ihm das Dasein in der Regel gefällt und nur selten wehtut und er mit seiner Edda eine Frau gefunden hat, mit der er schon im Sandkasten spielte und die ihm seitdem bedingungslos im Auf und Ab des Lebens zur Seite steht, hat Frank Schulz einen wunderbaren Helden erfunden. Einen, der sich immer durchschummelt. Der, wenn man ihm die Kneipe zumacht, eine Privatdetektei eröffnet. Ein Stehaufmännchen und einen Hans-guck-in-die-Luft, den nichts zu erschüttern vermag.
Und doch weht auch ein bisschen Tragik durch das zweite Abenteuer dieses Ritters ohne Furcht und Tadel unserer Tage. Denn als sich Onnos Wege und die seines Auftragsgebers schließlich trennen – der eine aus seinem Liebestaumel erwachend, der andere endlich erkennend, wohin er viel mehr gehört als auf das Narrenschiff mit Namen FLIPPER IV, da will es fast so scheinen, als käme diese Erkenntnis für Onno zu spät. Allein wir geben die Hoffnung nicht auf und hoffen, dass in Band 3 alles wieder gut wird.
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