Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 42. Nachwort
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
42. Nachwort |
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Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
Vergangene Anfänge –
hochmodern
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Warum ich den Kern der Kulturgeschichte nach Leipzig verlege, fragen Sie? Dafür gibt's 4 Gründe. Erstens ist es die Endstation der Pleiße. Zweitens: Dort wurde 1813 Napoleon geschlagen, was ich bedauere. Drittens: Hier putschte 1956/57 die Führung der führenden Partei der Arbeiterklasse gegen die Zukunft der Arbeiterklasse, was ich nicht akzeptiere. Viertens: Keine Stadt ist faustischer und zugleich mephistophelischer. Das kann ich so unbeschwert sagen, lebte ich doch die meiste Zeit im östlichen oder westlichen Ausland. Da kochen Heimatträume hoch, das walte Johann Wolfgangs Begegnung mit Faust, Gretchen und dem zu Mephisto miniaturisierten Herrn Teufel. 1. Nachwort: Nietzsche. 2. Nachwort Bloch. Notiert von Gert Gablenz / Ingrid Zwerenz unter Anrufung von Karl Marx und Karl May.
Drei wahre Sachsen sind bei dem Unternehmen meine Zeugen. Wir erinnern uns. Da ist Friedrich N. – vom peniblen Philologen übern lästerlichen Polemiker zum Irrlicht. Da ist Richard Wagner, vom Dresdner Barrikadenkämpfer zum Bayreuther Meistersänger vor Königsthronen. Karl May: Vom Mulden- und Pleißen-Strolch zum elbischen Weltphantasten. Und allen hält der eherne Marx von Chemnitz aus die Laterne. Auf dass wir unsere tollen Brüder erkennen im festlichen Licht der Funzel, die dem Bergmann vom Helm aus seinen Weg weist.
Nach 1957 durfte sich die DDR-Philosophie nur noch in Paraphrasen äußern. Wer mehr wollte, wurde gekontert. Das reichte von Havemann bis Bahro, bei denen es allerdings weniger um Philosophie als um Abweichungen von der Norm ging. Bei uns geht es heute im medialen Zeitalter um die Unterhaltung des Hirns – Motto: von Kick zu Kick zum Kickdown.
Sachsen war aber seit zweihundert Jahren ein grenzfestes Land mit Kontinuität in Wirtschaft, Kultur, Sprache. Die DDR als Versuch eines Groß-Sachsen verging als verspätete Kriegsfolge und hinterließ ein systemisches Erbe – eingeschwärzt zwar, doch reicher an Sensibilität, Seele und Gefahren, also Potentialen. Seit der neuen alten Einheit sehe ich mich als sächsischer Europäer, weil mir Deutschland schon wieder zu sehr über alles geht.
Meine Vorfahren kamen aus Bayern und Böhmen, Ingrid kommt aus Schlesien, das die Länder schneller wechselt als die Schuhe, mit denen man davonzulaufen hat.
Schlesien, Sachsen, Berlin waren Nachbarn und sind es. Thüringen ist so sächsisch wie Sachsen thüringisch. Sachsen-Anhalt bildet unseren Norden. Meck-Pom unsere nächste Meereslandschaft. Die Angelsachsen sind unsere früh exilierten Stammesgenossen. Wie die Russen, die uns erst vor kurzem verließen (im Stich ließen
)
Sachsen ist eine kleine heimlich-unheimliche Großmacht mit dem Stoff der Bombe im Erdreich und einem Dutzend Radiumbädern drumrumgruppiert.
Soweit mein feines Heimatmärchen. Der wunde Punkt liegt woanders. Warum schickte Friedrich Ebert 1923 die Reichswehr, um die sächsische Linksregierung zu verjagen? Warum wurde nichts aus der DDR, diesem Versuch Sachsens, im Bündnis mit Russland Weltpolitik zu betreiben? Die DDR war als besseres Deutschland konzipiert und erhielt 1956/57 neue Chancen. Die mögliche Reform des Ost-Marxismus blieb aus, was sich danach nicht mehr reparieren ließ. Was dann als friedliche Revolution firmierte, eskalierte den kalten Krieg zu lauter heißen Kriegen.
Mein Sachsen-Porträt ist ein wenig erinnerungsvergoldet. Weil ich die DDR ab 1957 nur von außen betrachten durfte, fehlen mir wohl einige Alltagserfahrungen. Stattdessen gab es die im Westen. Wenn ich den Schaum erblicke, den der Nachwuchs der Kommunistenhasser von Knabe bis Gauck heute absondert, frage ich etwas verwundert, ob das Ost-Unrecht wirklich so groß ist wie das des Westens klein. Heute, am 25.9.2010 jubelt sich die FAZ auf der ersten Feuilletonseite ein Hallelujah, Pröstchen! von und auf Gottfried Benn ab, den Dichter, der einen auf „die aristokratische Form der Emigration“ hob, womit er die Wehrmacht meinte, in der er als Oberstabsarzt überlebte, nachdem er ab 1933 seine ehemaligen Freunde, die weniger aristokratisch flüchten mussten, übern Reichsrundfunk beschimpft hatte. Zum Dank erhielt er 1951 den Georg-Büchner- Preis der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung. So läuft das in der westlichen Freiheitswelt von Viertel-Halb-Voll-Faschisten samt deren panegyrischen Post-Nazis. Hallelujah, Pröstchen, das gilt für Benn wie für Nietzsche, Heidegger, Carl Schmitt, Ernst Jünger, die Ehrengarde von Kriegshelden, Offizieren, SA-Männern, die mit Kiesinger, Filbinger, Helmut Schmidt der Bonner Republik den Glanz verschafften, der unserer armen DDR weithin fehlte, weil diese dumpfen Kommunisten verbissen das Hitler-Reich bekämpften statt in ihm per Karriere aristokratischen Widerstand zu leisten. Wie also steht's um die Vergangenheit der Bonner Bundesrepublik? Man wird ja noch fragen dürfen. Fortwährend lese ich Loblieder auf die Prä- und Post-Nazis. Von Sieburg bis Elisabeth Noelle-Neumann und ihrem braven angeheirateten Antisemiten, nachmals braver CDU-MdB – ein Feuilletonpferch voller Aristokraten? Die Differenz zwischen der 1. und 2. Diktatur klafft in Ost und West auseinander und weil sie immer heftiger dementiert wird, sei an den Tanz ums staatliche Unrecht erinnert. Gegen den letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière gewandt wurde die DDR von der Kanzlerin am 23.9.2010 erneut pauschal als Unrechtsstaat definiert. Da Frau Merkels Doktortitel demnach von einem Unrechtsstatt stammt, sollte sie anstandshalber den falschen Hut zurückgeben und noch mal ganz von vorn anfangen. Ganz und gar nicht von vorn fängt der Kriegsartikler Lothar Rühl in der FAZ vom 24.9.2010 an: „Es gibt also auch keinen Rückzug auf kampflose Stabilisierungseinsätze, weil Deutschland nicht in eine militärische Sonderrolle gebracht werden darf.“ Überschrift: Was die Bundeswehr braucht. Was braucht sie denn? Statt „kampfloser Stabilisierungseinsätze“ z.B. „Dauereinsätze mit mindestens 10.000 Soldaten
“ Auf in den Kampf, Kameraden und heim mit PTBS. Hauptsache, sie vergessen das Trauma von 1945. Wie wir wissen, wurden danach lauter Unschuldige vertrieben. Vielleicht sollte man in Zukunft die Schuldigen schon vorher vertreiben. Jedenfalls von den Kommandohöhen samt Beistellschreibtischen. Wo bleiben nun die pazifistischen Ex-Bürgerrechtler der Ex-DDR? Gauck ist für den Krieg. Und die anderen christlichen Helden?
Jede Geschichte fußt auf Vorgeschichten. Wer, nur zum Exempel, den diversen Biographen und Interpreten Nietzsches folgt, stößt auf mehr als ein Dutzend Friedriche. Er selbst wird zum Produkt pluraler Optik, die lässt sich von links bis rechts fokussieren. Im Augenblick gefällt mir Walter Kaufmanns Nietzsche am besten. 1921 in Freiburg geboren, 1939 in die USA emigriert, immun gegenüber der Heidegger-Krankheit, versucht er kenntnisreich, fast liebevoll seinen Nietzsche gegen alle Unbill zu verteidigen. Fassen wir den Fall kurz, kommen wir gleich auf den Nihilismus. Der Hammerphilosoph, ergrimmt weil Gott ihm den Papa wegnahm, der war doch ein Pastor, also auch ein Gott, rechnete mit dem obersten Vorgesetzten ab: Du bist gestorben! Das ist alles vergnüglich als sächsisches Pastorale nachvollziehbar. Bis zum Zarathustra. Bloch: Nietzsche hat die richtigen Fragen gestellt, doch die falschen Antworten gegeben. Wir erinnern uns? Nietzsche alias Zarathustra.„Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen. Und den kurzen Frieden mehr als den langen
So lebt euer Leben des Gehorsams und des Krieges! Was liegt am Lang-Leben! Welcher Krieger will geschont sein! Ich schone euch nicht, ich liebe euch von Grund aus, meine Brüder im Kriege!“ Bemühte Umdeuter wollen uns einreden, das sei nur spieltheoretisch gemeint oder bloße Rollenprosa. Dafür wirkte es aber verdammt ernst. Bluternst. Ganze Generationen deutscher Offiziere beider Weltkriege verstanden es so. Der klare präzise Duktus Nietzsches zieht seine Blutspur über Ernst Jüngers Epik und Gottfried Benns Leichenfledder-Lyrik bis in den Volkslandserjargon und die Latrinen-Prosa deutscher Männerseelen.
Thomas Müntzer
Luther empfahl Müntzer
nach Zwickau
Ernst Blochs Geist der Utopie, 1918 in Erstfassung erschienen, stellte dem Krieg schon in der kontroversen Sprache das ganz und gar Andere entgegen. Das Buch gilt heute als unlesbar? Bloch in den Nachbemerkungen von 1963: „Wir leben und wissen nicht, wozu. Wir sterben und wissen nicht, wohin.“ Zuvor war ihm der „Sozialistische Gedanke“ gekommen, auch „Karl Marx, der Tod und die Apokalypse“ genannt. Auf Geist der Utopie von 1918 folgt 1921 Thomas Müntzer, die pragmatische Feier des Menschen in der Revolte: „Müntzer brach am jähesten ab und hat doch das Weiteste gewollt
Um Neujahr 1519 war Müntzer in Leipzig, dort lernte er
Luther kennen
Luther empfahl Müntzer nach Zwickau
“
Aus Zwickau (Niederplanitz) kam 1952 jener Paul Fröhlich nach Leipzig, der Ernst Bloch verbot, die Karl-Marx-Universität zu betreten, ganz wie Walter Ulbricht verlangte. 1970 erhielt Fröhlich den Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland. Tapfer kämpft die Junge Garde, sang die FDJ. Die Alte Garde kämpfte offenbar noch viel tapferer.
Die vormals so beliebte Aufforderung der Herren Wehrmachtleutnante und Hauptleute von Dregger über Strauß zu Helmut Schmidt, endlich aus dem Schatten Hitlers herauszutreten, ließ mich naiv fragen, weshalb sie denn erst in Hitlers Schatten hineintraten, die kleinen Karrierehelden des Mittelstands. Inzwischen verscheuchte die deutsche Einheit die Ängste vorm großen Adolf-Schatten. Nun geht's wieder munter von einem Krieg zum nächsten. Noch immer bin ich der nachfragende Naivling. Als mir 1933 nach der Bücherverbrennung vom Großvater eingeschärft werden musste, über die Romane, die ich las, eisern zu schweigen, weil sie sich gegen Hitler und den Krieg richteten, las ich Remarque, Arnold Zweig, Barbusse, Feuchtwanger, Renn desto eifriger, und unsere ganz gefährlichen Bücher, die in der Nacht im Wald vergraben wurden, beflügelten meine trotzigen Träume bis zu rotzfrechen Rachephantasien. Im Juni 1933 wurde ich acht Jahre alt. Am 27. 9. 2010 meldet die Bild-Zeitung:
Da sind wir also den 1. Weltkrieg endlich los. Für mich begann der 2. Weltkrieg allerdings schon 1933 ganz konkret mit einem Schweigegebot. So las ich Karl May und redete darüber, um nichts über die verbotenen und verfolgten Bücher zu verraten, die mich bewegten. Mit acht Jahren lernte ich, es gibt gefährliche Lesefrüchte. Die Frage ist, lässt sich einer davon einschüchtern – muss ein Volk sich kollektives Vergessen befehlen lassen? Schweigen kann Taktik sein, wenn Reden Strategie wird, damit das Schweigen nicht zum Vergessen verführt.
Am 27.9.2010 wird Andrea Ypsilanti in der FAZ „Die Sarah Palin der Linken“ genannt. Grund ist ein Treffen des Instituts Solidarische Moderne in Frankfurt/Main, wo Ypsilanti von der SPD, der Grüne Wolfgang Strengmann-Kuhn und Katja Kipping von der Linken als leitendes Trio des neuen linken Denkerclubs eine Art „Gegenhegemonie“ zur Regierung bilden wollen. Die wohlfeile Ironie der Berichterstatter ist dem Unternehmen sicher. Vielleicht sollten die neuen Denker mal ein wenig zurückblicken, denn dieses Hessen war nicht immer von allen guten Geistern verlassen so deprimierend. Als es noch plurale Linke gab, bis 1989/90 immerhin, war Hessen das mit einem agilen Rot- statt Schwarzfunk gesegnete Abenteuerland. Den guten Erinnerungen ans damalige Radio und Fernsehen füge ich einen weiteren Beleg hinzu: Wir wussten immer: Politik ja, aber mit Liebe zu Wort und Musik:
Zum Ostermarschplakat von 1966 passt der Verweis auf die Ernst-Jünger-Ausgabe der Streit-Zeit-Schrift von 1968 im Nachwort 41 recht gut. Um an den weithin vergessenen Herausgeber Horst Bingel zu erinnern, wurde das Cover von Literatur und Klatsch aus dem Jahr 1967 abgedruckt. Wie der Zufall so spielt, kommt per Post gerade vom VS Hessen die Info3/2010 ins Haus und darin lesen wir:
Die Horst Bingel-Stiftung für Literatur e.V. mit Sitz in
Frankfurt am Main engagiert sich seit 2009 im Umfeld der
Literatur. Sie tut das im Sinne ihres Namensgebers, des 2008
verstorbenen Schriftstellers Horst Bingel, der von 1971 bis
1975 und 1977 bis 1978 Vorsitzender des VS Hessen sowie
von 1974 bis 1976 Bundesvorsitzender des VS war. Horst Bingel
hatte in den 60er und 70er Jahren mit dem „Frankfurter
Forum für Literatur“ Lesungen auf U-Bahn-Baustellen und in
Straßenbahnen veranstaltet, Gedichte an Litfasssäulen angeschlagen,
erstmals Autorentreffen zwischen Schriftstellern aus
Ost- und Südosteuropa organisiert und 1968 die internationale
„Literarische Messe“ der Avantgarde im Frankfurter Römer
gestaltet.
Von Bingels phänomenaler Streit-Zeit-Schrift weiß der VS Hessen offenbar nichts. Ist ja auch arg lang her.
Da nun also Frau Ypsilanti, Herr Stegmann-Kuhn und Genossin Kipping in Frankfurt einen neuen linken Denkerclub vorstellten und hier mit Horst Bingel an unseren kleinen Literatenclub vor einem knappen halben Jahrhundert erinnert wird und weil ja in Hessen niemand von unserer seit drei Jahren im Leipziger www.poetenladen.de publizierten Sachsen-Serie wissen kann, sei hier der Schluss von Folge 40 zitiert:
Als Horst Bingel kürzlich starb, gab es ein paar spärliche Nachrufe. Dabei verdanken die Stadt, die Autoren und der Schriftstellerverband, dessen nicht unumstrittener Vorsitzender er einige Zeitlang gewesen ist, wie später Erich Loest, diesem Bingel sehr viel. Der Spiegel nannte ihn spöttisch und mit einem leicht neidischen Unterton „Literaturquirl“. Er hatte jedoch die erlahmte Verleger- und Autoren-Szene vitalisiert, als die alten Konservativen pausierten, ihre Nachwüchse in kurzen Hosen steckten und die 68er noch nicht wussten, ob sie Professor, Minister oder Häftling werden wollten. Über der Todesanzeige für Horst Bingel, der am 14. April 2008. starb, steht das rätselhafte Motto:
„Merke dir seinen Namen gut,
du triffts ihn wieder:
es war Kain.“
Wer ist das „es“? Wer ist da Kain?
In Bingels Frankfurter Wohnung, Wiesenau 10, fand sich ab 1961 eine kleine Gesprächsgruppe ein. Der „Literaturquirl“ knüpfte Kontakte, die ihn bald zum kulturellen Organisator weit über Stadt- und Landesgrenzen hinaus werden ließen. Von den Teilnehmern nenne ich hier Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und den Kriminologen Prof. Armand Mergen. In etwas erweiterter Besetzung traf man sich auch in Conni Reinholds Kabarett Die Maininger nach der Vorstellung, wo oft Karl-Hermann Flach hinzukam, FDP-Generalsekretär, der von der Frankfurter Rundschau, in der er arbeitete, herübereilte. An andere erinnere ich mich nicht oder mag mich nicht erinnern. Es gab Infiltrationen. Ich nahm an, Fritz Bauer werde wegen seiner aktiven antifaschistischen Rolle in Vergangenheit und Gegenwart beschützt, der Frankfurter Auschwitz-Prozess ist ohne ihn nicht denkbar, Eichmanns Festnahme war mit seinem Spürsinn verbunden. Bauer jedoch wurde weniger beschützt als beschnüffelt, von wem auch immer. Ich bat Bingel, zwei Herren nicht mehr einzuladen. Im Keller der Maininger erschienen sie weiterhin. Die Mainmetropole war ein Agentenstadl, kein Wunder, dass Guillaume hier seine Bonner Laufbahn perfekt vorbereiten konnte. Wer aber ist Kain? Die damalige diffuse Konstellation wurde mir erst später bewusst, anfangs glaubte ich mich in einer Freundesrunde, in der ungescheut diskutiert wurde und in der ich gelegentlich aus meinen Büchern vorlas, bevor sie im Druck erschienen. Jedenfalls versuchte ich, weder Kain noch Abel zu sein. Meines Freundes Horst Bingel gedenke ich nicht ohne Wehmut. Mit guten Gründen ernannte ich diesen urtümlichen Hessen zum Ehren-Sachsen. Überhaupt fühlte ich mich von allerhand Ehren- oder Unehren-Leuten umgeben. Manche gingen wie Genosse Guillaume ihrer vom Osten gesteuerten oder wie Günther Nollau vom Westen gesteuerten Geheimdienstlichkeit nach. Lustig ist das Agentenleben? Ich hielt die Kerle für dressierte Hampelmänner und feierte stattdessen meine muntere literarische Umgebung zwischen Kassel und Darmstadt.
Kollegen, Kollegen (1982)
Der Herhaus säuft, oder er säuft nicht/ Es wird immer ein schöner Roman draus.
Der Hans Frick schwang sich auf seine/ Stewardess und entflog nach Portugal.
Der Horst Bingel produzierte schweigend/ ein zehn Jahre langes Gedicht.
Der Peter Härtling reitet auf seinen/ Bestsellern über die Startbahn West.
Die Gabriele Wohmann wird zur kurhessischen/ Großfürstin von Darmstadt gewählt.
Der Herbert Heckmann präsidiert/ leitet, sitzt vor oder nach.
Der Karl Krolow, seit Jahrtausenden ein/ Klassiker, lächelt dezent dazu.
Der Horst Krüger leitet das Amt für Werbung/ und Fremdenverkehr von Bad Frankfurt.
Na und diese Ingrid Zwerenz dichtet indessen/ alle meine vielen Bücher.
Während die Kollegen vom Schriftstellerverband/
sich einen Ring durch die Nase ziehen lassen.
Dieses Nachwort 42 begann mit Leipzig an der Pleiße und endet mit Frankfurt am Main. Bei den einen wurde der Revolutionär Bloch ausgetrieben, bei den anderen der Reformator Adorno abgetrieben. Es bleiben Geisterstädte. Auf Bingels Projekte folgten übrigens bald Jörg Schröders März-Verlag und Olympia Press. Lauter vergebliche Versuche, in Geisterstädten per Kopfsprung Geist zu etablieren.
Ein weiteres Nachwort ist für Montag, den 11.10.2010, geplant.
Fotos zur Lesung mit Gerhard Zwerenz aus der Sächsischen Autobiographie am 19.11.2009 im Haus des Buches, Leipzig
Lesungs-Bericht bei Schattenblick
Interview mit Ingrid und Gerhard Zwerenz bei Schattenblick
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
- Einiges Land oder wem die Rache gehört
- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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