Gewisse Schwierigkeiten ergaben sich mit meinen Fortpflanzungstierchen. Die Biester erwiesen sich als springlebendig. Oder sie hatten mich längst aufgegeben und machten, dass sie wegkamen von mir. Bei uns gibt es ein Sprichwort, das vererben die Generationen aneinander weiter: Der braucht nur die Hose ans Bett zu hängen, und schon ist seine Frau schwanger. Ich hängte die Hose vorsorgehalber nicht ans Bett, denn Trauke hatte gerade zwei Abtreibungen hinter sich und schwor drei heilige Eide, beim nächsten Mal das Kind zu behalten. Mir wurde ganz schwindlig bei dem Gedanken, mit einem Nachkömmling die jetzige Zweiergruppe zum dreiköpfigen Familienverband zu komplettieren. Ich hatte gerade so viele Familien kaputtgehen und sterben sehen, ich fühlte mich unzuständig für den Ersatz. Außerdem hatte ich so wunderbar wunde Lungen, da konnte ich es doch gar nicht verantworten, ein Kind in die Welt zu setzen.
Was ich aber auch vorbrachte, es wog leicht gegenüber der einzig schwerwiegenden Beteuerung Traukes, die die Nase voll hatte von den Auskratzungen, na, eigentlich war es weniger die Nase, jedenfalls drohte sie glatt mit Abtreibungsstreik. Zugleich blühte sie nach den Eingriffen um so kräftiger auf. An einem Sonntagnachmittag war es so langweilig, dass wir uns auf die Matratze warfen, doch bevor es soweit war, fielen mir meine heiligen Prinzipien ein, und ich weigerte mich. Es ergaben sich natürlich alle möglichen Ersatzhandlungen, und meiner Meinung nach ist mancher Ersatz gar keiner, aber Trauke hatte da ihre eigene Meinung, außerdem einen verdammten Dickschädel, den setzte sie durch, da kannte sie nichts, da ging sie durch die stärkste Wand.
Je mehr sie drängte, desto zurückhaltender reagierte ich. Unzufrieden begann sie herumzumaulen, früher hätte ich den Rückzieher perfekt gebracht, das jetzt wär eine Stümperei. Ich stellte mir aber immer nur vor, dass ein Kind da wäre, das man nicht satt kriegen könnte, und daran scheiterte ich. Gut, erklärte Trauke, dann nimm einen Pariser. Das hätte ich längst getan, doch war keiner mehr im Haus. Bei dem Massenverbrauch in unserer kleinen Zweiergruppe hielt der Vorrat nie lange an. Nun konnte man die freundlichen Verhinderungsmittel zwar an Wochentagen beim Friseur und Apotheker kaufen, doch heute war Sonntag, da hielten die ihre Läden geschlossen. Der nächste Automat, aus dem man Dreierpackungen ziehen konnte, befand sich am Bahnhof in der Männertoilette.
Dann nimm das Fahrrad und fahr zum Bahnhof, beschied mich Trauke.
Ich hab keinen Fünfziger! antwortete ich.
Ich hatte tatsächlich keinen. Man brauchte aber einen für den Automaten, da ging kein Markstück und kein Zweimarkstück rein, die Gummis gab's nur fürn Fünfziger und für nichts sonst.
Dann geh zu Papa und frag ihn, ob er'n Fünfziger hat! fauchte Trauke.
Und wenn er fragt, wozu ich ausgerechnet am heiligen Sonntagnachmittag von ihm einen Fuffziger haben will, was antworte ich dann?
Sie blickte mich an wie einen Idioten. Was sag ich dann? wiederholte sie, was sag ich dann? Was sagst du denn dann?
Sie ergriff mich bei der Hand und schleppte mich ab zu ihrem Alten, der friedfertig in seinem Opalehnsessel saß und so tat, als lese er Zeitung. Dabei stand doch immer nur dasselbe drinnen, ich wußte längst, er hielt die Zeitung seit Jahren nur zum Schein so, als läse er darinnen, in Wirklichkeit schlief er wie die Hasen mit offenen Augen.
Papa! fuhr sie ihn an, gib mal 'nen Fuffziger raus!
Der Alte schreckte zusammen, das Papier raschelte, gehorsam begann eine Hand in der Hosentasche zu suchen, man hörte die Hand an der Holzprothese entlangscharren, dann kam sie wieder zum Vorschein mit einigen Münzen.
Wozu braucht ihr denn am Sonntag ausgerechnet einen Fuffziger? fragte der liebe Papa verwundert. Er konnte sich in seiner beschädigten Altmännerlandschaft wirklich nicht den Baum vorstellen, den seine Tochter hervorzaubern wollte und für den ich geradezustehen hatte an diesem Sonntag der Langeweile.
Gutmütig suchte er in drei Handvoll Münzen nach einem silberglänzenden Nickelstück oder war es irgendein Ersatzleichtkunstmetall. Tatsächlich fand sich ein Fünfziger, ich kriegte ihn in die Hand gedrückt und hatte mich aufs Rad zu schwingen. Ein paar gute Wünsche Traukes begleiteten mich noch den Berg runter, fahr vorsichtig, sie hatte Angst, aber weniger um mich als um die Gefahr, dass meinem Pionier was zustieße, dass ich ihn dann etwa beschädigt wieder zurückbrächte, was nützten drei Gummis, wenn nichts da war, es reinzustecken.
Ich strampelte also Richtung Bahnhof. Es war tatsächlich so ein richtiger gottverdammter, hoffnungsloser Sonntagnachmittag mit grauem Licht und endloser Elegie, wie sie nur verkehrslose Innenstadtstraßen ausströmen können. Auf dem Bahnhofsvorplatz sang eine Dreiergruppe der Heilsarmee fröhliche Weisen, wozu ihnen die Tränen über ihr armseliges irdisches Dasein die Wangen näßten. Ich war so hingerissen von der Vorstellung, dass ich beinahe meinen Fünfziger in die Mütze des Bittkassierers geworfen hätte. Im allerletzten Moment wachte ich auf, schreckte zurück, umkrampfte mein einziges wichtiges Geldstück, als wär's meine Seele selbst, und der Heilsarmist, der mich scharf beobachtet hatte unter seinem tränenumflorten Blick hervor, verdammte mich in diesem Moment meines schändlichen Egoismus wegen zur ewigen Höllenfahrt.
Er konnte schließlich nicht wissen, dass ich ausgesandt worden war, drei Pariser zu holen und mit ihrer Hilfe Trauke an diesem elenden Wochenendnachmittag ein wenig glücklicher zu machen als sie sich fühlte in ihrer tiefen irdischen Einsamkeit.
Offen gesagt schämte ich mich etwas vor diesem Heilsarmisten, der in mir wirklich den Abschaum der Menschheit erblicken mußte, weil ich so gierig an meinem Fünfziger festhielt, statt ihn wegzuschenken, wie es sich gehörte für einen anständigen Christenmenschen, der ich zwar gar nicht war, was der Heilsarmist wiederum nicht wissen konnte, weil man es mir äußerlich nicht ansah. Am liebsten hätte ich dem guten Mann der Bitternis eine Erklärung abgegeben, doch wie erklärt man an so einem Sonntagnachmittag einem singenden und abkassierenden heiligen Heilsarmisten, dass man ihm einen Fünfziger vorenthalten müsse, weil man ihn zum Kauf von Gummiprodukten benötige, unter deren Schutz man daheim sein geiles Mädchen befriedigen müsse ohne es der Gefahr einer Schwängerung auszusetzen.
Ich fürchtete, mit dieser Erläuterung den Mann unter der großen bunten Mütze leicht zu überfordern, lehnte mein Rad gegen die Bahnhofsseitenfront, schloß es sorgfältig ab und verschwand im Inneren, wo ich schnurstracks die Herrentoilette aufsuchte.
Als ich drinnen war, überkam mich's wie ein Drang und Zwang, jedenfalls mußte ich erst einmal pissen, dabei stellte sich heraus, ich war voll bis oben hin, es dauerte eine ganze Zeit, mich zu entleeren, ich stand also und ließ es laufen, und als ich ihn tüchtig abschwenkelte und wieder verstaute und mich eben Richtung Hinterwand, wo die Automaten angebracht waren, wenden wollte, fuhr mir der Schreck durch alle Glieder, denn in der Zwischenzeit war jemand hereingekommen und stand auch an der Pißrinne, wo er es rinnen ließ. Da stand also kein anderer als mein Abkassierer von der Heilsarmee.
Mir wurde leicht übel vor peinlicher Überraschung. Der Nickel in meiner Hand brannte wie Feuer. Würde ich es wirklich fertigbringen, unter den Augen dieses pissenden Heiligen mit der bunten Mütze den Fünfziger, den ich ihm und allen Bedürftigen der Welt eben verweigert hatte, in diesen sündigen Automatenschlitz zu stecken? Der Mann tat so, als ginge ihn das alles nichts an. Dabei bemerkte ich genau, er beobachtete mich unablässig. Wahrscheinlich war er mir sogar absichtlich gefolgt, um mich zu bestrafen oder um zu sehen, was ich trieb. Vielleicht hatte er Verdacht geschöpft und wollte sich nun durch Augenschein von meiner ungeheuerlichen Verkommenheit überzeugen. Zuzutrauen war dem kleinen Frömmling alles, nur nichts Gutes. In meiner großen Not tat ich so, als läse ich nur neugierig die Schrift an den Automaten, und weil der Heilsarmist immer noch an der Rinne verharrte, obwohl er schon längst nicht mehr pißte und ganz ausgetrocknet herumstand, dieser Wachsoldat der Moral, faßte ich mir ein Herz, wandte mich abrupt um und schritt gemächlich an ihm vorbei und hinaus in die Bahnhofshalle, wo ich zu den Bahnsteigen abdampfte.
Dort ging ich wie ein Fahrgast einige Male auf und ab, in gemessenem Schritt-Tempo und ganz so wie jemand, der auf den Zug wartet, nur wurde in dieser Zeit gar kein Zug erwartet, es wartete auch weit und breit keine einzige Menschenseele mit, so dass die beiden Bahnbeamten, die verdrossen ihren Sonntagsdienst verrichteten, worin der auch bestehen mochte, mich verwundert bis verdächtigend anblickten.
Ich störte mich nicht daran, und als ich meinte, so lange könne auch ein Heilsarmist nicht ausgepißt an der Rinne stehen, ging ich in die Toilette zurück. Tatsächlich war niemand außer mir da. Ich trat an die Automaten und steckte meinen Fünfziger hinein. Es gab einen blechernen Ton, und das Geldstück kollerte unten wieder heraus. Zum Glück befand sich neben dem Automaten ein zweiter. Ich warf mein Geld hier ein. Es kam unten nicht wieder heraus, aber es erschien auch keine Packung Gummis. Ich klopfte gegen den Automaten. Es dröhnte hohl und leer. Mir schwante, das Ding enthielt gar keine Überzieher, und zum Ausgleich dafür behielt es meinen Fünfziger. Vor Wut donnerte ich gegen das Blech, und als es nichts nützte, versetzte ich ihm einen Tritt.
Der Kasten sprang vor lauter Angst und Entsetzen aus seiner Halterung in die Höhe und fiel mit einem ohrenbetäubenden, explosionsartigen Scheppern auf den Steinfußboden.
Ich stand da und begriff die Welt nicht mehr. Jetzt hast du für fünfzig Pfennig auch noch den Automaten kaputt gemacht, dachte ich blöde. Doch im Niederfallen war der Deckel vom Gehäuse abgegangen. Wenn ich mich ein wenig vorbeugte, konnte ich von oben in das Blechding reinblicken, und was sah ich denn da: viele feingestapelte Packungen.
Das ist gut, dachte ich und begann mich zu bedienen. Es ging nicht so ganz einfach und schnell, man mußte die einzelnen Packungen mit List und Tücke und dem Fingernagel an einer Seite erst anheben, um sie herauszubekommen, Übung aber macht den Meister. Als ich mitten in der besten Bergearbeit bin, geht die Tür auf und einer der beiden verdrossenen Sonntagsdienst-Bahnbeamten steht hinter mir und hat vor lauter Staunen ganz große Augen.
Was machen Sie denn da? fragte er überflüssigerweise.
Das sehen Sie doch! sage ich. Und: Nun seien Sie kein Frosch, haben Sie keine Frau daheim, die Sie mit so was beglücken können?
Ich hatte ein rundes Dutzend rausgehebelt und packte mir die Taschen von Hose und Jacke voll damit.
Na! sagte ich zu dem Beamten.
Mit einem Ausdruck ganz offener und ehrlicher Gier stürzte sich der Eisenbahner über meinen Automaten und begann sich ebenfalls mit Parisern einzudecken für das laufende Jahr. Die Mütze rutschte ihm dabei von der Stirn, sie kollerte Richtung Pißrinne, war aber ebenso unrund wie anständig genug, noch vor dem Eintauchen liegen zu bleiben.
Ich hoffe nur, dass Sie wenigstens verheiratet sind? fragte ich im Tone forschester Moralerfüllung.
Er hatte keine Zeit zum Nachdenken und antwortete wie ein Maschinchen.
Jaja –
Sind Sie auch wirklich und wahrhaftig verheiratet?
Ich war jetzt ganz eine Amtsperson, so hart und blöde stellte ich meine überflüssige Frage.
Der Bahnbeamte blickte, die Hände voller Pariserpackungen, verängstigt zu mir auf. Der Schein einer gedanklichen Dämmerung verklärte seine dunkle Seele.
Warum muß man denn da verheiratet sein? fragte er verwundert.
Weil, schrie ich, weil nur Verheiratete so viele Verhüterli klauen dürfen!
Damit trat ich ab.
Auf dem Vorplatz sangen und predigten die drei Heilsarmisten noch immer von den oberen seligen Gefilden, während ich die Taschen ausgebeult trug von den Instrumenten, die mich gleich den unteren Seligkeiten näherbrächten.
Der Kassierer, der mir in die Toilette gefolgt war, maß mich mit einem verachtungsvollen Blick. Wahrscheinlich sagte ihm ein höheres Wesen oder sein siebter Sinn, mit welch einem Ausbund von Unmoral und Verworfenheit er es zu tun hatte. Allerdings sind diese Engel ja gehalten, sich besonders um die schwersten Sündenfälle zu kümmern, und schon näherte sich der Bemützte mir wieder. Bevor ich fürchten mußte, ihm vor lauter Verlegenheit eine Packung Fickgummis zu schenken, schwang ich mich aufs Fahrrad und brauste davon.
Hinter mir verklangen die heiligen Himmelslieder, und das schwere Geschick der Sänger jammerte mich derart, dass ich mit einem steifen Schwanz im Altersheim anlangte.
Hast du welche? Mit diesen Worten empfing Trauke mich. Ich griff siegreich in meine Taschen und baute meine Beute auf dem Tisch auf.
Trauke staunte das Gebäude, das ich errichtet hatte, an wie ein Wunder. Ich hatte ja auch wirklich ein Wunder vollbracht. War mit einem von ihrem Vater gespendeten Fünfziger abgefahren und mit zwölf Packungen zurückgekehrt.
Es war tatsächlich ein Dutzend Packungen, wie Trauke feststellte, indem sie dreimal nachzählte.
Zwölf mal drei sind sechsunddreißig Stück.
Hohen Lobes gewärtig, lächelte ich meine Geliebte an. Was hatte ich ihr zuliebe vollbracht? Eine Großtat.
Trauke aber deutet nur ein leichtes Lächeln an. Dann überblickte sie die gesamte Beute noch einmal und erklärte: Du Großmaul, du!
Mir dämmerte, sie nahm die zwölf Dreierpackungen als ein Versprechen, das ich gar nicht hatte geben wollen. Das lag an mir, ich hätte erläutern müssen, was geschehen war, statt dessen zeigte ich nur stolz meine Ausbeute vor und erwartete Bewunderung dafür. Trauke konnte sich einfach nicht vorstellen, was mir zugestoßen war. Meinen Fehler wiedergutmachend, wollte ich eben ansetzen zu einer Erklärung, doch da griff Trauke nach einer Packung, öffnete mit ihren zierlichen Händen, an denen die langen Fingernägel geil und rotgelackt aufglänzten, das Papp- und Papierzeug und zog einen Pariser heraus. Sie hielt den Gummi vor ihre Lippen und begann in das Ding hineinzupusten, bis es eine Größe erreicht hatte, die mich mindstens symbolisch ins Abseits verwies. Also willst du nun oder willst du nicht? fragte ich verärgert. Los! sagte Trauke.
Wir marschierten Richtung Bett. Sie warf sich mit dem Rücken drauf und rief: Mann, komm … So trat ich meinen Liebesdienst an.
Am 12. August 2005 las ich in der Zeitung, die Gewerkschaft der Polizei nehme von ihrem Vorhaben, auf dem bevorstehenden katholischen Weltjugendtag mit Papst-
In meiner Erinnerung legte ich die groteske Automaten-
In den Nachkriegsjahren war ich von berufswegen mit Karl Marx befasst und nahm mir zum Ausgleich jenen sächsischen Nietzsche dazu, der nicht zuletzt seiner Selbststabilisierung halber die Mär vom Übermenschen gedichtet hatte. Von der fixen Idee erfasst, Frauen erblickten im Manne den Übermenschen, der sich der Pflege ihrer Feuchtgebiete annimmt, gefiel ich mir im Entwurf einer großen Oper. Die Geschichte um ein Dreiecksverhältnis trug den Titel Nedine oder die 15. Rose. Derart den Verlauf meiner ersten Ehe und Liebe zur beinahe antiken Tragödie aufbereitend fühlte ich mich selbst mit erhöht. Später fragte ich mich, wie denn unsere bedeutenden Politiker an ihre pluralen Eheleben zurückdächten, oder ob sie ihre pubertäre Romantik einfach leugneten.
Dann las ich nicht ohne Erstaunen am 31.1.1976 in der Frankfurter Rundschau ein Interview von Wolfram Schütte mit Rainer Werner Fassbinder, der über seine nächsten Pläne berichtete:
»Schütte: Ich habe gehört, dass Sie zusammen mit Peer Raben eine Oper machen wollen?
RWF: Peer Raben hat Gespräche mit August Everding geführt, um hier fürs Münchner Nationaltheater eine Oper zu schreiben, und ich hab gesagt: ›Na klar, ich schreib dann halt auch gerne etwas, weil ich mal gerne eine Oper machen will, ein Libretto … ‹
Schütte: Interessiert Sie das Libretto oder die Inszenierung?
RWF: Mich interessiert eigentlich mehr, eine Oper zu inszenieren. Aber ich will – wie beim Theater – nicht machen, was schon da ist, ich will was Neues machen. Wie beim Theater: erst dann mache ich wieder Theater, wenn man das wie einen Film machen kann, also konkret, direkt zusammen mit Leuten, die sich dafür interessieren und davon betroffen sind; und nicht, dass man so Stücke liest und dann sagt: dieses Stück wollen wir jetzt machen; das mache ich überhaupt nicht mehr, dazu habe ich mich effektiv entschieden. Vielleicht gibt es das wieder: dass man an ein Theater geht, für zwei Monate, sagen wir mal, und da etwas macht, was mit einem zu tun hat. Und weil ich das so sehe, möchte ich auch lieber eine Oper machen, die aus Sachen entstanden ist, die mit mir etwas zu tun haben – wie die Musik von Peer Raben oder der Stoff.
Schütte: Was ist das für'n Stoff?
RWF: Eine Geschichte von Zwerenz, über die ich jetzt nicht genauer sprechen will.«
Ergänzung 2008: Auch nach Fassbinders Tod hielt Peer Raben an dem Opernprojekt fest und berichtete mir davon. Im Januar 2007 erlag Raben einer langen und schweren Krankheit.
Von der unheimlichen Höhe des 21. Jahrhunderts in die Niederungen des vorangegangenen zurückblickend, erscheint es mir, als sei eine fremde Regie am Werk gewesen, die meine kleine Nachkriegsoper in eine große Vorkriegsoper überführen wollte. Dass RWF am 10. Juni 1982 als jugendlicher Held und »Fettkloß« (taz) vorzeitig starb, brachte mich um den Genuss einer Opern-Aufführung, zu der gewiss auch Richard Wagner auferstanden wäre. Höflich ausgedrückt: Rainer Werner Fassbinders und Peer Rabens Bühnenkunstwerk fehlt uns noch wie Richard Wagners Wiederkehr, um den Bayreuther Musentempel endlich zu entweihen
Nach kurzer Sommerpause erscheint am Montag, den 1. September 2008, das nächste Kapitel.
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Gerhard Zwerenz
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