Jan Robert Bloch – der Sohn, der aus der Kälte kam
Am 13. Mai 2010 starb Jan Robert Bloch, noch keine 73 Jahre alt. Für uns immer der Sohn des Philosophen, ewig der junge Mann. So wir alt Gewordenen. Seine in winziger kaum entzifferbaren Handschrift verfassten Briefe sind unter anderer Post im Haus verstreut. Seit Mails die konventionelle Korrespondenz ablösten, häufte sich ein ganzer Ordner voller elektronischer Nachrichten an. Nachdem seine Ehefrau Anne Monika Sommer-Bloch uns telefonisch von Jans Tod informiert hatte, blätterte ich in den zahlreichen gesammelten Seiten. Der 1937 in Prag geborene Junge bewahrte dem späteren Exil in Amerika ewige Dankbarkeit. Folter-Berichte über die USA in jüngerer Zeit passten nicht in seine positiven Erinnerungen. Seiner Jugend in der DDR von 1949 bis 1961 vermochte er nicht viel abzugewinnen. Unser Mail-Wechsel steckt voller Details, Ingrid neigte in diesen Fragen zu heftigeren Reaktionen, er antwortete mit essayhaften Ausführungen. Ich versuchte mich als Doktor Freud und flüchtete auch mal selbst auf die Couch. Da ich die Professoren Markov, Krauss, Behrens positiv beschrieb, konnterte er kühl, alle drei hätten für den Ausschluss seines Vaters aus der Akademie der Wissenschaften gestimmt. Nicht unbetroffen registrierte ich Gefahren der Ablenkung von der Dekonstruktion, die verlangt, dem subjektiven Urteil die abwägende Objektivität vorauszuschicken. Jan Robert: Vor Bloch lag als letzter Einsteins Akademie-Ausschluss. Das saß. Er vermochte auch sich selbst zu bespötteln. Als der Leipziger Bloch-Wohnsitz in der Wilhelm-Wild-Straße mit einer Erinnerungs-Tafel versehen wurde, hatte er schön ironisch als Text vorschlagen wollen: Hier lebte Jan Robert Bloch mit seinen Eltern … man konnte herzhaft mit ihm lachen. Seine volle Sympathie ereilte uns nach der Lektüre von Sklavensprache und Revolte. Wir schickten ihm eines der ersten Exemplare. Seine Reaktion vom 18.8.2004 erweist den Schönheiten betroffener Nähe alle Ehre:
Wir sehen uns am 16. September im Brechthaus. Darauf freue ich mich. Seid herzlich gegrüßt von Eurem Jan“ So enthusiastisch Jan auf das Buch Sklavensprache und Revolte reagierte, so spitzzüngig, doch mit den Kenntnissen des Insiders verriss er Arno Münsters politische Bloch-
Der Mord an der Philosophie „Wir sind nach Zagreb gekommen, um ›das Blochsche Denken als eine Philosophie des aufrechten Gangs‹ zu diskutieren … Wir ehren dieses Denken, indem wir es prüfen. Und indem wir prüfen, untersuchen und kritisieren wir, um selbst aus einem ›Jargon der Eigentlichkeit‹ herauszutreten … denn Verehrung ist nicht Erhellung und Verklären nicht erklären“, hatte Jan Robert Bloch auf dem Zagreber Symposium im Mai 1987 anlässlich des 10. Todestages von Ernst Bloch gesagt. Eine überarbeitete Fassung der Rede erschien im Bloch-Almanach, neunte Folge 1989 und in Sinn und Form Mai/Juni 1991. Der Titel „Wie können wir verstehen, dass zum aufrechten Gang Verbeugungen gehören?“ wird im Almanach-Vorwort so erläutert: „Dennoch war Bloch gegenüber der Unterdrückung (Stichworte: Moskauer Prozesse, SED-Regime) immer realitätsblind; warum das so war, sucht der Sohn Jan Robert Bloch in seinem ausführlichen Aufsatz … zu begründen.“ Das Hauptaugenmerk richtet sich auf die Verbeugungen des Aufrechten, was nicht mit dem bequemen Verweis auf den üblichen Vater-Sohn-Konflikt abgetan werden kann. Der Dissens reicht über das Tiefenpsychologische ins Philosophische und Politische hinein, wo er seine intellektuelle Brisanz erhält.Zweifellos haben wir hier ein so tief- wie weitgreifendes Stück Autobiographie vor uns, für das sich Jan Robert aus gutem Grund Zeit nahm, in deren Verlauf er alles tat, der väterlichen Instanz optimal gerüstet entgegenzutreten. Wenn schon des Vaters Engagement für Stalin aus Gründen des Anti-Hitler-Kampfes unabdingbar gewesen ist, weshalb musste diese enge Bindung an Sowjetunion und DDR nach Kriegsende und gar nach Stalins Tod weiter bestehen bleiben? Fragt der Sohn und gestattet sich, dem toten Vater und uns allen, die wir mit E.B. sympathisieren, keine Ausflucht. Zahlreiche Zeugen werden pro und contra aufgeführt, von Arthur Koestler über Samjatin, Orwell, Trotzki bis Brecht, Feuchtwanger, André Gide, Becher, Mao Tse-Tung, und sie werden gebraucht, weil die im Westen grassierende Legendierung Blochs nicht akzeptabel ist: „Das philosophische Problem des aufrechten Gangs aber blieb liegen und wird es wohl auch bleiben, sofern wir Blochs Denken, das Überschreiten heißt, nicht aus dem Ghetto der Verehrung mit Kritik befreien.“ Der lange Aufsatz, ich nenne ihn einen autobiographischen Essay als Befreiungsschlag, vereint gekelterte Nähe mit zorniger Fernsicht, selbst wer den vorgebrachten Argumenten nicht folgen möchte, steht staunend vor der vehementen Abnabelung. Des Sohnes Rede jedoch befreit erst den Blick auf das Erbe, das vom Philosophen-Vater bleibt: „Im philosophischen Entwurf einer besseren Welt hat er vor den Träumen seiner Jugend Achtung getragen: mit hellem Ziel und dunklem Weg …“ Zu fragen ist also nach der Dunkelheit des Weges.
Dazwischen liegen drei Jahrzehnte unterschiedlicher Sozialisation. Dieckmann salutiert vor der weltoffenen, kenntnisreichen Intensität des gleichaltrigen Jan Robert und verteidigt Ernst Bloch zugleich gegen dessen Sohn, der im Rückblick ahistorisch vorgehe – „aus dem Koordinatensystem des Jahres 87“ –, denn „Trotzki war geschlagen – musste man sich also nicht an Stalin halten?“ Die Argumente von Dieckmann-Sohn gegen Bloch-Sohn sind klug gesetzt, eine Spur Verteidigung des eigenen Vaters mag darin mitschwingen. Ich brauchte einige Zeit, bis mir deutlich wurde, weshalb ich auch nach wiederholter Lektüre meinte, etwas fehle im Diskurs. Wir müssen deshalb zur Klärung auf die „Konferenz über Fragen der Blochschen Philosophie“ zurückblicken, die am 4./5. April 1957 in Leipzig stattfand. Prof. Rugard Otto Gropps Beitrag gab gleich eingangs die Richtung an: „Ernst Blochs Hoffnungsphilosophie – Eine antimarxistische Welterlösungslehre“. Das Konferenzprotokoll von 352 Seiten erschien in ungewohnter Eile noch im selben Jahr im Deutschen Verlag der Wissenschaften, Ostberlin. Titel: „Ernst Blochs Revision des Marxismus“. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich bereits in Westberlin, beschaffte mir das Buch aber sogleich. Fast jeden der Beiträger kannte ich. Jetzt, im Jahre 2003, also fast ein halbes Jahrhundert später und nach Lektüre der Äußerungen von Bloch-Sohn und Dieckmann-Sohn suchte ich das vergessene Dokument heraus und las es mit zunehmender Anspannung von vorn bis hinten ein zweites Mal durch. Die einzelnen Texte differieren stark. Drei der Professoren mussten als ehemalige junge Wehrmachtsoffiziere brav auf Linie bleiben. Zwei Assistenten waren 1956 von uns zu halben Blochianern gemacht worden und suchten sich in der Konferenz eilig von diesem „Stigma“ zu befreien. Ein paar Luftnummern übten sich auf Karriere ein. Bleiben die zwei gewichtigeren Professoren Gropp und Johannes Heinz Horn. Ersterer begann den Kriegstanz, der zweite beschloss ihn – Horns Beitrag umfasst ca. hundert Seiten. Der Genosse Professor scheute keine Mühe, sich selbst zu überzeugen. Offenbar misslang es, und so schien ihm sein ganzes Leben misslungen. Er brachte sich um. 1957 war ich außerstande, die deprimierenden Beiträge objektiv einzuschätzen. Jetzt lässt sich kühler urteilen. Vom Standpunkt der beiden Professoren und ihrem Auftrag her wird Bloch so logisch wie konsequent zum Revisionisten erklärt, wofür sie Belege sammelten, die sie als unabweisbar bewerteten. Für Gropp trieb Bloch „Missbrauch mit dem Marxismus“, war „unwissenschaftlich“, gar „antiwissenschaftlich“ und brachte „antisowjetische Tendenzen zum Ausdruck“, denn: „Durch ihre scheinmarxistische Einkleidung erhält die Philosophie Ernst Blochs Züge einer ideologischen Demagogie.“ Wo Gropp in dieser Verdammung Lücken lässt, springen die minderen Geister ein und beschuldigen den Denker der „Spontaneitätstheorie“, also des Luxemburgismus, des Subjektivismus und was dergleichen fürchterliche Verrätereien noch sein mögen. Endlich liefert Horn die Rundumschau: „Schwerlich ist es ein Zufall, dass sich der Streit um die Philosophie Ernst Blochs besonders nach dem XX. Parteitag der KpdSU zuspitzte und zu einer immer grundsätzlicheren Abgrenzung marxistischer Philosophen von seinen Ideen führte. Denn dieses welthistorische Ereignis, das u. a. kühn die Fehler aufgedeckt hatte, die durch Personenkult und Dogmatismus auch auf dem Gebiet der marxistischen Philosophie entstanden waren, wurde von bestimmten Kräften auch bei uns erheblich missverstanden und in einer Weise auszulegen gesucht, wie es schlechterdings nicht auszulegen ist. Zusammen mit bestimmten Forderungen des VIII. Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas, z.B. der Forderung, „alle Blumen blühen zu lassen“, wurden einige Losungen des XX. Parteitags so verstanden, als brauche man das Prinzip der Parteilichkeit in der Philosophie nicht mehr allzu ernst zu nehmen, als müsse man sich vielmehr nun auch auf solche „Probleme“ orientieren, die von der bürgerlichen Wissenschaft und Philosophie aufgeworfen werden. Die Schlussfolgerungen dieser Kreise – nicht nur bei uns – aus dem XX. Parteitag der KPDSU waren liberalistisch und versöhnlerisch; sie übersahen, was N. S. Chruschtschow expressis verbis bereits auf dem Rechenschaftsbericht des ZK der KpdSU klar und eindeutig ausgesprochen hatte: aus der Notwendigkeit der ökonomischen und politischen Koexistenz der beiden Weltlager dürfe keinesfalls ein friedliches ideologisches Nebeneinander geschlussfolgert werden. Schließlich wurde immer deutlicher, dass sich hinter der Losung des ›Kampfes gegen den Dogmatismus‹ eindeutig revisionistische Absichten verbargen. Dies hat besonders R. O. Gropp deutlich ausgesprochen.“ Auf die historische Einordnung folgen zentrale Anwürfe im Detail. Bloch ist „Verführer der Jugend“. Sein „Kardinalfehler“ besteht darin, dass er „den Schwerpunkt auf den subjektiven Faktor“ legt, endlich aber: „Wir wissen, wie Friedrich Engels in seiner Schrift Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft die Grundfrage der Philosophie beantwortet hat. An dieser Konzeption kann nicht gerüttelt werden.“ Genau das tat Bloch – er rüttelte an den Grundfragen. Und wagte ganz andere Grundfragen aufzuwerfen. Mit Bloch zugleich wird Georg Lukács abgeräumt. Wobei sowohl Gropps wie Horns Deduktionen in sich schlüssig sind. Horn erlaubt sich gar Zugeständnisse an Blochs Werk, soweit es ephemere Teile betrifft, das Ganze aber wird verworfen. Sagt's über hundert Seiten hin, nimmt einen Strick und hängt sich auf. Im Mittelpunkt der Abrechnung steht des Philosophen Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung. Nehmen wir also die Verurteiler beim Wort und lesen es mit den Augen seiner Verächter, etwa Kapitel 19: „Weltveränderung oder die Elf Thesen von Marx über Feuerbach“, wozu wir uns schon mehrfach äußerten. Und siehe da, Gropp wie Horn diagnostizieren mit Recht, der 1949 aus dem US-Exil in die DDR gekommene Bloch legte bereits mit dem 1954 beim Aufbau-Verlag erschienenen Band eins seines Hauptwerkes Partei und Staat ein veritables Kuckucksei ins Nest. Wer arglos oder schlichten Gemüts ist, kann eine brillante Verteidigung der Sowjetunion herauslesen. Wer genauer hinschaut, findet eine wesentlich differierende Theorie, deren Abweichungen von den Wächtern als Revisionismus zu brandmarken war. Dies ist der Punkt, den Friedrich Dieckmann in seinem Brief an Jan Robert Bloch nicht sieht und den Jan Robert zwar sieht, aber im Unwillen über den Vater zu gering gewichtet. Gerade indem der Sohn die Autonomie Blochscher Philosophie bejaht, betrachtet er sie durch des Vaters Agieren in der DDR als von blinder Treue überschattet. Tatsächlich aber war mit Blochs Einzug in die DDR ein Deal verknüpft: politisches Wohlverhalten gegen relative Gedankenfreiheit mit Prominentenstatus. Als er 1956 diesen Handel politisch und öffentlich aufkündigte, wurde sein wichtigstes Privileg, der Zugang zum Lehrstuhl gekappt. Jetzt war die Subversivität des Hauptwerks offiziell angreifbar geworden. Rätselhaft scheint nur, weshalb der Angegriffene sich auch noch jahrelang demütigte, gar verleugnete und unbedingt im Osten bleiben wollte. Wären er und Karola beim Mauerbau nicht zufällig auf Westreise gewesen, hätten sie dann die DDR verlassen wollen? Wohl kaum, und damit sind wir beim gravierenden Analysefehler des Philosophen, der den Roten Oktober überhöhte und sich ein Ende von Sowjetunion samt DDR einfach nicht vorzustellen vermochte. Wer aber sah das schon voraus – bis es 1989/90 binnen kürzester Zeit geschah. Zu Blochs Konzeption der doppelten Revolte gehörte nach dem Abschied von Bürgertum und Kapitalismus auch der Abschied von der Philosophielosigkeit der Partei-Ideologen. Dabei verhielt er sich taktisch, denn nur im Moskauer Kraftfeld ließen sich seine Ideen Richtung Reformation realisieren, soweit sie überhaupt realisierbar waren. Sich heftig, hitzig, listig und hochgemut auf Marx berufend, widersprach er der Partei, die das Ende der Philosophie verkündete und das Recht auf Weltveränderung einzig ihren Politbüros zubilligte, d.h. deren jeweiligen Gottheiten. Bloch lehnte das ab, in Sklavensprache zwar, doch entzifferbar für den, der es entziffern wollte. Seine Schriften sind von Anbeginn ein einziges Werk revolutionär engagierter Subversion. Das setzte er ab 1961 im westlichen Tübingen fort, wo die antiöstliche Subversion begierig notiert, die antiwestliche Subversion mit Fleiß nicht wahrgenommen werden sollte. Man nutzte den Philosophen gegen den Osten wie er dort vorher gegen den Westen in Stellung gebracht worden war. Und beides ist nicht falsch, tangiert jedoch nur die äußere Hülle. Die jüngeren östlichen Philosophen sollen damit keineswegs diffamiert werden, sie hatten Beschränkungen und Maßregelungen genug durchzustehen, doch der Grundkonflikt wurde mit dem Revisionismus-Urteil gegen Bloch ein für allemal disziplinarisch entschieden, wonach freies, autarkes, autonomes Philosophieren nicht stattzufinden hatte. Partei und Staat schrieben auf Ewigkeit vor, sich an die genehmigten Axiome und Deduktionen zu halten, was den Sammelband über Blochs Revisionismus zur frühen Sterbeurkunde der DDR werden lässt. Im Schmuck ihrer verminderten, ja gefesselten Fähigkeit zu Analyse und Prognose marschierten Partei und Staat siegesgewiss ihrem Ende zu, das sie schließlich nur noch taumelnd erreichten. Als ich im Kalten Krieg mehrfach Renegat genannt wurde, gab ich den Schimpf zurück und beschuldigte die Partei des Renegatentums, was Bloch gefiel, denn er wollte weder Renegat noch Exkommunist sein. In den orthodoxen Kommunisten sah er eine Art von bockigen Schülern, die sich weigerten, seine Lehre anzunehmen und ihr System zu modernisieren. Seine Distanz zur Kapitalgesellschaft blieb davon unbetroffen, also stabil. Soviel aus dem Kapitel Der Tod der Philosophie. Ich bin nicht uneitel genug, um hier nicht nochmals auf mein Freiheitsgedicht zu verweisen, das am 30. Januar 1957 in der Leipziger Kongresshalle verdammt wurde. Der Rest war das (betretene) Schweigen der Versammelten. Das Schweigen als Taktik warf Jan Robert auch seinem Vater vor. So sah und fühlte er sich aus der Kälte gekommen und ihr entkommen. Für seinen Vater und uns aber ist der Wärmestrom stärker als die Kälte. Bloch wie Lukács hatten sich bereits im 1. Weltkrieg für die Revolution entschieden. Für mich gehörte Bloch nach Leipzig, weil er die linke Kontinuität verkörperte. Die Mutter der Freiheit heißt Revolution – dies der Anfang. Am Ende steht da: Ihr schliefet den Schlaf der Ungerechten / Erwacht und lasst uns gemeinsam / besser fechten. 1956/57 eröffnete sich der DDR die Möglichkeit, wie China einen 3. Weg zu gehen. Doch die Verfolger und Rausschmeißer siegten bis zum bitteren Ende.
Tübingen 1965:Gerhard Zwerenz, Leo Bauer, Jan Bloch, Günter Zehm
Ein in Tübingen am 80. Ernst-Bloch-Geburtstag aufgenommenes Foto zeigt Leo Bauer, Jan Robert Bloch, Günter Zehm, Gerhard Zwerenz. (siehe Folge 17) Zehm, der seine Gefängnisjahre in der DDR nicht verwinden konnte, befand sich bereits auf dem Wege in die rechte Karriere. Leo Bauer, nach dem Todesurteil und dessen Umwandlung zur Haft in Workuta, war trotzalledem ungebrochen und wirkte gemeinsam mit Herbert Wehner, Willy Brandt und Egon Bahr gegen die Gefahr kriegerischer Konfrontationen mit dem Ostblock und für Verständigung. Jan Robert erwartete vom Vater die Korrektur der „Verbeugungen“, wie er später in verschiedenen Essays schrieb. Karola Bloch äußerte sich im Gespräch mit Ingrid mitunter etwas skeptisch über den Sohn. Ernst Bloch erkundigte sich nach dem Fortgang meines „Erbschafts-Romans“, wie ich die verwegene Absicht eines Buches über den Philosophen kaschierend nannte. Immer von neuem ging es um die Fragen der Sklavensprache, die Bloch junior als Verbeugung definierte und ablehnte, während wir sie als Strategie der Abwehr linker wie rechter Konterrevolutionen begriffen. Die Angst vor der Freiheit, die in der DDR 1956/57 eine bitter notwendige Entstalinisierung verhinderte, ist so deutsch wie identisch mit der Angst unserer heutigen Macht-Eliten, die sich in den andauernden Kreisläufen von Krisen und Kriegen verfangen als gäbe es keine Alternative dazu. Die in der Einheit veruneinigte Berliner Republik weist Analogien zur Weimarer Republik auf. In der Angst vor der Freiheit gleicht die gegenwärtige Politik dem SED-Politbüro von 1956/57, das den Kurswechsel scheute, bis es in der Kälte verkam. Brecht: Es war einmal ein Kind / Das wollte sich nicht waschen … Nach dem Wort des untoten Brecht noch einige Sätze des für uns untoten Jan Robert Bloch, der es schwer hatte, aus dem Schatten des Vaters herauszutreten, was ihm dann auch gelang. Sein Scharfsinn und seine Zuneigung werden uns fehlen. Wie gern hätte man ihm zum 80. Geburtstag gratuliert. Zu meinem 80. im Jahr 2005 mailte er:
Ein weiteres Nachwort ist für Montag, den 07.06.2010, geplant.
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