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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 75. Nachwort
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
75. Nachwort |
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Vom Krieg unserer (eurer) Väter
Die Söhne, die da mit den Vätern abrechnen, wurden indessen auch Väter, wo nicht Großväter. Inzwischen werden von den Nachkommen längst allerlei neue Kriege geführt. Wie machen die das?
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Was wir hier im Leipziger Welt- poetenladen offenlegen geht natürlich weit über die ideologieverstellten Horizonte diverser Deutschland-Eliten hinaus. Die schreiben sich jetzt ihre Bücher selbst oder lassen aufschreiben, was man per Gesprächsgeschwätz von sich gibt. Die Bücher sind auch danach. Die mehrbändigen dicken Lebens-Epen von Adenauer und Kohl füllen ganze Bücherregale, so verdoppeln reale Leben in krude Papierform, von der wiederum bumskonforme Politikwissenschaftler und Zeithistoriker profitieren, die der Nachwelt, solange es sie noch gibt, das gewünschte falsche Bild der Vorgänger und Vorgänge liefern. Gnadenhalber gilt die Geschichtswissenschaft als Geschichts-Erzählung, was neben der Relativierung Qualitätshochstapelei ist. Statt erzählt wird ver-zählt. Die Jungen, die ihren Alten nachzufolgen streben, folgen nur Schatten, die noch nicht mal zum Tanz in Platons Höhle zugelassen würden.
Mein Rat an junge Schriftsteller-Kollegen: Werdet Politiker und macht Karriere, dann findet ihr auch Verlage, die das drucken. Die Werbung zahlt unerwartet fromm der eine oder andere Unternehmer. Unser unermüdlicher Freund Grass musste sich noch wirklich abmühen mit seiner Blechtrommel. Soviel hohe Dichtung um einen Zwerg, das ist harte Handarbeit an der Poesie. Hätte unser Autor mit dem Furor von Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür ehrlich und offenherzig eingestanden: Ich war bei den Waffen-SS- Frundsbergern dabei – er wäre bei den 47ern und den Nobels draußen vor der Tür geblieben. Dekonstruktive Entblößung war ungewünscht im Lande der Adenauer, Globke, Gehlen bis heran zu Kiesinger, Schmidt, Kohl, Schröder, lauter große erfolgreiche Literaten übrigens, die sich ihre verdrucksten Elaborate wie Lorbeerkränze um den Hals schlangen, ausgenommen Kiesinger, der seine Poesie schon unter Goebbels verströmen durfte, während Oberleutnant Helmut S. mit seiner Flakbatterie den jüdischen Bolschewiken im Osten das Fürchten beibrachte, Zuversicht im heldischen Herzen, wenn SS- Kameraden an der Front zur Seite standen, wie er gerne bekundete.
Für Die Blechtrommel von Grass nahm mich die große epische Kraft ein. Reich-Ranicki war sehr dagegen. Warum? Später war er sehr dafür. Warum? Alle waren dafür. Ich nicht mehr. Trotzdem imponierte mir die optimale Wortmärchenmauer, hinter der sich alle literaturbedürftigen Mitmarschierer verbergen konnten. Jeder ein im Grunde seines Herzens widerborstiger Antitrommler. Später befragt, warum der Epiker seine SS-Zeit jahrzehntelang beschwiegen hatte, war die nun lautere Antwort: Weil ich mich schämte. Das ist verstehbar, doch nicht akzeptabel. Grassens Trommel ist die Literaturmythe, hinter der sich jeder tarnen konnte, der Gründe dafür hatte. Dreiviertel der Gruppe 47- Leute waren junge, aber tüchtige Wehrmachtler, SA-Männer und Hitlerjungen gewesen, die auch danach nicht wagten, sich radikal zu offenbaren. Es fehlten dazu Kunstform und Charakter. Sie erlogen sich ihre Vergangenheit in Prosa und Poesie wie andere in Wissenschaft, Ökonomie, Politik. Und bald auch bei Militär und analogen Diensten. Die abgetarnte Bonner Republik als 4. Reich in spe? Das Personal stand wieder bereit.
Trotzdem Frieden schaffen ohne Wafffen
Anno 1990, noch während der Wendewirren, saßen der Futurologe Robert Jungk und ich in einer politischen Talkshow in Westberlin. Auf der Gegenseite präsentierten sich Dutzende von Bundeswehroffizieren in Uniform, die zu tragen bis dahin in Berlin nicht gestattet war. In der Diskussion ging es heiß her und hart zur Sache. Unter unseren Kontrahenten tat sich besonders der umtriebige CDU-MdB und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz hervor. In der Sendepause erhob sich der neben mir sitzende Robert Jungk und nahm gegenüber mitten unter den Offizieren Platz, die ihn verwundert bis verständnislos anstarrten. Die Talkshow ging in die zweite Runde, Jungk kam zurück, setzte sich wieder neben mich und erklärte, dass alle es hören konnten: ›Und trotzdem Frieden schaffen ohne Waffen.‹ An diese Szene muss ich denken, als ich lese, am 19.12.2011 ist Horst-Eberhard Richter, Therapeut der Nation genannt, mit 88 Jahren in Gießen gestorben. Stets blickte ich mit Hochachtung auf den tätigen Pazifisten, dessen Eltern Monate nach Kriegsende von sowjetischen Soldaten ermordet wurden, was ihn schwer belastete, jedoch nicht von seiner Friedensarbeit abbrachte. Das Großmäulchen Broder attackierte Richter und Jungk als Gutmenschen. So werden am Ende nur die Schlechtmenschen übrig bleiben.
Destruktion ist ursprünglich die geologische Zerstörung der Erdoberfläche durch Verwitterung oder Arbeitsprozesse. Das von Heidegger genutzte und philosophierte Wort wurde bald zur De-Konstruktion gesteigert. Auf Aristoteles zurückgeführt geht es um die Begriffsbildung der Sprache. Aus dem bloß ungefähren Gefühl wird Begrifflichkeit, die Sprache findet zum Logos, so bilden sich vom Wort und Begriff des Einzelnen die Worte und Begriffe des Allgemeinen als Sprachkonstruktionen. Die Dekonstruktion richtet sich im strengen Sinne stets gegen das Allgemeine einer Konstruktion. Obwohl sich diese Prozesse als Wort-Denk-Prozesse im verbalen Bereich abspielen, erreichen sie ungeheure Real-Wirkungen. Die De- Konstruktion des Wortes (Begriffs) Gott kann Todesurteile bewirken. Die Dekonstruktion der Begriffskonstruktion Diktatur des Proletariats konnte es ebenfalls. Eine Dekonstruktion von Allgemeinheiten, die Gesetzes- oder Glaubenskraft besitzen, ist brandgefährlich. Das ist der politische und kulturelle, ergo machtrelevante Dollpunkt, was erklärt, weshalb traditionell-konservative Mächte eine jede Philosophie verfolgen, die nach der Logik ihrer sprachlichen Konstruktionen zu fragen wagt. Auch die Philosophiegeschichte meidet den Casus, dessen Voraussetzung Differenzierung heißt. In Frankreich wurde Derrida zum Pionier dieses neuen Denkens, das die Verleugnung klassischen Denkens korrigiert. Man wagt nicht, die Sprach-Philosophie des Aristoteles konsequent zu situationieren.
Im östlichen Machtgebiet waren Georg Lukács im Binnenbereich der kommunistischen Theorie und Ernst Bloch in der Außenkultur die klassischen Differenzdenker. Da sie sich aus disziplinarischen Gründen nur selten offen äußern konnten, entwickelten sie eine verbale Nano-Kasuistik mit Übergängen in diplomatische, wo nicht artifizielle Sklavensprachen, die noch aus den ZK-Diktaturen heraus Freiheiten zu signalisieren vermochten. Militär, Kirchen und Parteien egal welcher Coleur sind allüberall die feindlichen Verfolger der Differenzphilosophie, die als Wortrevolte den letzten denkbaren Widerstand im modernen Menschenzoo leistet. Das gesellschaftliche Bedürfnis nach Hilfe drückt sich gleichwohl in der gegenwärtigen Mediatoren-Bewegung aus. Um überlasteten Gerichten beizustehen wird der frühere Friedensrichter durch amtlich bestellte Mediatoren ersetzt, die die Streitparteien vorgerichtlich zu befrieden suchen. Als historisches Bespiel wird gern auf den Münsteraner Frieden verwiesen, mit dem der Dreißigjährige Krieg endete. Das Beispiel stimmt, was das Ende des heißen Krieges betrifft, und es stimmt nicht, denn die religiösen Feindschaften wirken über 1648 bis heute noch nach. Mediation kann hilfreich sein, die kategorische Hilfe ist sie nicht, immerhin minimale Vorform von Dekonstruktion, ihre gutgemeinte Ersatzhandlung. Dem alten Griechen Aristoteles würde es wohl nicht ganz reichen. Sokrates allerdings wäre erfreut. Schon er versuchte durch Frage und Gespräch aufzuklären. Welch ein Fortschritt seit der Antike.
Jetzt ist es mit einigem Glück gelungen, den Komplex der Dekonstruktion lässig auf einer einzigen Druckseite unterzubringen. Der Schriftsteller muss sowas können. Ein Philosophieprofessor braucht fünf dicke Bücher dafür. Und nun gleich zur Praxis. Stellen wir uns Jerusalem vor, das sind ein paar tausend Jahre Kampf und Krieg zwischen Völkern, Gruppen, Religionen. Mal siegen die einen, mal die anderen oder umgekehrt. Die Geschichte der heiligen Stadt ist ein Epos von Glaubenskriegen. Wollte da ein Mediator kommen und schlichten, würde er bestenfalls ausgelacht. Wollte jemand die Kriegsparteien und ihre Universalien sowie Fahnen dekonstruieren, brächte man ihn wie üblich um, weil er als Feind aller Parteien, Lager und Religionen erschiene. Da erkennen wir den Grund, weshalb Dekonstruktion die höchste Lebenskunst ist und die gefährlichste obendrein.
Man kann an die Stelle Jerusalems auch die historisch relevanten Fakten und Fronten setzen, das ergibt unendlich viele Feindpaarungen; Ost –West, Katholiken-Protestanten, Sunniten-Schiiten, Kommunisten-Sozialdemokraten, Antisemiten-Philosemiten, Rassisten-Antirassisten, CDU-CSU, Marxisten-Antimarxisten … Sobald man sich auf die Produktion von Feindpaarungen nicht nur nach Carl Schmitt einlässt, verschwimmen Religion, Politik, Ideologie, Satire und Kabarett ins Ununterscheidbare. Die Gläubigen versuchen die Welt zu jerusalemisieren.
Magnus Hirschfeld: Sittengeschichte des Weltkrieges
„Ein weiblicher Soldat der russischen Roten Armee, nach ausgiebiger Schändung getötet.“
Mit siebeneinhalb Jahren musste ich mich auf ein Doppelleben und Doppellesen einstellen. Heimlich geschah die Lektüre der ab 1933 verbotenen Bücher – also Barbusse, Renn, Remarque u.a. Auf dem Schulweg sprach ich über Karl May, dem allerdings der Kitzel des Verbotenen fehlte. Die Kenntnis der unerlaubten Bücher wirkte als pädagogische Gravur. Im Herbst 1944 gab es für die deutschen Kriegsgefangenen im Lager Bobruisk noch keine Arbeit. Die Lagerführung organisierte Bildungskurse in den Baracken. Ich hörte mich eifrig um. Als ein Studienrat über Magnus Hirschfeld sprach, ärgerte mich sein moralisierender Ton. Frech behauptete ich, Hirschfelds Sittengeschichte des Weltkrieges gehöre in den Unterricht für jeden Soldaten. Die Gefangenen wussten nichts. Das Buch steckt so voll von schönsten Sauereien, das darf in keiner Schulklasse fehlen, rief ich laut und provozierend. Der Herr Studienrat reagierte pikiert, die Gefangenen zeigten plötzlich Neugier. Bald hielt ich selber Vorträge und war verblüfft darüber, was ich alles im Gedächtnisbeutel behalten hatte. Mag sein, es ist keine probate Lehrmethode, einen Fünfjährigen mit dreihundert aufklärerischen Büchern in eine Bodenkammer zu sperren. Ich kann das trotzdem empfehlen. Mir ist es gut bekommen. Die Kindheits-Lektüre lehrte mich doppelt zu leben. Jedenfalls wurzelt meine Antikriegshaltung in frühen Tagen. Da ahnte ich noch nicht, wieviel Umwege das fordern würde und Kopf und Kragen kosten könnte.
Als neunzehnjähriger Kriegsgefangener in der Lagerbaracke von Bobruisk gelang es mir endlich, die geheime Seite meines Lebens hervorzukehren, das ging sogar ein paar Jahre gut, bis es nicht mehr gut ging. Mein heimliches Verständnis für Günter Grass resultiert aus dessen Zwang zur umgekehrten Haltung. Mit seiner Meisterleistung Blechtrommel verbarg er seine wahre Identität, während ich erst einmal das unverschämte Glück genoss, mich nicht mehr verleugnen zu müssen.
Im vorigen Nachwort regte ich an, Günter Grass und Hermann Kant sollten im PEN über den Doppelmord von 1919 an Luxemburg und Liebknecht debattieren, den bis heute anhaltenden Hauptkonflikt der Linken, von den Rechten abgesehen, die den Mördern stets applaudierten. Beim Gedenken sortieren sich Kommunisten und Sozialdemokraten auseinander und jede Seite hält die andere für schuldig.
Ein liebedienerischer SPD-Sozius wie Grass brachte es bis heute nicht fertig, den Fall, der spätestens seit Sebastian Haffner und Klaus Gietinger klar zutage liegt, zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen fehlt es bei Grass nicht an Bemerkungen über Luxemburg / Liebknecht, die Reaktionären zur Zierde gereichten, zum Bespiel nachzulesen in einer R-L-Biographie des französischen Widerstandskämpfers und antifaschistischen Autors Gilbert Badia: „Grass hat gesagt, dass die Militanten des SDS und der APO damals von Luxemburg sprachen wie von einer heiligen Klara, die in Karl Liebknecht ihren Franz von Assisi gefunden hätte.“ Eine so miese wie alberne Notiz.
Mit Eifer rechnet Grass deutsche Kriegsgefangene, die in der Sowjetunion ums Leben kamen, in Höhen hoch, die denen der Rotarmisten entsprechen, die in deutscher Gefangenschaft tatsächlich verhungerten, erschossen oder probevergast wurden. Da fehlt es an Wissen und Differenzierung.
Entmythologisieren wir endlich die Tarnklamotten der Marschstiefelträger. Kleist's Krug, der zu Bruch ging, ist unser Leben. Den Bruch will keiner verantworten. In einer Anekdote von Kleist bittet ein zum Tode verurteilter Soldat, ihn hintenrein zu erschießen „damit das Fell kein Loch bekommt.“ Jung Günters Trommel verhinderte das SS-Loch im Fell. Hätte Grass in den 50iger Jahren seine existentielle Wahrheit, nein banale Dummheit aus den 40igern bekannt, wäre er als Dichter gemobbt statt gepriesen worden, als Charakter jedoch kein opportunistischer Satellit geworden. Dorfrichter Adam war scharf auf ein Mädchen, wollte sich aber aus der Affäre ziehen, als Scherben anfielen. In unserer Literatur und Politik ist das die Norm. Kultur eben.
Denkstein für die „Opfer des Stalinismus – Berlin. Wird hier Trotzkis oder Hitlers gedacht?
Beim jährlichen Januar-Gedenken an Rosa und Karl wird durch einen Stein in der Nähe auch an die Opfer des Stalinismus erinnert. Ich denke zuerst an Trotzki. Wissend, andere halten auch Hitler für ein Opfer des Stalinismus. So unterschiedlich kann ein Gedenken sein. Außer Trotzki fallen mir noch viele Namen ein. Jetzt aber stelle ich mir ungescheut vor, der Ökonom Fritz Behrens (vielfach genannt in unserer Serie) wäre in der DDR nicht behindert und politisch drangsaliert worden. Seine Analysen steuerten in der Konsequenz auf ein chinesisches Modell zu, noch bevor die Chinagenossen erfassten, was sie benötigten, um nicht wie SU und DDR unterzugehen. Ein phantastisches Sachsen male ich mir aus als chinesische Sonderwirtschaftszone mit Freihandel. Die gelben Roten erschaffen aus Leerstellen in 20 Jahren Städte von über 10 Millionen Einwohnern. Sachsens Bevölkerung mit 4 – 5 Mio wäre im chinesischen Tempo per Zuwanderung heute die zwischen Pleiße und Elbe ausgebreitete Welthauptstadt, die London, Kairo, New York überholte, ohne dass Sächsisch Weltsprache werden müsste, da zöge ich Angelsächsisch vor. Jetzt stelle ich mir vor, Ernst Bloch wäre in der DDR nicht zum Konterrevolutionär erklärt, sondern als Revolutionär mit der von Schiller geforderten Gedankenfreiheit belohnt worden. Charly wäre nicht nur als Nischel in Chemnitz präsent, sondern per Denkmal als Kapital-Dekonstrukteur und Freiheitskonstrukter im Schlagschatten des Völkerschlachtdenkmals. Wer sitzt jetzt in Auerbachs Keller auf Goethes Stuhl? Hass ist die Rache der Besiegten. Gier die Religion der Reichen. Humor die Kultur der Anfangs- und Endzeit. Mit Marx gehen heißt vor dem Schluss noch mal mit Kopf und Chuzpe von vorn beginnen.
Konservative Kommunisten geben dem 20. Parteitag von 1956 mit Chruschtschows Anti-Stalin-Rede die Schuld am nachfolgenden Untergang der Sowjetunion und nennen es Revisionismus. Ihre banalperverse Devise heißt Zurück zu Stalin. Tatsächlich litt der Kurswechsel an seiner Halbherzigkeit. Die ungarische Revolte niedergeschlagen, die polnische teils repressiert, teils konserviert. In der DDR fürchtete Ulbricht um seine Macht, behinderte und unterdrückte die denkbaren Reformen. (Reformatoren) Später suchte er sie zu beerben, was ihn den Platz an der Parteisonne doch noch kostete. Unter Honecker kam das Ende. Unser Kurs eines 3. Weges war versäumt worden, ihn gingen China und Nordvietnam nach dem Sieg über ihre inneren und äußeren Feinde. Konservativen Kommunisten gilt das als Revisionismus. Allerdings befinden sich diese Revisionisten an der Macht, während die DDR eine Randzone des Westens wurde und Russland ein wenig effektiver Staat, der seine Chancen bisher eher verspielte als wahrnahm. Die Märkte, diese einzige Supergroßmacht, früher Kapital genannt, triumphieren. Dabei steht ihnen das Wasser bis zum Hals.
Wir kommen auf das Joachim-Jahns-Buch zurück.
Bücherschreibende Verleger sind mir nicht geheuer. Sie verleugnen ihren schönen Job, Bücher herauszubringen statt selbst zu verfassen. Es gibt Ausnahmen, Joachim Jahns, früher Querfurt, jetzt Leipzig ist keine Ausnahme, sondern Wiederholungstäter. Nach der detektivischen Dokumentation Der Warschauer Ghettokönig (2009) weil: „Wir wissen erst etwa zwanzig Prozent über den Holocaust“, so Raul Hilsberg 2006 in Wien, nach diesem Hilsberg bestätigenden Jahns-Querschläger folgt jetzt ein Doppel-Querschläger: Erwin Strittmatter und die SS – Günter Grass und die Waffen-SS. Das sieht nach deutscher SS-Wiedervereinigung aus, ist aber viel komplizierter. Das Motiv gab Günther Drommer 2010 an mit dem Titel Erwin Strittmatter und der Krieg unserer Väter. Die Söhne, die da mit den Vätern abrechnen, wurden indessen auch Väter, wo nicht Großväter. Weshalb die Verspätung, ganz so als wär's die Deutsche Bundesbahn? Inzwischen werden von den Nachkommen längst allerlei neue Kriege geführt, und sie sind doch alle noch in den alten Kriegen gefangen. Wie machen die das? Mit Worten. Die Herren und Knechte der Sprache sind immer im Einsatz. Die Opposition ist dagegen, bis sie selbst oben, also im Einsatz ist und von den anderen Einsatz verlangt. Wirklich dagegen sind ein paar Kabarettisten. Man darf lachen, solange gehorcht wird. Vom längst verstorbenen Leipziger und Frankfurter Kabarettisten Conrad Reinhold stammt die Erkenntnis: Im Osten sollst du immer die Welt verändern, du darfst nur nichts sagen. Im Westen darfst du alles sagen, nur nichts verändern.
Im Programm des Frankfurter Jüdischen Museums und des Fritz-Bauer-Instituts ist für den 13.2.2012 die Wiener Gastprofessorin Birgit R. Erdle aus London mit dem Titel Objektiv kritischer Geist angekündigt. Es geht ausdrücklich um den NS Intellektuellen Hans Rössner. Wir berichteten u.a. im poetenladen über ihn. (11. Folge sowie 66. Nachwort). Mit dem Herrn stieß ich 1959 im Münchner Piper Verlag zusammen, ohne von seiner Vergangenheit als SS-Obersturmbannführer zu wissen. Der Streit entflammte, als die Namen Hannah Arendt, Eichmann, Heidegger, Rosa Luxemburg genannt wurden. Die DDR lag damals gerade zwei Jahre hinter mir. War ich im rechten Nachfolgestaat des Dritten Reiches angelangt? Zwischen den Stühlen wäre eine zu liebliche Floskel. Jetzt soll in Frankfurt am Main über den NS-Intellektuellen Hans Rössner vorgetragen werden. Wie schön. Mein Rössner-Erlebnis liegt inzwischen 52 Jahre zurück. Die Dringlichkeit, über den Krieg unserer Väter mehr zu erfahren als was sie selber rauslassen, ist offensichtlich. In Günther Drommers Strittmatter-Buch und bei den SS-Recherchen von Joachim Jahns geht es um den Versuch der Distanzüberwindung. Ich sagte Versuch. Auch der geglückte Versuch der Dekonstruktion könnte wie bisher ein Scheitern nach sich ziehen. Denn die geübte Gleichsetzung von rot und braun ist eine gezielte Geschichtslüge. Die Parallele verblasst vor der Disparität Berlin – Moskau. Der Sieg Berlins über Moskau hätte die ganze Welt mit dem Morbus Hitler bedroht. Vor Moskau stockte das Räderwerk der Panzerketten. Von hier und Stalingrad aus ging es zurück heim ins Reich des Unheils. Soviel dazu als Prolog zur Frage nach dem Krieg unserer Väter. Mehr dazu im nächsten Nachwort. Hier dazu aus meinem fröhlichen Monte-Cassino-Gedicht vom Januar 1944 die Verse 19 und 20:
die richter die zum ganzen jagesprochen
sind in die höchsten kirchentürm zu hängen
doch ihre herzen soll man vorher kochen
dass sie beim läuten nicht die glocken sprengen
die lehrer aber die den kindern in der klasse
das rückenkrümmen beigebracht
sind zu erschießen in der masse
und ihr gebein verstreue man bei nacht
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
- Einiges Land oder wem die Rache gehört
- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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