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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 85. Nachwort
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
85. Nachwort |
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Der Blick von unten nach oben
Reich-Ranicki hält Horst Krüger für den Chronisten der alten BRD
Im FAZ-Feuilleton vom 8.7.2012 antwortet Reich-Ranicki auf die Frage, was von Horst Krüger als »Chronist der alten Bundesrepublik« bleibe. Er nennt kenntnisreich und aus örtlicher Nähe einige Buchtitel und Krüger eine »Institution«, geht aber nicht auf a) den Fallschirmjäger Krüger und b) nicht auf den Polit- Publizisten ein. Ich erlaube mir zur Vervollständigung den Hinweis auf Krügers Anthologien Das Ende einer Utopie und Was ist heute links? Der Utopie-Band enthält höchst konträre Autoren, bei denen sich der Chemnitzer Extremismusprofessor Eckhard Jesse gern gegen links bedient. Wir fragten diesen Totalitarismus-Experten u.a. in der 57. Folge und zitierten Adolf Hitler, der Pazifismus, Marxismus und Demokratie ausrotten wollte, was wohl nicht ganz gelang. So kämpfen seine ideologischen Rechtsnachfolger gegen links und halten stur Gefahren von rechts für übertrieben, was das Zwickauer Trio des nationalsozialistischen Untergrundes eifrig für sich zu nutzen wusste, zeitweise wohnten sie gar in Chemnitz, wo die rechte Augenblindheit vom Uni-Katheder herunter gelehrt wird. In Was ist heute links versammelte Krüger 1963 ein anderes und doch ähnliches Autoren-Sortiment. Es lohnte sich, von heute aus auf die damaligen Analysen und Prognosen der Autoren einzugehen. Die Frage nach der Linken wäre durch die Frage nach der Rechten zu vervollständigen. Mein Artikel, den Krüger wie die meisten anderen aus einer Radio-Sendung übernahm, trug den Titel Der Geist und sein drittes Jahrtausend und war durchaus optimistisch. Der letzte Satz lautet: »Die neue Linke ist der Prolog des dritten Jahrtausends oder gar nichts.« Das sehe ich heute noch ebenso, wenn auch nicht mehr optimistisch. In Deutschland ist der Verrat der Intellektuellen bloße Kontinuität.
Die Frage Optimismus-Pessimismus ist, Gott sei's geklagt, auch rein biographisch zu stellen. 1957 in Westberlin angelangt, mit der DDR im Rücken, geriet ich über den Begriff Freiheit in Zweifel. Es ging um die werte Identität. Würde ich mich nun endlich offen als Trotzkist bekennen, wäre das ein Triumph für die Genossen Stallmeister von Ostberlin bis Leipzig. Nenne ich mich Blochianer, schadet es dem gerade von der Leipziger Karl-Marx-Universität ausgesperrten Ernst Bloch. Mich als Antikommunist zu definieren klang verlockend, weil es die Wonnen totaler Feindschaft verhieß, verstieß jedoch gegen den innersten marxistischen Wesenskern. Also wurde ich zum erklärten Ex-Kommunisten, wie es den fatalen Fakten beidseits der Grenze entsprach, die in Berlin der späteren Mauer noch entbehrte, in den Köpfen der Feinde beidseits jedoch längst existierte. Da half nur das freie Schweben zwischen den Fronten mit den Glücksfällen verbaler Teilhabe von Fall zu Fall. Als gelernter Kupferschmied wusste ich mit dem Hammer – ach ja, Nietzsches Hammer-Philosophie – umzugehen. Als Segelflieger hatte ich die unübertreffliche Freiheit über den Wolken samt Aerodynamik genossen. In Leipzig unter Dauerbeschuss geraten fühlte ich mich morgens als Humorist, mittags als Clown und am Abend als roter Wutgenosse, der seine Niederlagen in die Tasten seiner alten Reiseschreibmaschine hämmerte, die Manuskripte aber zu verbergen gezwungen war. Gelangten ein paar Seiten doch zum Druck, folgten sogleich Drohung und Strafe. Auf denn, Genosse oder Antigenosse Ex-Kommunist.
Mit vierzehn hab ich versucht, ein guter Hitlerjunge zu sein. Mit siebzehn hab ich versucht, ein guter Soldat zu sein. Mit neunzehn hab ich versucht, ein Deserteur, guter Deutscher und Kommunist zu sein. Alles stand unter dem Signum Tarnung, Widerspruch, Zwang. Als Hitlerjunge half ich, unsere Bücher zu retten und wollte im Segelflugzeug nach Prag abhauen. Als Soldat wollte ich Pilot werden und mit der Maschine türmen. Es gelang nicht, zu Fuß rettete ich mich Richtung Rote Armee. Als Kommunist verbarg ich meine Vorliebe für Trotzki, bis sie sich nicht mehr leugnen ließ. Als Autor in Leipzig wurde ich zum Feind erklärt, weil ich meiner Faszination für Trotzki, Bloch, Lukács nicht abschwor. Als Schriftsteller in der BRD begriff ich bald, was Tucholsky meinte, als er sagte, er habe Erfolg, aber keine Wirkung. Ein Mensch, der seine Worte und sein Leben miteinander in Einklang bringt, lernt freier zu atmen. Literatur ist, was sich anders nicht leben und sagen lässt.
1974 erhielt ich den Ernst-Reuter-Preis, dessen Annahme mir viele Linke verübelten. Reuter war als Westberliner Regierender Bürgermeister Spitzenfigur im Kalten Krieg und vorher sogar mal Kommunist gewesen. Der Preis wurde in Bonn vom zuständigen Minister Franke überreicht, einem Mann der Gruppe um Herbert Wehner. Ich steckte das Preisgeld dankbar ein und überwies es nahezu vollständig kurze Zeit später meinem Zahnarzt für komplizierte aufwendige Eingriffe im Ober- und Unterkiefer. Viele Zähne waren in Russland geblieben. Nach der Preisverleihung beharrte ich auf meiner Version von Marx, Trotzki, Bloch auf dem 3. Weg fern vom atomaren Kriegspfad. Mit Wehner aber ging es nicht lange gut. Willy Brandt nannte Wehner und Helmut Schmidt im gleichen Atemzug Armleuchter. Das ist doch unglaublich nett ausgedrückt.
Bei meinen Lesereisen in das für mich ab1990 wieder betretbare östliche Deutschland wies ich auf die nötige China-Orientierung hin und erntete nur Unverständnis. Man wollte mehr Westdeutscher sein als diese selbst und so ging die eigene Identität in die Binsen. Die Bürgerrechtler wurden von Bonn hofiert und gefördert. Bald durften sie sich hinten anstellen. Seitdem spielen sie ihre Heldenrollen weiter als wären sie Sieger wie Angela Merkel. Doch sie war und ist keine Bürgerrechtlerin. Es ist wie bei den Opfern des Stalinismus im Unterschied zu den Opfern Stalins. Zu denen auch viele Täter Stalins zählten. Der Lauf des Irrationalismus – oder einfach der Geschichte? Zu Stalins Terror passend fällt mir das kleine Laos ein. Während des Vietnamkrieges machten die amerikanischen Flächenbombardements das Gebiet zum pro Kopf der Bevölkerung »am stärksten bombardierten Land der Erde.« (FAZ 12. 5. 2012) Die USA lassen bomben, Stalin ließ erschießen, erhielt dafür jedoch keinen Friedensnobelpreis wie Henry Kissinger. Vietnam, übrigens wie Laos ein Massenbomben-Opfer, steht heute den USA näher als zu China. So wechseln Opfer wie Täter. Gegenwärtig ist ungewiss, wird China mit seinen angehäuften Dollars die Vereinigten Staaten aufkaufen oder wird es zum Dank für die finanziellen Dienstleistungen von US-Flugzeugträgern atomar vernichtet werden. Wer ist Freund, wer Feind. Ist nicht schon jeder jederzeit jedes geworden?
Irrational wie in der Weltpolitik läuft es auch daheim. Lafontaine wird in den Medien mit viel Häme begleitet. Das Orakel von der Saar sei zu alt, zu radikal, werde nicht mehr gebraucht. Der wahre Grund ist, das Orakel war eine Pythia, die beizeiten vor der heutigen Europa-Welt-Krise warnte, sie richtig voraussagte und seither systematisch gemobbt und verspottet wurde. Der Verweis aufs Alter klingt besonders plausibel aus den Schandmäulern von Adenauerianern, die schon vergreist geboren werden wie ihre sich häufenden Bankrott-Spitzenleistungen zeigen.
Die Frage nach Wahrheit und Lüge gleicht der nach Täter und Opfer. Beides erfordert Selbsterforschung. Wer es sich zu leicht macht, findet wie Grass zu spät zum Eingeständnis oder erntet wie Alfred Andersch als Deserteur mit seinen frühzeitigen Kirschen der Freiheit kollektiven Schimpf. Meine eigene Abrechnung blieb in der DDR nicht folgenlos. Für die BRD hier ein Zitat von 1989 aus Vergiss die Träume Deiner Jugend nicht:
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Gerhard Zwerenz
Vergiss die Träume Deiner Jugend nicht
Rasch und Röhrung 1989
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»Als die deutschen Soldaten auf Kephalonia wüteten, im September 1943, war ich kurz zuvor von Sizilien, das die Alliierten erobert hatten, aufs italienische Festland übergesetzt. Noch heute frage ich mich, wie ich mich als Angehöriger der auf der griechischen Insel eingesetzten Edelweiß-Division verhalten hätte. Gewiss, ich bin später desertiert, aber wäre ich auch auf der Insel von der Fahne gegangen? Ich bin mir meiner keineswegs so sicher. Mein Glück, dass ich nicht dazugehört hatte. So verurteile ich die Mörder von Kephalonia nicht. Ich wehre mich nur dagegen, dass wir als Deutsche unsere Morde nicht wahrhaben wollen, die der anderen aber politisch ausnutzen. Als Soldat war ich, wie alle Soldaten im Krieg, am Töten beteiligt, ein pflichtgemäßer Mörder, ein durch Befehle gedeckter, unschuldiger Mörder. Wäre ich, auf die Insel Kephalonia verschlagen, an den massenhaften Exekutionen italienischer Gefangener beteiligt gewesen, müsste ich mich als schuldiger Mörder bezeichnen, obwohl ich auch dabei nur gehorsam meiner Soldatenpflicht nachgekommen wäre.«
Soldatenpflicht und Gehorsam bilden die zwei Pole, um die sich alles dreht. Ich lehne beides ab. Statt einer pazifistischen Begründung hier die auf das obige Zitat folgenden Sätze: »Nach den Kephalonia-Veröffentlichungen schrieb mir ein Akademiker und gläubiger Christ, der als junger Soldat damals auf der Insel dabeigewesen ist. Ich hoffe, diesen Briefwechsel zusammen mit anderen Zeugnissen einmal veröffentlichen zu können. Die Seelenpein des Soldaten, der in diese Situation kommt, hält lebenslang an, auch wo sie überwunden scheint. Ich schätze aber, dass nur einer von hundert überhaupt an der Überwindung arbeitet, die andern verdrängen und sind doch an ihren Aggressionen, Verleugnungen und Roheiten kenntlich, so dass sie unfrei bis zum letzten Atemzug dahinkümmern.«
Seit einem Kölner Landgerichtsurteil gegen die rituelle Beschneidung gibt's neben dem umstrittenen Euro einen neuen Brennpunkt öffentlicher Diskussion. Betrifft das Geld jeden einzelnen, der es hat oder nicht hat, ist die Beschneidung Sache von Meinungs-Eliten. Die einen halten's mit der Religion, wobei Judentum und Islam als Tangierte gemeinsame Fronten bilden, die anderen halten es mit der Aufklärung. Die Prozedur wird auf Gott zurückgeführt, wobei keiner fragt, ob Gott selbst beschnitten ist, und wenn ja, wer ihm das antat und in welchem Alter. Im Literaturzirkus macht gerade ein englisches Buch Shades of Grey, auf deutsch erschienen unter dem Titel Geheimes Verlangen Furore. Es geht um Sadomasochismus, inklusive Fesseln und Prügeln, dargestellt an einer 21jährigen studentischen Jungfrau, deren seelische Beschneidung ein erfolgreicher 27jähriger Geschäftsmann vornimmt, dessen »Abgefucktheit« psychologisch erläutert wird, obwohl dadurch nicht mehr zu erklären ist, wozu er seinen »beachtlichen Penis« gebraucht. Fraglich bleibt, ob die ehrfurchtsvolle, doch ungenaue Größenangabe dem Penis oder Phallus des schlagkräftigen Geschäftsmannes gilt. Die Autorin, angestellt bei einem tv-Sender, sowie brave Ehegattin und Mutter, schreibt unter Pseudonym. Ich lese außer zwei größeren Rezensionen zu dem finanziell irrwitzig erfolgreichen Buch nichts weiter, weiß aber genug. Den Rest besorgen Buchhandel, Talkshows und unterwerfungswillige, lektüregierige Hausfrauen-Schwärme. Der herausgebende Münchner Goldmann-Verlag sollte sich, wie von Bild verlautet, in Goldfrau-Verlag umbenennen. Unklar blieb mir bisher, wer die Verfasserin verhaut. Klar ist, Prügel, erzwungener Sex, Missbrauch von katholischen Priestern ihren Zöglingen zugefügt, waren wohl falsch adressiert. Und wann wird die zum Sadomasochismus verführte Studentin, als Opfer maskuliner Gewalt auftretend, auf Schmerzensgeld klagen? Oder unterliegt sie samt Verlegern der künftigen Luststeuer?
Das S/M-Gewusel der Zweierbeziehung im Roman tarnt mit individuellem Tratsch die Essenz der Konstellation. Die Beziehung zwischen Oberen und Unteren weist insgesamt sadomasochistische Eigenschaften auf. Der Obere ist vorwiegend Sado, der – die – Untere zumeist Maso. Die Crux des Revolutionärs: Er muss die Oberen besiegen und ersetzen ohne selbst zum Sadisten zu entfremden. Der siegende Revolutionär – Revolteur – aber läuft Gefahr, sich als Konterrevolutionär zu enthüllen. Und was wird aus der Leidensbereitschaft der bezwungenen Unteren, im Roman dargestellt als Leidenslust der Frau? Darüber schweigt die Softpornos dichtende Angestellte, Ehefrau und Familienmutter.
Werfen wir einen Seitenblick in den fernen Osten. Was die KP Chinas »Sinisierung des Marxismus« nennt, ist das Experiment mit einem kapitalistischen Marxismus oder marxistischen Kapitalismus. Die Diktatur des Proletariats wird wie in der SU unter Stalin zur Diktatur der Partei, die jedoch das Land, das mehr ein Erdteil ist, dem Kapital öffnet, ohne die Macht aus der Hand zu geben. Im Inneren wird keine organisierte Opposition geduldet, nach außen hin die Grenze streng bewacht. Die Konflikte der Kapitalisierung mögen an die brutalen englischen Zustände der Klassengesellschaft erinnern, wie Friedrich Engels sie schildert. Die Wiederholung verläuft verspätet, doch deutlich verkürzt, was die Partei zu steuern versucht. Bisher mit einigem Erfolg. Der weitere Aufstieg ist abhängig vom intellektuellen Zustand der chinesischen KP-Führungsriege sowie der Weltlage. Das ging in der Sowjetunion nach Lenins Tod schief. In China eröffnete Maos Ableben bessere Perspektiven. Augenscheinlich ist der Mix von Marx plus Konfuzius fruchtbarer als der Mix von Marx und Dogmatismus. Offenbar sind Sadomasochismus und Beschneidung im chinesischen Marx-Kapitalismus kein Thema. Ausgenommen die Beschneidung der werten Vergangenheit. Das ist wie bei den Deutschen mit der seit 1848 anhaltenden Tendenz, die Vergangenheit zu erledigen, indem man sie per S/M ständig wiederholt. Zwei Weltkriege, ein Kalter Krieg und noch immer nicht genug davon.
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Gerhard Zwerenz
Kopf und Bauch
Roman
Area, 2005
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In Kopf und Bauch heißt es auf Seite 130: »1953 war der Name Walter Benjamin völlig unbekannt. Nach Blochs Hinweisen stöberte ich in der ›Deutschen Bücherei‹ ein altes Exemplar vom Ursprung des deutschen Trauerspiels auf. Es befand sich im »Giftschrank«, ich konnte mit Sondergenehmigung heran, hockte wochenlang im Lesesaal, fertigte über 100 Seiten Auszüge an, begann ein Manuskript über das Buch, dann über Benjamin, dann über allgemeine Ästhetik, endlich über das Komische und stützte mich neben Benjamin auf Bergsons Das Lachen ( Le rire) «
Von den frühen Benjamin-Studien im Zusammenhang mit Bloch ging es zu drei Themen, die mich dauerhaft beschäftigten. Das ist 1. Blochs Rückgriff auf Aristoteles und Platon, 2. Benjamins Koppelung von Traum und Heiterkeit – mit Bergson zum Lachen gesteigert – 3. Benjamins Blick von unten nach oben. Punkt 1 und 2 sind Theorie, Punkt 3 muss im Leben bewährt und ausgehalten werden. Wer von unten nach oben blickt und sich zu sagen traut, was er sieht, wird sich bewähren müssen, wenn die von oben nicht nur zurück blicken, sondern auch zurück schlagen. Das gilt für heute und gestern und ob hier oder dort in West und Ost.
Bei den 68ern imponierte mir deren kritische Haltung zu den Nazi-Eltern. Die DDR-Bürgerrechtler präsentieren sich in zwei unterschiedlichen Gruppen. Die einen kamen aus staatstreuen Elternhäusern und blieben bei aller Kritik meist links, abgesehen von Ausnahmen wie Vera Wollenberger / Lengsfeld, die anderen entstammten Nazi-Familien und setzten deren Antikommunismus-Antimarxismus unverfroren fort, was mich in den Fällen Eppelmann und Gauck eine Zeitlang in Verlegenheit brachte, weil ich mit beiden zu sprechen versuchte, jedoch abgewiesen wurde. Am 28.10.1989 verging sich in der FAZ ein Giftzwerg an meinem Buch Vergiss die Träume deiner Jugend nicht, aus dem ich hier einige Abschnitte zur Schuldverweigerung nicht ohne Absicht zitierte. Dazu Werner Fuld: »Wie und wen Gerhard Zwerenz leimt.« Da kam einer aus dem eigenen Leimtopf – Mustopf und schloss auf andere. Am 12.10.1993 nahm sich die ehrenwerte FAZ unseren Kollegen Horst-Eberhard Richter vor und dessen Buch Wer nicht leiden will, muß hassen – Zur Epidemie der Gewalt, welche Verständigungsbereitschaft das bürgerliche Blatt zur Warnung vor Werk und Autor veranlasst. Krieg den Friedfertigen! lautet stattdessen die Losung.
Boehlich wollte Kampf gegen rechts fortsetzen, was FAZ-Autor E. Fuhr eine „unüberbietbare Verbohrtheit“ nannte |
Am 12.5.1992 wurde Eckhard Fuhr, ein Fuld-Bruder im FAZ-Geiste deutlicher, indem er unserem Haus- und Chow-Freund, dem bewährten Anti-Nazi, Publizisten und langjährigen Suhrkamp-Cheflektor Walter Boehlich »unüberbietbare Verbohrtheit« nachsagte, weil Boehlich »… kürzlich während einer Frankfurter Podiumsdiskussion kategorisch feststellte, die DDR-Vergangenheit ›betrifft uns nicht, unsere Vergangenheit ist der Nationalsozialismus‹ – womit gemeint war, dass unverdrossen im glaubensstarken ›Kampf gegen rechts‹ fortzufahren sei.« Boehlich also war gewillt, den Kampf gegen rechts fortzusetzen, Eckhard Fuhr offensichtlich nicht. So kann acht Jahre später eine FAZ-Schlammschleuder wie er zum Feuilleton-Chef der Welt aufsteigen. 2005 beglückte er die Öffentlichkeit mit einem Buch über die Berliner Republik, in dem er gegen den »deutschen Selbsthass« polemisierte und eine neue Selbstwahrnehmung verlangte, abseits der »Hitlerschen Traumata«. F.J. Strauß lässt grüßen mit seiner Forderung an Deutschland aus dem »Schatten Hitlers herauszutreten«. Von all dieser Gnade rechter Augenblindheit profitieren die Neonazis bis hin zu den NSU-Mördern. Eckhard Fuhr aber befand sich schon 1992 auf großer Fahrt, denn er besprach ein von der Frankfurter Ex-Linken Cora Stephan herausgegebenes Rowohlt-TB, das mit dem Titel Wir Kollaborateure ... nicht sich selbst kritisierte, sondern die Linke denunzierte, die Fuhr, sich bei Henryk M. Broder anschleimend, als »hegemoniale intellektuelle Kaste« aufs Korn nahm. Mir wurde ganz solidarisch zumute mit der Schar der Angegriffenen. 1933 zählte ich noch keine acht Jahre, als wir unsere Bücher vor den Nazis verstecken mussten. Jetzt 1989 war ich zwar ein wenig älter, doch noch immer bereit, aus dem erlebten Ende der ersten Weimarer Republik Schlüsse zu ziehen, auch wenn Fuhr, der inzwischen mit Broder gemeinsam im Welt-Reich residiert, auf Wiederholung im Kampf gegen links aus ist.
Die Wiederholungsmanie des Duells rechts gegen links läuft auf eine Wiederholung der Weimarer Republik hinaus.1933 siegte die gesamte Rechte über die gesamte Linke. Das macht jede Kooperation mit dem Neonazismus inklusive dessen mörderischer Linkenhatz unentschuldbar und verlangt nach herzhafter Volksfront.
Ich greife auf Benjamins Koppelung von Traum und Heiterkeit zurück, denke ich an mein labiles Geburtsland Sachsen und sein Elbflorenz Dresden. Die Verteidigung Sachsens als Serien-Titel wird allerdings zum Albtraum, nehmen wir das Trauerspiel der Rechtszustände für bare Münze – Dresden und seine wirren Bomben- Erinnerungstage samt der verbissenen Protestierer-Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft, die Neonazismen landesweit ausgreifend, das unfassbare Zwickauer NSU-Trio – das soll Sachsen sein? Albtraum und Heiterkeit gehen nicht miteinander. Ich kenne ein anderes Land von der Pleiße bis über die Elbe. Bevor es hinterm Mond völlig verschwindet, erlaube ich mir, es auf ein paar tausend Seiten als alternative Geschichte von unten gegen oben vorzulegen, als erlebtes Zeitprotokoll und individuelle Enzyklopädie jener kleinen Lebensläufe, die von den offiziellen Historikern und Staatsdichtern den Unpersonen zugerechnet und abgetan werden. Die Weimarer Republik ergab sich dem Dritten Reich. In der DDR sah ich den Versuch einer Korrektur. Das misslang. Die DDR ergab sich Bonn. Das vereinte Deutschland steht erneut vor der Entscheidung zwischen Weimar und den Versuchungen der Weltmacht. Es geht nicht um den Führer, es geht um seine ekelhaften Hinterlassenschaften und die noch immer nicht überwundenen Mentalitäten.
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
- Einiges Land oder wem die Rache gehört
- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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