Hans Magnus Enzensberger, umgangssprachlich auf HME oder auch Enze (E) eingekürzt, war ein berühmter Lyriker, Essayist, Prosaist und Teilhaber der AG Gruppe 47/11, der auf dem Scheitel des Modewechsels das Zeitliche segnete, bis er aus unumgänglichen Gründen zur Erde zurückgeschickt wurde, um sein Lebenswerk zu vollenden.
Ich fragte ihn: Sind Sie wirklich im Himmel dem General von Hammerstein begegnet? E: Woher wüsste ich sonst so viele Details aus seinem Leben? Dazu die zahlreichen Geheimnisse? Z: Das Übersinnliche nehme ich Ihnen ab. Doch woher rührt Ihr unglaublicher, plötzlicher Fleiß? E: Keine Provokationen bitte, sonst werde ich gleich wieder zum Engel. Z: Ihr neuestes Werk Hammerstein oder Der Eigensinn ist imposant. Ich nehme an, den Vorabdruck in der FAZ verschaffte Ihnen von oben her der nach wie vor einflussreiche Joachim C. Fest? E: Wir trafen uns auf Wolke 1933 – er schreibt dort den zweiten Band seiner Autobiographie. Z: Ein Dementi des 1. Bandes? E: Der Titel lautet: Hitler wars – Ich nicht. Z: Sie riskieren sogar Gespräche mit Kommunisten, ohne sie im selben Atemzug zu beschimpfen. E: Als Engel wird man so tolerant wie weltläufig, und mit dem Plazet von Fest musste ich nicht befürchten, in seinem Blatt zensiert zu werden. Z: Im stern werden Sie hart rangenommen. Nach einem kurzen Sommer der Anarchie, heißt es da über Sie, folgt sein langer Winter der Reaktion. E: Der stern kann mich mal, wie Peter Struck, Struppi-Strucki, in solchen Fällen zu sagen pflegt. Z: Seit wann reagieren Sie wie ein Sozi? E: Sozi? Ich nicht. Z: Ich vermutete Sie als Panzerkommandant im Irak beim Sieg über Saddam Hussein, den Sie den Hitler der 3. Welt nannten. Stattdessen wühlten Sie sich durch die Archive und es scheint, Sie entdeckten dabei den deutschen Adel als Hort des antifaschistischen Widerstandes. E: Sie belieben zu übertreiben. Z: Ich? E: Zugegeben, meine Formulierung vom Hitler der 3. Welt war sehr zugespitzt. Man möchte eben verstanden werden. Z: Wie sehr Hammerstein samt seinen Töchtern und Söhnen Sie fasziniert, ist nachvollziehbar. Sie bedienen aber zugleich das bürgerliche Bedürfnis, eine ganze Reihe Hitler-Gegner präsentieren zu können. Ihr himmlischer Freund Fest widmete seine Autobiographie dem vergeblichen Unternehmen, die Fortexistenz integrer, braver Bürgerlichkeit im Dritten Reich nachzuweisen, doch zogen sie schließlich alle mit in den Krieg und gingen unter … E: Immerhin war Hammerstein weder angepasst noch ein Nazi. Z: Das Beste an ihm sind seine Kinder gewesen. Warum interviewten Sie den General im Jenseits? Es gibt über den Mann zahlreiche historische Materialien auf Erden, sie wurden von Geschichtswissenschaftlern und Politologen zielbewusst ignoriert. E: Das beweist, man muss eine höhere Macht bemühen, um die Wahrheit zu erfahren. Z: Ach du lieber Himmel, erst spielten Sie links, dann rechts und jetzt so ne Art Christus II.? Und wie gelangten Sie überhaupt nach dort oben? Per Scheintod? Oder mit dem unverwüstlichen Trabi, der sächsischen Weltraumrakete? Auf diese intime Frage hin entmaterialisierte Enze sich und hinterließ ein Bündel Blitze und Donnerschläge. Irgendwo las ich: Jede Geburt ist ein Augenaufschlag. Schön gesagt. Und geschönt. Viele kommen blind zur Welt und bleiben es. Enzensberger arbeitete drei Jahre lang an seinem vorzüglichen Hammerstein-Band. Beim Lesen des Vorabdrucks in Fortsetzungen wurde ich fast zum Sympathisanten des Verfassers. Anno 2004 erschien das Buch Sklavensprache und Revolte - Der Bloch-Kreis und seine Feinde in Ost und West von I. + G Zwerenz. Auf den Seiten 447/48 ist darin zu lesen: Vier Tage nach Hitlers Machtantritt am 30. Januar 1933 hielt der neue Reichskanzler in der Berliner Dienstwohnung des General von Hammerstein vor versammelten Reichswehrgenerälen eine geheime Rede, in der er seine Pläne offenbarte: Aufrüstung zum Krieg gegen Sowjetrußland in einer Frist von sechs bis acht Jahren, Ausmerzung von Pazifismus und Marxismus als krebsartigen Geschwüren, Germanisierung der eroberten Ländereien. Dieses Programm wurde zeitlich exakt befolgt: 1939 Krieg mit Polen, 1941 Überfall auf die Sowjetunion, das entspricht den sechs und acht Jahren Frist. Durch eine insgeheim mitschreibende Tochter Hammersteins gelangte Hitlers Rede zu Stalin, der damit genau über den drohenden Krieg informiert war. Seine Gegenmaßnahmen sollten ihm Zeitgewinn verschaffen. Innenpolitisch setzte er auf verschärften Terror, gipfelnd in der Großen Säuberung 1936-38, außenpolitisch auf verzögernde und verwirrende Bündnisse, militärisch auf den T 34 und die sogenannte Stalin-Orgel, beides in Massenproduktion, die erst Ende 1941 richtig anlief. Die Ausmordung des Offizierskorps der Roten Armee und des NKWD sollte innere Putschversuche verhindern, schwächte jedoch erheblich die eigenen Streitkräfte. Es dauerte lange, bis die quasi enthauptete Armee unter unendlichen Verlusten ihr Kampfpotential wiedererlangen und die Wehrmacht besiegen konnte. Dieser Verweis auf Hammerstein liegt seit 2004 gedruckt vor, das Thema war in der Welt, als Enzensberger daran ging, es ausführlich zu bearbeiten. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts war der wenig beachtete Reichswehrgeneral plötzlich erneut im Gespräch. Von der Hamburger Zeitschrift Mittelweg 36 bis zur Berliner jungen Welt begann es zu dämmern. Der Prozess dauert noch an. Am 14. 1. 08 erschien der Spiegel mit dem gern genutzten Superstar Adolf auf dem Cover, Titel: Der Anfang vom Ende - Hitlers Machtergreifung. Im Text wird der Start in den Untergang wie üblich auf den 30. Januar 1933 datiert - so ergibt sich ein passendes 75-Jahre-Januar-Jubiläum. Exakter ist jedoch, so behaupte ich, der 3. Februar 1933, der Tag, an dem Hitler als eben bestallter Reichskanzler in der Hammerstein-Dienstwohnung den geladenen Generälen die Ernsthaftigkeit seiner Kriegs- und Massenmordpläne offenbarte. Im Spiegel heißt es dazu: »Bei der Reichswehr, dem Machtfaktor schlechthin in Deutschland, teilten viele Offiziere Hitlers Hass auf die Linke. Der neue Kanzler hatte bei einem Treffen mit hohen Reichswehroffizieren Anfang Februar 1933 die ›Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stil‹ versprochen. Er lockte zugleich mit einem Ausbau der Streitkräfte und stellte die allgemeine Wehrpflicht in Aussicht, was gegen den Versailler Vertrag verstieß.« Hier ist der Spiegel nicht auf dem neuesten Stand, der Name Hammerstein fehlt, die Titel-Story war wohl schon längere Zeit fertig, Enzensbergers ausführlichere Darstellung wurde nicht einbezogen. Das ist schade. Allerdings zerfließt sein Buch in den letzten Kapiteln zur biographistischen Epik. HME nutzt seinen poetischen Anteil am historischen Gang der Ereignisse nicht zur konsequenten Abrechnung. Liberalistische Kleingeisterei hindert ihn daran, der deutsch-russischen Tragödie, die mit Hitlers Tischrede vom 3.2.33 begann, in ihrer ganzen völkervernichtenden Dimension den gebührenden Platz einzuräumen.
Spaß beiseite, wenn die Hölle brennt. In einer rotblinkenden Extra-Broschüre, erschienen ohne Jahresangabe, wahrscheinlich 1968, fragte der Spiegel: »Ist eine Revolution unvermeidlich?« Diese Frage, auf dem Cover 21 mal unterereinandergesetzt, mündete in die Auskunft: 42 Antworten auf eine Alternative von Hans Magnus Enzensberger. Auf Seite 1 der roten Broschüre ist die genaue Formulierung zu lesen: »Was halten Sie von dieser Alternative, die Enzensberger in Times Literary Supplement formuliert hat …:Tatsächlich sind wir heute nicht dem Kommunismus konfrontiert, sondern der Revolution. Das politische System in der Bundesrepublik lässt sich nicht mehr reparieren. Wir können ihm zustimmen, oder wir müssen es durch ein neues System ersetzen. Tertium non dabitur.«
Enzensbergers radikale Auskunft von 1968 lautete also »entweder altes oder neues System.« Heute kümmert er sich den Teufel um seine Logik von gestern. Mag sein, dass unsere spaßige Gesellschaft nur Bahnhof versteht und die Glocken zwar hört, doch nicht weiß, wo sie hängen, es sei denn im Kirchturm. Was aber, wenn der westdeutsche Meisterdenker HME mit seinem »Tertium non dabitur« nicht falsch lag? Denk mal nach, Hans Magnus, musst dich ja nicht gleich entschuldigen, bist weder dümmer noch sündiger als wir alle, hast nur immer die Klappe ein wenig zu weit aufgerissen. Die Frage jedoch ist eine Antwort wert. Ich gehörte anno 1968 zu denen, die vom Spiegel um Auskunft gebeten wurden, und äußerte mich in 7 Punkten, von denen die ersten beiden lauten: 1. Bei all meinen Sympathien für Revolutionen und Revolutionäre – ich halte die Enzensbergersche Alternative für eine bedauerliche Entgleisung. Wenn das links ist, so keinesfalls neu, sondern uralt: Verbaler Extremismus mit Schaum vor dem Mund und Leere im Hirn. Das gibt William S. Schlamm recht, der die modische Revolutionspose eine Kinderei nennt. 2. Wenn Enzensberger das politische System der Bundesrepublik für irreparabel hält und die Revolution für den einzigen Ausweg, so muss er die Revolution auch wollen, d. h. ernsthaft vorbereiten. Man kann drauf schwören, er tut's nicht. In Punkt 7 sagte ich kurz und bündig: Ja, es war Rosa Luxemburg, die einst auf dem Gründungsparteitag der KPD ausgerufen hatte: Ihr macht es euch leicht, Genossen, mit eurem Radikalismus … Heute sehe ich mich in meinen Vorbehalten bestätigt. Die damaligen großen Verbalstrategen in der BRD nahmen den Mund so voll, als wollten sie ihre Väter fressen, wie es von Krokodilen berichtet wird, wenn Futtermangel herrscht. Wer den Schaum in den heftig revoluzzernden Kursbüchern heute nachliest und die späteren Distanzierungen dazu, dem wird klar, weshalb Enzensberger, den Golfkrieg legitimierend, Saddam Hussein zu Hitler II. ernannte und weshalb Außenminister Fischer im Kosovo ein zweites Auschwitz zu verhindern vermeinte. Wie hieß es doch bei Enzensberger: »Das politische System in der Bundesrepublik lässt sich nicht mehr reparieren. Wir können ihm zustimmen, oder wir müssen es durch ein neues System ersetzen.« Die Konturen des neuen Systems zeichnen sich schon klar als altes System am Horizont ab – vom Irak bis zum Hindukusch. Nie wieder Krieg? Es sei denn, die ungebremsten Revoluzzer von gestern haben das Kommando. Dann heißt der Krieg Frieden und die Konterrevolution Revolution – akkurat nach George Orwell. Auch Mussolini ging mal von links außen in die Rechtskurve. Am 21.1.2001 druckte die FAZ nicht ohne hämische Genugtuung Enzensbergers Absage an seine revolutionöse Vergangenheit – Überschrift: Ihr ödet uns an! Gemeint sind die, denen man sich früher zurechnete. Und dann Anfang 2008 der Hammer mit Hammerstein. Ein exemplarisches, sensationelles Buch, dem nur die Weisheit eines weltbürgerlichen Geistes fehlt. Ich forderte den Autor nochmal zum Duell in den Leipziger Ratskeller, wo schon unser erster Dialog stattfand. Warum dort und nicht in Auerbachs Keller? Weil da gerade Goethe und Faust verfilmt wurden. Faust votierte für Peter Hacks als Goethe II.und Johann Wolfgang selbst ist für Enzensberger, was auf einer himmlischen Übereinkunft mit Unseld beruhen soll, stand in FAZ, jW, ND und LVZ zu lesen. Enze saß schon an dem Fenstertisch, an dem ich mit Johannes Heinz Horn oft zu Abend gegessen hatte, bevor er sich umbrachte und Christoph Hein ihn mit dem Roman Horns Ende in die DDR-Provinz paraphrasierte. E: Was sagen Sie nun, ich bin jetzt ein Bestseller. Z: Sie waren schon vieles. Am besten sind Sie, wenn Sie das Schweigen der Hammersteins zitieren. E: Das Schweigen zitieren? Z: »Es bleibt ein ungesagter Rest, den keine Biographie auflösen kann, und vielleicht ist es dieser Rest, auf den es ankommt.« E: Schön gesagt. Z: Von Ihnen über andere. Eine Selbstüberwindung fast von Gottes Gnaden. E: Sie mögen mich nicht. Z: Ausgenommen in Ihrer Rolle als Hammerstein-Chronist. Dort draußen, sehen Sie, zwischen Pleiße und Peterssteinweg traf ich oft den Marinus van der Lubbe ohne Kopf, wenn er tagwandelte – E: Ich leide auch an Erscheinungen – Z: Weshalb Sie viele Tote interviewen, die postume Kunst ist Ihr Metier – E: Der 3. Februar 1933 ist unser Totengedenktag, wie? Z: Die deutsche Ankündigung aus Hitlers Mund Richtung Moskau – E: Hammersteins Tochter als Genossin, Stalin die Zukunft deutend – die Frage Revolution oder Krieg war fürs 20. Jahrhundert entschieden? Z: Bis auf einen Rest – Das von Ernst Jünger poetisierte Wort »Stahlbad«, besser Blutsuppe genannt, und die von Hindenburg geadelte Heilmethode »Badekur« parallelisieren die nationale Ideologie des 1. Weltkrieges. Jünger mythisierte mit dem Stahlbad den Grabenkampf, Hindenburg demonstrierte die Unerschütterlichkeit des Feldherrn, dem der Krieg wohltut. Den existentiellen Gegensatz dazu bildeten Luxemburg-Liebknecht als im Krieg verfolgte Pazifisten und nach Kriegsende ermordete Revolutionäre. Die Konterrevolution siegte. Es gibt kalendarische Daten, die das Zeit-Kontinuum sprengen, wo nicht widerrufen. Hitlers Machtantritt am 30. Januar 1933 war von Parteien und Gewerkschaften in ihrem desolaten Zustand nicht zu verhindern. Der Reichstagsbrand vom 27. Februar und der auf ihn folgende Prozess in Leipzig hätten als Fanal zum Widerstand begriffen werden müssen. Die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 erwies die fatale Stärke faschistischen Ungeistes und die Schwäche der Antifaschisten. Vom Widerstand im Militär nicht zu reden, das selbst die Ermordung von Kameraden hinnahm. General von Hammerstein war die Ausnahme – ein Charakter, doch ohne Taten, weshalb die eigenen Töchter und Söhne andere Wege einschlugen. Hammerstein verkörperte den Typ des aufgeklärten Militärs. Vor die Alternative Hitler-Deutschland oder Stalin-Russland gestellt spielte er wie General von Schleicher mit dem Gedanken an Zwischenlösungen bis zum Militärputsch und Staatsstreich. Hitler ließ Schleicher 1934 mit ermorden. Weshalb er Hammerstein verschonte, ist unklar. Der Krebstod des demobilisierten Generals Hammerstein im Kriegsjahr 1943 weist über sich selbst hinaus wie die Bezeichnungen T 34 und Stalin-Orgel. In den Büchern der Wehrmachtsgeneräle, die am 22. Juni 1941, Napoleons Russlandfeldzug gleichsam parodierend, Richtung Moskau aufbrachen, werden dem Kreml-Herrscher die T 34 und Stalin-Orgeln verübelt, als habe der Bolschewik sie geheimgehalten, um den Angriff zu provozieren. Die hohen deutschen Militärs spürten keinerlei Skrupel, Kameraden der Roten Armee, mit denen sie in den zwanziger Jahren geheim, aber eng zusammengearbeitet hatten, mit mörderischer Vernichtung zu überziehen. In Moskau waren die Drohungen Hitlers in seinem Buch Mein Kampf zwar gelesen, jedoch nicht ernst genommen worden. Dass er als Reichskanzler sofort in einer Geheimrede vor Generälen seine Feldzugspläne en detail vortrug, bewies den Ernst der Lage und wurde zum Todesurteil für 50 – 60 Millionen Menschen. Der Priesterschüler aus Georgien nahm sich im Kreml Ivan den Schrecklichen zum Vorbild. Um jeden Widerstand zu ersticken, mordete er seine eigenen Leute als potentielle Feinde aus und betrieb die Landesverteidigung mit der traditionellen Härte asiatischer Despotie. Aus dem Großen Vaterländischen Krieg ging die Sowjetunion siegreich hervor, zu den Besiegten zählte der Sozialismus im eigenen Land, dem kein halbes Jahrhundert mehr blieb, weil alles so bleiben sollte wie es war. Wir sitzen noch mit dem restaurierten Enzensberger im Leipziger Ratskeller. Ich zeige ein Foto von 1953 vor. Sechs Blochianer erwarten den Sozialismus in Auerbachs Keller zu Füßen der Treppe, die Faust auf einem Weinfass hinabritt. HME errötet. Es ist nicht der Rotwein. Zum Foto später mehr. Ich sage: Ihr Buch über Hammerstein führt Literatur, Politik, Geschichte und die heutige Schlachtordnung exemplarisch zusammen. Hoffentlich erschreckt es Sie nicht, wenn ich das als ein Stück Revolte betrachte. E: Ich bin unschuldig. Z: Wie der General? E: Noch nach 1933 suchte Stalin über Woroschilow Verbindung mit ihm aufzunehmen. Z: Wilhelms Kaiserreich finanzierte Lenin, weshalb sollte Stalin nicht Hammerstein unterstützen? E: Die Sozialdemokraten scheuten vor Lenin und Trotzki zurück. Z: Und versagten im Kampf gegen Hitler. E: Das Schweigen Hammersteins als dritte Entscheidung – Z: Die letzte militärische Aktion in Stalingrad war die Exekution von 364 deutschen Soldaten – E: Durch die Russen? Z: Durch die eigenen Leute. Die Armee verhungerte und erfror in den Eislöchern, doch um 364 eigene Kameraden zu erschießen, fanden sich genug gehorsame Todesschützen. Da funktionierte die glorreiche 6. Armee noch. So etwas sah Hammerstein ab dem 3. Februar 1933 voraus. Was tun? Revolution ging nicht mit den Deutschen. Krieg ging. Blieb allein das Schweigen. Soll es bald wieder so sein? E: Nach meinem Hammerstein wird jetzt die fiktive Autobiographie eines fiktiven Waffen-SS-Offiziers und Massenmörders abgedruckt. Der Titel heißt Die Wohlgesinnten. Z: Soll das etwa Ironie sein? E: Ich fragte schon 1968, ob eine Revolution unvermeidlich sei. Der Spiegel druckte das als Broschüre, die dann verschwand. Inzwischen bin ich auch dagegen Z: Sind wir jetzt real oder fiktiv? (Und ich dachte, zum Totalitarismus gehört die Waffen-SS, und weil Grass nur eine Atempause lang dabei war, muss man sich seine wahren Helden eben erfinden …) Das sagte ich nicht laut. Wer weiß denn, welches dicke Ende die sich noch einfallen lassen. Da spielen wir lieber den Hammerstein. Zum Ende ein Gruß an die Heldentäter Am Montag, den 18. Februar 2008, erscheint das nächste Kapitel.
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Gerhard Zwerenz
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