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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 56. Nachwort
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
56. Nachwort |
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Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
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Peter Gingold
Kohl verweigerte ihm den Ehrenplatz in Paris
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Hier wird Sachsen weder gelobt noch gemobbt, sondern dekliniert und nach innen erweitert. Ich stamme nicht von Sachsen ab, wurde im Land geboren und lebte Dreiviertel der Zeit außerhalb. Als Bodenkammerkind sprach ich, sobald ich sprechen konnte, das oberfränkische Sächsisch der Großmutter, in deren Obhut ich aufwuchs. Meine erste Fremdsprache war hochdeutsch. Mit fünf Jahren galt ich als erwachsen genug, zum Bauern zu gehen und Wurscht zu kaufen. In der Schule erfuhr ich, die Wurscht heißt in Wirklichkeit Wurst. So lernt man hinzu. Später in Leipzig war ich gehalten, bei Prof. Frings die „Mittelhochdeutsche Lautverschiebung“ zu studieren. Da begriff ich meine eigene Kindheits-Lautverschiebung als erste Expedition ins Gebiet der Herren- und Sklavensprache.
Sachsen ist ein Land der Kontinuität. Wer das erklärt haben möchte, lese die 99 Folgen und bisher 55 Nachworte. 1813 liefen die Sachsen, bis dahin für Napoleon weltweit unterwegs, zu den Russen, Preußen und Österreichern über. Das war ein übler Verrat und zugleich eine Revolte. 1945 kehrten die Russen, als Rote verkleidet, an Elbe und Pleiße zurück. Da Preußen im Feuer unterging, wurde Sachsen so eine Art Preußen der DDR. Unser Groß-Sachsen. Jedenfalls auf Zeit und ab 1990 wieder Klein-Sachsen: „ Mein guter Freund, das wird sich alles geben – Sobald du dir vertraust, Sobald weißt du zu leben.“ (Mephisto – Auerbachs Keller) Mein Leipzig lob ich mir, das ist ein Stück von Welt. Solange es kein Unverstand entstellt. (Mephisto – Paraphrase)
Am 16. Januar 2011 um 23 Uhr 35 ZDF-History: „Davon haben wir nichts gewusst – die Deutschen und der Holocaust“. Um Mitternacht sitze ich zwischen abgeschaltetem Guckkasten und aufgeschlagenem Bettzeug und bin so dumm wie zuvor, weil ich so dämlich gewesen bin, nicht zu den Unwissenden zu gehören. Das hatte Folgen. Und warum befragt das ZDF nur wenig informiertes Volk, dazu zwei überlebende Juden und einen englischen Professor? Warum nicht die angeblich so entschiedenen Nazi-Gegner Helmut Schmidt und Helmut Kohl? Als ich meinen alten Freund, den jüdischen Kommunisten und Résistance- Kämpfer Peter Gingold für die PDS-Gruppe zu einem Kolloquium in den Bonner Bundestag einlud, wollte außer den Genossen niemand davon Kenntnis nehmen. Am 14. Juli 1994, dem französischen Nationalfeiertag, paradierten zum ersten Mal nach Kriegende 200 deutsche Soldaten inklusive Panzern durch Paris. Mitterrand hatte auch deutsche Widerstandskämpfer der Résistance zum Fest eingeladen, um sie zu ehren. Kohl verhinderte ihre Teilnahme und sagte, es seien alles Linksextremisten und Kommunisten. Statt Peter Gingold und der Antifaschisten saß Kohl breit und bräsig in der ersten Reihe neben Mitterrand. Soviel zum deutschen Widerstand, wenn er von Linken herrührt. Er wird verleugnet, beschimpft, wo nicht verfolgt. Helmut Schmidt wiederum konnte nichts von Dachau und Auschwitz wissen, wie er wiederholt bekundete, denn er kämpfte zu dieser Zeit als Leutnant an der Ostfront, saß danach in Berlin als Zuschauer beim Prozess gegen die Hitler-Attentäter und da blieb weder Gedanke noch Gelegenheit zur Kenntnisnahme der Imponderabilien.
Trägt Klaus Ernst seinen Porsche nun auf
die Almhütte?
Am selben Abend, als im ZDF die Geschichte von der ewigen deutschen Unkenntnis lief, informierte die ARD in titel thesen temperamente über deutsche Wutbürger und das Manifest des Stéphane Hessel, das Frankreich aufrüttelt. Dazu Jakob Augstein – Der Freitag: „Es macht keinen Spaß, diese Feststellung zu treffen: In Frankreich wurde ein Buch der Hoffnung zum Bestseller. In Deutschland ein Buch der Niedertracht. Wie kommt es, dass die deutsche Empörung etwas Böses hat und die französische etwas Befreiendes? Wie kommt es, dass die Franzosen Stéphane Hessel haben und wir Thilo Sarrazin?“ Trotzdem, es tut sich was bei uns.
Seit Tagen häufen sich empörte Leserbriefe im Neuen Deutschland gegen Klaus Ernst, der sich im stern-Interview keck und zugespitzt zu äußern wagte. Der SED-Untergenossenverstand inszeniert den Aufstand der Beleidigten bis hin zu grotesken Fehlinterpretationen. Ernst sagte: „Wenn wir immer so tun, als tragen wir das ganze Leid der Welt auf unseren Schultern, interessiert sich doch kein Schwein für uns.“ Daraus schließen schwer gekränkte Leser, Ernst hätte tüchtige linke Genossen mit Schweinen verglichen.
Die deutsche siegreiche friedliche Revolution emigrierte nach Tunesien und siegte unfriedlich. Algerien geht in Wartestellung. In Ägypten drohen die Pyramiden zu wackeln. In einer der ARD-Märchenstunden talkt das FDP-Brüderle. Neben ihm sitzt ein Spiegel-Fleischhauer, aus böser elterlicher Linksfamilie entsetzt zur guten Rechtsfront geflüchtet, den grauenhaften Kommunismus bekämpfend, bis sein Gegenüber Lafontaine ihn kurz und bündig fragt, weshalb er als glücklich vergesellschafteter Spiegel-Journalist gegen genossenschaftlichen Mitbesitz polemisiere. Gleich ist die Luft raus, Fleischhauer verzwergte zum Fleischhauerchen auf dem Weg zum Vegetarier. Inzwischen ist Klaus Ernst in den Alpen angelangt, schleppt seinen Porsche auf dem Rücken den steilen Fußweg hoch zur Almhütte ohne Wasser- und Stromanschluss, welchen Luxus ihm die Genossen in Leserbriefen noch heftiger verübeln werden. Am Morgen hat er in der nachts saukalten Hütte verschlafen. Wacht um 9 Uhr auf, muss zur Vorstandssitzung um 11 in Berlin sein. Was hilft der Porsche bei Eis und Schnee im Stau auf der Autobahn. Ein Hubschrauberporsche muss her, den Mitgliedern der Linken gerade recht zur neu angefachten Empörungsfrustlust. Dieser kernige Gewerkschaftsbosstyp aus Bayern passt einfach nicht in den VEB-Schuhkarton. Dafür proben die Verlierer von 1989 in Berlin den Kommunismus. Fünf starke Genossinnen – darunter drei mit erhobenen – Fäustchen groß im Bild. Wer ist das?
Im führenden Kapitalblatt vom Main durfte am 14 Januar 2011 wiedermal der fürs angebrannte Essen zuständige Peter Carstens die Leser alarmieren:
Im Text geht es, obzwar um etliche Jahrzehnte verspätet, aufklärend weiter, denn damals „… hatten sich sowohl beim BKA als auch bei BND und BfV haufenweise Leute eingenistet, die als Gestapo-Männer, geheime Feldpolizisten, SD-Agenten oder Angehörige von Massenmordkommandos der SS und der Polizei an den Verbrechen der Nazizeit unmittelbar beteiligt waren.“ Das klingt ja beinahe so, als seien die Anklagen aus der inzwischen verblichenen DDR gar nicht so falsch gewesen, wie es bisher immer behauptet wurde. Ist das etwa die Nostalgie, vor der Bundespräsident Wulf soeben warnte? Meine Nostalgie sieht so aus:
„Als der Offiziersaufstand vom 20. Juli 1944 scheiterte und der Hitlergruß in der Wehrmacht als verbindlich eingeführt wurde, wusste ich, jetzt gilt es, den Gehorsam ein für allemal aufzukündigen. Fort aus diesem Vaterland. Als im März 1956 die Informationen über Chruschtschows Anti-Stalin-Rede auf dem 20. Parteitag in Moskau zu uns drangen, war ich mir sicher, jetzt war die Reformchance greifbar. Nach unserem Scheitern und meinem Weggang wurde ich im Oktober 1957 in Westberlin von Geheimen befragt, und als ich subtile Auskünfte verweigerte, drohte man mir, mich ins Auto zu setzen, nach Ostberlin zu fahren und vor dem Polizeipräsidium hinauszuwerfen. Da werden die sich drüben freuen ...
Der Herr, von dem mir dies so liebevoll ausgemalt wurde, war ein mindestens zehn Jahre älterer, unverkennbarer Wehrmachtsheldentyp. Da wusste ich doch gleich, auf welche Insel der Freiheit ich mich gerettet hatte. Das Exempel erhellt exakt eine Situation, die ich 1997 auf dem Ernst Bloch gewidmeten fünften Walter-Markov-Kolloquium in Leipzig mit den Worten schilderte: ›Die DDR bestand aus zwei Republiken. Die Macht lag in Moskau, das den unterworfenen deutschen Vertrauten das untaugliche Modell verschrieb. In der Gesellschaft aber bildeten sich die Konturen eines anderen Modells heraus, das unterdrückt zu haben die Schuld der Machtinhaber ist, die sich und den sozialistischen Versuch damit zur Untauglichkeit verurteilten, und es ist die Schuld derer, die zum Dritten Reich keinen hinreichenden Bruch zulassen wollten, so geschehen im Westen.‹
Diese verhinderte zweite DDR, eine mögliche, aber nicht realisierte Republik, die durch Blochs Emigration nach Tübingen sich Richtung BRD öffnete, lässt an eine kulturelle Europäisierung denken, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg von der Weltbühne Jacobsohns, Tucholskys, Ossietzkys angestrebt worden ist. Keine schlechten Ahnen am Vorabend des drohenden Weltbürgerkrieges zwischen amerikanischen religiösen Fundamentalisten und den islamischen Massen, denen das geölte, waffenstarrende US-Imperium als modernisierte Kolonialherrenmacht entgegentritt, die jede Widersetzlichkeit mit Strafaktionen ahndet wie das Römische Reich seine Sklavenaufstände.“ (Sklavensprache und Revolte, Seite 315)
Der französische Philosoph Alain Badiou, unsern Lesern kein Unbekannter, wurde am 18./19 Dezember 2010 vom ND-Chefredakteur Jürgen Reents zum Kommunismus befragt. Die Antworten: Wieder bei Null anfangen … Keine Partei … keine der üblichen Organisationen … Kein Zurück zu sowjetischen Theorien/Praktiken … Marx ja, aber wir „geben auch den historischen Determinismus von Marx auf.“ Folgt der Satz: „Der Kapitalismus wird wohl noch recht lange bestehen.“ Das kann sein. Oder nicht. Ist jedenfalls schön gesagt. Den Fall behandelte ich im Nachwort 22: „Trotz –Trotzalledem – Trotzki“, wo von Luxemburg-Liebknecht-Trotzki nahtlos zu unseren französischen Dekonstruktivisten übergegangen und endlich Derrida aus der Distanz gewürdigt wird. Er hatte 1993 mit seinen in Spectres de Marx gesammelten Vorträgen zu neuer Marx-Lektüre aufgefordert, sodass die ideologische Polemik gegen die üblichen „Marx-Gespenster“ gegenstandslos wurde. Das Elend unserer Epoche beginnt mit der Verkennung von Marx durch seine Feinde wie seine Freunde, soweit sie Macht exekutieren können. Gleich ist der Marxismus im Eimer. Das heißt: Vom Marxismus zurück zu Marx und seiner Dekonstruktion von Kapital und Arbeit. Sein Revolutionskonzept aus dem 19. Jahrhundert verlor spätestens mit Lenins Tod und Stalins Sieg über Trotzki seinen Gebrauchswert. Trotzki sagte voraus, Stalins Sozialismus in einem Land werde die ganze Welt dagegen mobilisieren und die Sowjetunion nach Art der Münsteraner Wiedertäufer zur Wagenburgmentalität zwingen.
Was aber bleibt dann von Stalins Sieg über Hitler? Für die deutsche Rechte reichten Stalinorgel und T 34. Man stelle sich jedoch vor, die Weißen hätten die Roten einst besiegt und die alte Zarenherrschaft wieder etabliert. Die russischen zaristischen Armeen waren ab 1914 von Deutschland geschlagen worden, obwohl das Kaiserreich im Zweifrontenkrieg stand. Hitlers Wehrmacht hätte ein reaktiviertes Zaren-Russland gnadenlos vernichtet. Wer die Folgen einer nazistischen deutschen Weltherrschaft zu bedenken wagt, wird noch das kleinste Rotarmisten- oder T 34-Denkmal hochzuschätzen lernen.
Fünf starke Genossinnen mit gereckten Armen groß im Bild. Wer ist das? fragte ich. Den Bericht der jungen Welt von der Rosa-Luxemburg-Konferenz schmückte am 10.1.2011 das possierliche 5-Frauen-Foto. Links eine Betriebsratsvorsitzende Dornheim, mit Recht die Passivität der Kollegen beklagend, dann Claudia Spatz (Antifa-Linke Berlin), daneben Ulla Jelpke (MdB Die Linke), die jüngst in der jW unseren 1961 aus Westberlin in die DDR entführten Freund Heinz Brandt erwähnte, in dessen Familie übrigens ein illegitimer Sohn Erich Mielkes aufwuchs.
Als dritte ist die momentane DKP-Vorsitzende zu sehen, deren Partei von 40.000 Mitgliedern auf unter 4.000 abschmolz, und wenn ihr Ideologie-Professor Holz weiterhin Stalins geniale Bücher empfiehlt, werden es bald noch weniger sein. Als fünfte Genossin reckt Inge Viett als gepanzerte Jungfrau-Genossin von Orleans die steile Faust. Einst Bewegung 2. Juni . Danach lange Haftjahre. Sie verbüßte zwar ihre Strafe, doch darf mit ihr, so die mediale Bürgerweisheit, nicht gesprochen werden. Das war beim verurteilten Kriegsverbrecher Albert Speer natürlich anders, dem der Rechtsintellektuelle und FAZ-Herausgeber Joachim C. Fest beim legendenbildenden Bücherschreiben treu zur Seite stand. So ist es gute Sitte beim bourgeoisen Obernazi, bei kleinen Linken ist es pfui. Das wird Moral genannt.
Die Luxemburg-Konferenz war allerdings listigerweise als vorgezogener Karnevalsscherz geplant. Erstens ließ man Rosas Kampf- und Leidensgenossen Karl Liebknecht außen vor. Zweitens schickten die Herren junge Welt-Marxisten fünf Frauen an die Front, plus Gesine Lötzsch, die aber vor den Differenzen zurückschreckte, drittens funktionierte der Trick. Der losbrechende Aufruhr der status- und staatssichernden Kleingeister beweist den von Spengler und Sarrazin prophezeiten Untergang des Abendlandes. Es verendet an der faulenzerischen, analphabetischen Dummheit seiner so dreisten wie tristen Eliten.
„Was an Gregor Gysi stört, ist seine Vergangenheit“ lautete am 20.1.2011 der Eröffnungssatz zur ARD-Sendung Die Akte Gysi. Was da unter Dokumentation firmiert, ist eine Ansammlung obskurer Vermutungen, schräger Verdächtigungen und juristischer Spiegelfechtereien. Aus Angst vor Gysis rechtlichen Sanktionen hangeln die Ankläger sich von Ast zu Ast wie Affen im Urwald auf der Flucht vorm stärksten der Primaten. Die Linkswut richtet sich jedoch gegen einen kleingewachsenen linken Juden mit DDR-Vergangenheit, der den Rechtstrend stört und auch noch staatsbürgerliche Garantien in Anspruch zu nehmen wagt. Er jagt gar nicht kleine Affen, er wird gejagt von großen Amts-Affen, die ihm sein Menschenrecht auf DDR-Herkunft und rote Loyalität absprechen möchten. Eine Mandantin verübelt ihm seine Hilfe aus DDR-Haft ins englische Exil. Befreiung wird zum Delikt. Ein Wunder, dass sie bei ihrer Klage nicht wieder in tv-Tränen badete wie sonst üblich. Die Zeugen gegen den per Film Angeklagten, die vor Gericht als nicht verlässlich abgewiesen werden, erscheinen als miniaturisierte Gespenster. Der Jude und Delinquent wird nicht mehr verbrannt, doch vorveruteilt und in effigio verdammt.
Einer anderen Generation entstammend ist mir zumute wie beim Blick auf einen Ameisenhaufen. Das sind die Nachkommen – die schon vorher da waren. Gerade jetzt sendet dieser Dr.ricalb (Richard Albrecht) die Holzhaufenballade per E-mail ins Haus, die er fürs www eingerichtet hat. Der Hauptmann entkam, er ging in den Westen, man sagt, er sei noch einer der besten. Meine DDR ist nicht untergegangen. Sie entgleiste am 30. Januar 1957. Die Mutter der Freiheit heißt Revolution.
General Tschuikow und seine Garde eroberten Berlin
Roter Triumpf mit warmen Füßen
Im Berliner Bundestag, der im früheren Reichstag domiziliert, der 1933 ausbrannte, wird Gesine Lötzsch mit Vorwürfen zugeschüttet, weil sie Wege zum Kommunismus besprach und die blutigen, mörderischen Irrwege beschwieg, was rechte Abwehrfronten organisiert, die das Land, vormals Deutsches Reich, so linkenfrei sortierten, dass es Siege vom Himmel regnete und weltweit alle Volksgenossen heim ins Großdeutsche Reich Nazistischer Nation strebten, bis sich Marschall Tschuikows Armeen, die schon Stalingrad vom Aussatz befreiten, in ihren wärmenden Walenkis samt Stalinorgeln und T 34 auf den Weg machten, um die sowjetkommunistische Siegesfahne auf die Reichstagsruine zu pflanzen, sodass verschreckte christliche Mitglieder des Bundestages noch heutzutage einen argwöhnischen Blick hoch zur Kuppel werfen: Flattert da etwa erneut die rote Besiegerfahne? Keine Bange, ihr deutschen Heldennachfahren, die letzten aufgetauten Kommunisten wollen nur spielen. Sie müssten sich sonst bis in den tiefsten Seelengrund befragen, weshalb sie, die alles Weltrecht der Befreiung auf ihrer Seite hatten, so halt- und schamlos mit dem besoffenen Altkader Jelzin und dem Neo-Sozi Gorbatschow an der Spitze eine derart verheerende Pleite hinlegten. Da kann wohl, Genossen, mit eurem Kommunismus etwas nicht richtig funktioniert haben. Jetzt verstehe ich erst den Geschichtsjokus der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2011 – eine Karnevalssitzung sollte der West-Eliten Paranoia im blamablen Polit-Medien-Kollektiv hervorlocken. Die sind tatsächlich auf eure faden Witze hereingefallen. Ich schlage vor, beim nächsten Ehrenspaziergang an die Gräber von Luxemburg und Liebknecht wird auch am Gedenkstein für Stalins Opfer innegehalten. Die einen halten links und gedenken Trotzkis, die anderen halten rechts und bleiben Hitlers Kinder. Tertium non datur? Doch gibt es ein Drittes. Abfahrt in die Mussolini-Kurve. Von unten links nach rechts oben. Das kann ja heiter werden.
David North, US-Journalist, Chefredakteur der World Socialist Web Site und Autor des Buches Verteidigung Leo Trotzkis (Mehring Verlag), entwirft in Neues Deutschland am 28.12.2010 von Karlen Vesper befragt ein atemberaubendes Porträt des US-Kapitalismus inklusive „Wiederbelebung der Arbeiterbewegung“ und neuer „Klassenkämpfe“. Nerven hat der Mann: „Wir werden die Rückkehr der Geschichte erleben.“ Dabei ist er so ganz von heute, dass Karlen Vesper abschließend die gewünschte „vereinte Menschheit“ in eine „vernetzte Menschheit“ übersetzt, denn: „Die Weltrevolution kommt via Internet.“ (Wir bleiben zuhause)
Der zweite dreißigjährige Krieg begann 1914 mit den Schüssen in Sarajevo und endete 1945 mit dem Schuss Hitlers in die eigene Birne, dabei hätte der Bauchredner des deutschen Volkes der Symbolik wegen in seinen Bauch hinein abdrücken müssen. Unsere Geschichte ist von Kugeln durchsiebt. Die Konterrevolution begann im Januar 1919 mit den Todesschüssen auf Liebknecht und Luxemburg, ausgeführt von Prä-Nazis, angestiftet vom sozialdemokratischen Genossen Noske. Der letzte KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann wurde 1944 auf Befehl des Führers nach langjähriger Haft ins KZ Buchenwald gebracht und hinterrücks erschossen. Deutschland, ein Kugel-Land. Fast eine Million Juden wurde außerhalb der Vernichtungslager erschossen. Hitlers Kommissarbefehl, den die Wehrmacht angeblich nicht befolgte, zog 3.400 beweisbare Exekutionen nach sich und eine Dunkelziffer von „noch einmal mehreren Tausend Fällen.“ (Wolfram Wette in Die Zeit 15.1.2009)
Da ich dies notiere, sind die Medien beschäftigt mit einer aus der Gorch Fock-Takelage zu Tode gestürzten jungen Offiziersanwärterin und einem beim Freiheitskrieg am Hindukusch auf rätselhafte Weise per Kopfschuss gefällten Bundeswehr-Soldaten. Der sanfte Jürgen Todenhöfer rät am Sonntagabend, dem 23.1.2011 bei Anne Will, mit dem Schießen in Afghanistan endlich aufzuhören. Thomas Ostermeier, Intendant der Berliner Schaubühne und kriegsverweigernder Sohn eines BW-Feldwebels, macht so vernünftige Vorschläge, dass es dem kriegsbejahenden Matthias Matussek vom Spiegel vor flockiger Wut fast sein längst in den Orkus gerutschtes Hirn zerreißt. Eine Woche zuvor hatte der ebenso aus einer linken Familie zur neuen Rechtsfront gewechselte Spiegel-Journalist Fleischhauer kaltkriegerisch rumschwadroniert, bis Lafontaine ihm gelassen lächelnd die Luft rausließ, dass er platt war. Im Spiegel aber muss es ein Nest von Ernst-Jünger-Enkeln geben, was in der FAZ gewiss Eifersucht erregt, die allerdings noch die beiden SA-Männer Carl Schmitt und Martin Heidegger so gern wie oft präsentiert, mit denen wiederum Rudolf Augstein einst lange ehrfürchtige Spiegel-Gespräche führen durfte, ebenso mit Ernst Jünger.
Wie auch immer, Matussek erklärte Stalingrad und Vietnam zu alten Hüten, und Afghanistan ist ihm sein Herzens-Schlachtfeld. Angesichts so toller Talk-Heroen, die selbst in Asien per Kugel, Bombe und Drohne für Frieden sorgen lassen wollen, während es ihre schwächlichen Väter nur bis zur Wolga schafften, wird der Blick zurück in unsere DDR, die gar keinen Krieg führen konnte, ganz nostalgisch. Das muss verhindert werden. Dazu dient die Apartheidspolitik der Schwarzen gegen die Roten. Ganz wie von 1933 bis 1945 und unter Adenauer auch danach. Ein Deutschland ohne Linke, dafür kapitalstark in Wehr und Waffen, unser linker Albtraum generiert zum Wunschtraum der rechten Schreibtischfront mit ihrer unbezwingbaren Lust, andere ins Feuer zu schicken. Nachdem sie schon DDR samt SU besiegten, hält sie in ihrem Amoklauf sicherlich weder USA noch China mehr auf. Wie sagte doch Jean Ziegler: „Kapitalismus ist stiller Massenmord.“ Keine Angst, bald wird alles im universalen Knall enden.
Die Rosa-Luxemburg-Konferenz hatte jedoch außer der fetzigen, losen Karnevalssitzung über Wege zum Kommunismus eine exorbitante Rede des israelischen Historikers und Soziologen Moshe Zuckermann zu bieten, der resümierte: „Sollte es einen regionalen Krieg geben, bleibt … nicht sehr viel von Israel übrig, aber auch nicht sehr viel von den anderen Staaten in der Region …“ Diese möglicherweise letzte Warnung vor dem „Einsatz des Äußersten“ beunruhigte keinen der auf Lauer liegenden Medienhysteriker, die sich voll und ganz der Abwehrschlacht gegen den drohenden Kommunismus widmeten – deutsche Befindlichkeiten im Jahr 2011. Na dann gute Reise ins Jenseits von Apartheid und Nostalgie.
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
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- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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