Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Folge 78
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
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Die zweifache Lust
Gerhard Zwerenz
Die Lust am Sozialismus
Heinrich Heine Verlag
Frankfurt a.M 1969
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Friedrich Sieburg
Die Lust am Untergang
rororo-TB 1961
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Der sächsische König August der Starke war Souverän, Potentat, potent, Protzer, Playboy und ein früher 68er – alles in einer Person. Hielt es mit den Russen gegen die Schweden, pfiff auf den landeseigenen Protestantismus, wurde katholisch, den Polen zu gefallen, den Rest des Adels bestach er mit Geld und schönen Weibern, die er selbst soweit befreite, dass sie in sein breites Bett an der Elbe sanken, und wenn eine intrigant wurde wie die Gräfin Cosel gab es Festungshaft bis ans Lebensende. So widerrief der frühe 68er seine Liberalität ganz wie unsere 68er die ihre, als sie zu Ministern aufstiegen. August war märchenhaft lendenstark und zeugte, wer hat mitgezählt, vielhundert Kinder, wie das Volk bewundernd raunte als wär's aus Tausendundeinernacht, in Wirklichkeit waren es nur ein oder zwei Dutzend linker Hand, er liebte sie alle väterlich und erkannte seinen Nachwuchs königlich an. Heute ist die Hälfte der Ursachsen von königlichem Geblüt, nur die zugereisten Spätsachsen sind für die landesweiten schwarzen Sümpfe verantwortlich, aus denen sie stammen.
Soviel als Vorspruch für eine Erklärung in eigener Sache. Unsere liebenswürdige Heimatserie firmiert als sächsische Autobiographie in 99 Fragmenten, was sowohl das Land als auch den Landesflüchtling, also Landstreicher betrifft. Ohne bestimmte Absicht schrieb ich nach und nach ne Menge auf und ziehe es von Fall zu (Un-) Fall hervor. Von Gablenz, Crimmitschau, Chemnitz, Leipzig bis Dresden, Erzgebirge, Vogtland, von Pleiße, Mulde, Elbe bis Oder, Neiße und tausend Bächlein ist bisher alles vertreten. In konzentrischen Kreisen näherten wir uns dem faustischen Ort in Leipzigs Mitte. Es gibt zwei zentrale Stätten im Land: den Königshof als Märchenschloss an der Elbe und den Doppelpalast inmitten von Leipzig an der Pleiße, beidseits direkt anschließend – westwärts das seines Namens beraubte Dimitroffmuseum, ostwärts das noch nicht so benannte Bloch-Quadrat. Hier sind wir nachhaltig zuhause. Hier beginnt und endet der vielverleumdete Dritte Weg. Jüngst ist wieder aus dem Inneren der Behörde für gestrige und heutige Unwissenheiten zu vernehmen, ich hätte in den Folgen 68 und 69 dieser fröhlichen Serie doch nur Ulbrichts Genossen Graf und Prof. Kosing bestätigt, wonach Prof. Markow den Unwillen Blochs von 1956/57 konstatierte, von mir für den oppositionellen Dritten Weg in Anspruch genommen zu werden.
So simpel, werte Genossen, ist das nicht. Keineswegs verargte ich Markow seinen Disziplinierungsversuch, schließlich hatte er selbst Grund genug, als abgestempelter Titoist seine Obrigkeit zu fürchten. Bloch wiederum wollte ab Oktober 1956 durch Mäßigung dem aus Budapest verschwundenen Georg Lukács helfen. Allerdings blieb er nicht durchweg so zurückhaltend. Wissend, dass meine Post kontrolliert wurde, gar die Mitleser lustvoll konternd, schrieb er am 25.3.1957 einen Brief, den ich 2004 in Sklavensprache und Revolte in Auszügen zitierte, was zur Kenntnisnahme offenbar nicht ausreicht, also folgt hier, den partiellen Analphabetismus zu beheben, das vollständige Schreiben als Beitrag zur Geschichte des Briefverkehrs in der DDR der fünfziger Jahre:
Abschrift
Brief von Ernst Bloch an Gerhard Zwerenz
25. III. 57
Wilhelm-Wild-Str.8. Leipzig W 31
Lieber Herr Zwerenz,
etwas stimmt da nicht. Wir scheinen keine gut arbeitenden Zwischenträger zu haben. Prof. Mayer hat den von Ihnen angegebenen Rat nicht an mich gerichtet. Ich glaube im Gegenteil, dass Hans Mayer zu Ihnen rebus sic stantibus sympathisch steht.
Doch ist das alles ja offenbar halb so wichtig. Bei mir selber jedenfalls brauchen Sie nicht zu meinen, dass ich mich – weil mir seinerzeit der Witzton im Allerlei nicht gänzlich gefallen mochte und konnte – dass ich mich zu einer – wenig edlen – Distanz bequeme.
Von der Hacks- Kontroverse habe ich nur durch Kleine vor einigen Tagen etwas gehört.
Und sicher weiss ich nicht, was das alles mit Ihnen und mir, mit „gutem Onkel“ und mit dem „Ansehen Blochs“ zu tun haben soll.
Ich glaube, da ist eine gewisse verdinglichte Nervosität, und sobald wir wieder einen Tee zusammen trinken, stellt sich die Realität wieder her, die nicht nur aus Hundsfott und Honiglecker bestehende.
Ich beglückwünsche Sie, dass es nun zu einem Boden für belletristische Betätigung reicht. Und das Leben auf dem Land wird Ihnen tüchtig anschlagen. Aber bevor Sie weggehen, machen Sie mir das Vergnügen, Sie zu sehen und zu sprechen.
( s .oben)
Ihr Ihnen herzlich ergebener
Ernst Bloch
Hier ist schwarz auf weiß zu lesen, wie wenig exakt Ulbrichs Sekretär Herbert Graf die damalige Situation erfasst, wenn er vom „größten Unwillen“ Blochs schreibt, „von einigen aufgeregten Studenten à la Zwerenz als Kronzeuge“ der Opposition „auf den Schild gehoben“ zu werden.
Blochs Schreiben ging in leicht verschlüsselter Form auf einen leicht verschlüsselten Brief von mir ein, der offenbar nicht mehr aufzufinden ist. Da ich durch die Staatssicherheit vor weiteren Kontakten mit Bloch gewarnt worden war, machte ich von Blochs Einladung erst im Sommer Gebrauch.
Zu einigen Details: Die Kontroverse mit Hans Mayer schildere ich in Der Widerspruch. Blochs Missfallen am „Witzton“ bezieht sich auf meinen Artikel Leipziger Allerlei im Sonntag (21.10.56).
Gustav Just hatte mir einen Ratschlag von Bertolt Brecht übermittelt, den ich beherzigte. Die leichtere Machart missfiel Bloch jedoch als „Wiener Feuilleton“. Der wahre Grund für seinen Einwand erhellte sich erst später. Mit „Kleine“ ist der über lange Zeit hin repressierte Bloch-Schüler Lothar Kleine gemeint. Die „Hacks-Kontroverse“ resultiert wahrscheinlich aus einem geheimdienstlichen Zersetzungsversuch, wie Hacks Jahre darauf entschuldigend mitteilte. Karola Blochs Verweis auf meinen beabsichtigten Weggang Richtung Westdeutschland trifft zu. (Folge 68) Sie wusste nicht, dass ich auch Ernst Bloch gewarnt hatte – in Ostberlin kursierten Gerüchte über seine bevorstehende Verhaftung.
Übrigens fand mein letzter Besuch in der Wilhelm-Wild-Straße nicht „eines Morgens“ statt, sondern abends, als es an diesem Sommertag endlich dunkelte. Ich wollte mit meinem Zelt nach kurzem Zeit wieder verschwinden und im Wald schlafen, doch der vereinsamte Philosoph war so animiert wegen der Aussicht, statt ins Bett zu gehen, die Nacht im Gespräch zu verbringen, dass er Karolas Einwand, ich könne beobachtet worden sein, mit dem schlagenden Argument abwies: „Entweder sind sie ihm gefolgt und wissen sowieso Bescheid, oder es ist nicht an dem, in beiden Fällen kann er also im Hause bleiben.“ Man sieht, der Philosoph war in Leipzig an der Pleiße auf phantasievolle Weise widerspenstiger als später in Tübingen am Neckar, wo Walter Jens am Ende auch nichts anderes übrigblieb als den Hölderlin im Turm zu spielen.
Bloch bewies auch bei anderer Gelegenheit Stehvermögen. Einige Zeit vor dieser Nacht war er eigens nach Jena gereist, um sich bei Prof. Mende für dessen Assistenten Günter Zehm zu verwenden, der in ideologische Auseinandersetzungen geraten war. Mende erstattete einem MfS-Offizier Bericht über den Bloch-Besuch. In einem Brief, den Rainer Kirsch am 20.2.57 aus Jena an Heinz Kahlau nach Berlin schickte und von dem die Stasi eine Abschrift fertigte, heißt es zu diesen Vorgängen: „Lieber Heinz ... mein Freund Günter Zehm (der von Zwerenz im Leipziger Allerlei erwähnte Philosoph mit der beachtlichen Staatsexamensarbeit ...) wird am Montag aus der Partei ausgeschlossen werden, dann wahrscheinlich arbeitslos dasitzen. Letzte Versammlung ging schon um ihn. Prof. Mende tobte in ausgesprochen faschistischer Art ... Pogromstimmung ...“
Am 4.3.09 lief im RBB die Sendung Klipp und Klar mit Hauptdarsteller Schabowski, der einst die Mauer verteidigte und 1989 aus operativer Leseschwäche öffnete. Zwischendurch Widerstandstätigkeit als ND-Chefredakteur, der seine Zeitung ganz und gar unlesbar zu machen suchte und heute, zwanzig Jahre später, den Marxismus für so null, nichtig und diktatorisch erklärt, wie er ihn einst betrieben hatte. Im Schutze seiner permanenten Unwissenheit bekämpft er in Schulen, bei CDU-Tagungen und im Fernsehen den Kommunismus der Politbürokratie, der er als privilegierter Scharfmacher angehörte, bis ihm das brave Volk glaubte und durch die Mauer ging. Da staunte der brave Obergenosse – zum ersten Mal in seinem langen Parteileben hatte er die Wahrheit gesagt, wenn auch aus Versehen und schon änderte er damit die Welt wie die 11. Feuerbach-These es verlangte.
Neben dem versehentlichen Open the wall-Mann nutzte Florian Havemann das von der roten Diktatur befreite Berliner Leben in der tv-Runde und betrachtete den Ex-Politbürobullen mit lässiger Nachsicht, selbst wenn der dauerschwafelte. Flori, 1971 der DDR entlaufen und zu ihr auf Distanz gegangen, genoss die intime Nähe zum Tischnachbarn mit der Lust jener Unschuld, die den Günter S. in die dummdreisten Heftigkeiten der ehemaligen Funktionärsbande zurückfallen ließ, die er doch verbergen wollte. Am Tisch noch die Autorin und Liedtexterin Monika Ehrhardt-Lakomy, vormals SED, jetzt Die Linke, als deren Mitglied sie souverän und ganz nebenbei die diversen Dummheiten des langgedienten Politbürokraten erledigte. Außerdem gab's noch die tiefgläubige SPD in Gestalt des Stephan Hilsberg, der genau jene Klischees ablieferte, die ich ihn schon vor Unzeiten im Bonner Bundestag ausstoßen hörte. Das sind Folgen friedloser Konterrevolutionen.
1966 schrieb ich, mit Walter Ulbricht setze sich die Tradition der revolutionären Arbeiterbewegung fort, auch wenn es uns nicht gefalle. Sebastian Haffner stimmte mir ausdrücklich zu. Er hatte Hitler-Deutschland 1938 verlassen, ohne dazu gezwungen zu sein. Aus freien Stücken. Ich hatte sechs Jahre später Reich und Wehrmacht über die Front verlassen. In der Freiwilligkeit fühlte ich mich Haffner nahe. Es gibt Bündnisse freiheitlicher Verhaltensweisen und Lebensarten. Aus Scheu vor großen Worten liebe ich es ein paar Nummern kleiner, wo die Fakten überprüfbar sind. Unsereinem musste kein Antifaschismus „verordnet“ werden. Für mich war dann Chruschtschows Antistalin-Rede von 1956 der letzte Anlass für eine strukturell-revolutionäre Korrektur. Jetzt musste gehandelt werden. Wir waren viele in der Partei. Wer sich später disziplinieren ließ und/oder seine damaligen Haltungen und Hoffnungen vergaß, sollte sich an sein besseres Ich erinnern. Die DDR musste 1989 nicht untergehen. Unsere frühe 56er Bewegung bot eine Alternative an, in der kleinen Revolte der Intellektuellen wirkte der 17. Juni 1953 nach. Von Berlin bis Leipzig, nein von Leipzig bis Berlin entstanden Reformationsbedürfnisse als Vorahnung des chinesischen Modells, auch das ein Dritter Weg. Es fehlten bei uns nur die Revolutionäre, die klug und charakterstark durchhielten, um sich von Stalin so abzunabeln, wie die KP Chinas sich später von ihrem Mao abnabelte. Revolutionär statt konterrevolutionär. Bloch wie Georg Lukács wollten die Veränderung und zweifelten dennoch. War der 20. Parteitag der KPdSU hinreichend durchdacht? fragten Bloch und Markow den gerade von der Moskauer Universität nach Leipzig zurückkehrenden Helmut Seidel in der Hoffnung, am Ort des Geschehens könne einer mehr erfahren haben. Erschien ihnen der Vorgang zu diffus und untauglich zum Fanal, das benötigt wurde, von Stalin wieder zur Revolution zu gelangen?
Statt an der Pleiße oder Spree schrieb ich zwischen Rhein und Main die verlorene Lust am Sozialismus (1969) wieder herbei. Das war und ist eine Lust gegen den Untergang. Friedrich Sieburg hatte 1961 in Die Lust am Untergang behauptet, man werde um so weniger untergehen, je weniger man die Drohungen beachte. In kunstvolle Ironien und Melancholien eingeflochten, sollte das Vergnügen bereiten. Ich zitiere aus meiner Lust am Sozialismus die Einwände:
„Als Zeitdiagnostiker war Friedrich Sieburg, Friede seiner Tinte, bankrott wie seine ganze Klasse. Als Schriftsteller war er witzig, fintenreich bis geistreich und gehörte ins vorige Jahrhundert, wo er der Gebildetsten einer gewesen wäre. Für unser 20. Jahrhundert wusste er einfach zu wenig, wie seine Klasse. Immerhin ließ er sich im Rausch des Formulierens zu Eingeständnissen verführen. Kleine Kompromisse mit der Wahrheit erwuchsen manchmal dem allgemeinen bürgerlichen Ideologiegestrüpp. In seinen besten Stücken gelang ihm das Kunststück, die horrende Geistlosigkeit der Adenauer-Ära in Provokation zu verwandeln. Da wurde er beinahe liebenswert, denn er begann eine Wüste zu besiedeln. Nach seinem Tode blieb nichts zurück. Er war die beste Feder seiner Klasse. Sie kann sich Federn kaufen, wie wir sehen; doch Sieburgs Verteidigung der bürgerlichen Un- und Untergangsordnung entsprang seinem innersten Bedürfnis. So leidenschaftlich, flüssig und höchst unterhaltsam lügt seither keiner mehr.
Parallel zum Wort ›Leidenschaft‹ setzte Nietzsche das Wort ›Freudenschaft‹. ›Du legtest dein höchstes Ziel diesen Leidenschaften ans Herz: da wurden sie deine Tugenden und Freudenschaften.‹ Die bürgerliche Gesellschaft nahm die Wortfügung nicht an. Das liegt an ihrer Beschaffenheit; Freudenschaften wäre ein Wort für den Sozialismus.“
Die zuckersüße Provokation von der Lust am Sozialismus brachte der Frankfurter Heinrich-Heine-Verlag im Stil der Weltbühne mit Querflöte, Gift und Trommelschlag heraus. Ach ja, die Weltbühne von Tucholsky und Ossietzky war ein Dritter Weg in Form und Inhalt. Was, wenn die Deutschen sich statt für Hitler für Tucholsky und Ossietzky entschieden hätten? Stattdessen Sieburgs Lust am Untergang als Untergangslust. Lauter Akte im Tragödienstadl. Wie groß darf die nächste Blase sein? Welche Stärke soll die nach oben offene Katastrophenskala erreichen? Es riecht nach Ebert, Hindenburg und Adenauer.
Da ich nicht allein fürchtete, die DDR werde scheitern, die Bonner Republik aber den alten nationalen Holzweg beschreiten, fühlte ich mich als DDR-Flüchtling in der BRD zugleich als Botschafter meiner Genossen. Unsere Botschaft lautete: Gehen wir den Dritten Weg. Kaum hatte ich das angedeutet, läuteten die Alarmglocken der Geheimdienste. Was jetzt alles geschah, ist so unglaublich, dass ich die bisher ausgeblendete Tragikomödie doch einmal vorlegen muss. Denn heute erst scheint jener Dritte Weg, den damals alle als Hauptstraße zur Hölle bekämpften, der rettende Ausweg zu sein. Im Briefwechsel Enzensberger-Hacks taucht der Begriff Dritter Weg auf, weshalb Hacks sofort hysterisch blank zieht, ohne dass HME auch nur ein substantielles Argument dafür vorzubringen wusste. Papiertiger unter sich.
Hans-Ulrich Jörges, der im stern 4/2009 seine Kolumne „Auf dem dritten Weg“ nannte, was in Folge 68 dieser Serie von mir zitiert wurde, entwickelt im stern 11/ 2009 unter dem Titel „Kapital für alle“ seine Vorstellungen weiter. Motto: Macht jeden zum Millionär und alles wird gut. Nur wollen die Reichen da nicht mitmachen. Dafür kommt Jörges im stern 18/2009 erneut drauf zu sprechen, und Andrea Nahles schreibt in einem neuen Grundsatzpapier zum selben Thema. In Adenauers Projekt, Teil 6 der Spiegel-Serie 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland vom 2.3.09 ist der Dritte Weg so präsent wie die Worte Raketenlücke, Westbindung, Nuklearwaffen. Das bezeichnet die Lage nach 1945, die an die Weimarer Republik erinnert, als die 1918 begonnene Revolution versagt hatte und die Pazifisten der Weltbühne fortan eine Kultur und Politik des Dritten Weges verkörperten und unterlagen. Statt des Dritten Weges realisierte sich das Dritte Reich. Irrlichternd warnte die FAZ am 7.8.2003 auf Seite 1 per fettgedruckter Überschrift „Der dritte Weg“ vor ihm als dem gefürchteten absoluten Desaster. Wer das aufmerksam liest, begreift, das Dritte Reich war ein Kinderspiel verglichen mit dem drohenden Dritten Weg. Meinen die Verteidiger der Heuschrecken.
Soviel zur heutigen Krisenlage. Ein halbes Jahrhundert früher saß ich arglos am Ufer des Rheins, nicht ahnend, dass ich inzwischen mit meinem Loblied vom Dritten Weg unter die Wegelagerer von Ost und West geraten war. Von Walterchen Ulbricht bis Wehners Herbert, von Gehlen wie Nollau und Mielke bis Henri Nannen glühten die Drähte und Stirnfalten. Am 21. Juli 1961 erhielt ich gar ein freundliches Briefchen direkt von Rudolf Augstein: „Lieber Herr Zwerenz! Wenn Sie gelegentlich einmal im Hamburg sind, besuchen Sie mich dann? Ich hätte Sie gerne einmal kennengelernt, werde Sie auch gerne besuchen, wenn ich in Ihre Nähe komme. Vielleicht ergibt sich doch eine Zusammenarbeit, wenn nicht im SPIEGEL, dann außerhalb. Mit respektvollen Grüßen Ihr Rudolf Augstein“
Als ich das gelesen hatte, dachte ich, da musst du wohl irgendwo aus Versehen dein kleines Nachtlager zwischen den kalten Fronten aufgeschlagen haben. Dabei hatte ich ursprünglich nur in Leipzig leben, jedes zweite Jahr einen humoristischen Roman über die Sachsen und ab und zu in der Weltbühne einen satirischen Artikel über die deutschen Streithammel dichten wollen.
Das nächste Kapitel erscheint am Montag, den 11.05.2009.
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
- Einiges Land oder wem die Rache gehört
- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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