Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
Unter dem Titel Auf der Epochenschwelle steht in der jungen Welt vom 8. Juli 2010 zum 125. Ernst- In früheren Zeiten, als die stärkste der Parteien der Arbeiterklasse dem Antikommunismus- Dabei wollte ich's belassen. Doch mein Pseudonym Gert Gablenz will nicht schweigen. Zehm, sagt er, ist in der Tat der rechte Flügelmann unter den Bloch-Schülern. Steht alles in Kopf und Bauch, Frankfurt/M 1971, sag ich, Zwischenbericht, Seite 111 bis 152. Um das zu wissen, meint Gablenz, müsste der Professor mal etwas anderes lesen statt nur sich selbst und andere Klassiker, doch als Solipsist reproduziert er ständig seine eigenen Irrtümer und Missgriffe. Ich: Er präsentiert Hans Dietrich Sander ungescheut als Bloch-Schüler. Darauf Gablenz: Das war dieser Herr nun wahrlich nicht. Im Nachwort 32 hast du ja einen Artikel des Springer- Gablenz: Zuerst ein paar Sätze aus Sklavensprache und Revolte: Mitte der fünfziger Jahre tauchte der seiner Progressivität halber gerühmte Hans Heinz Holz aus Westdeutschland in Leipzig auf. Sein Wunsch, in die DDR überzusiedeln und an Blochs Philosophischem Institut zu arbeiten, wurde in der Parteiorganisation heftig diskutiert. Man befürchtete, mit Holz dringe westliche Dekadenz in die Republik ein. Bloch gab sich nicht gleich geschlagen. Da fand sich die Schrift eines westlichen Autors, der in der DDR gänzlich undenkbar war. Holz hatte viele Jahre früher ein Vorwort dazu geschrieben. Das genügte. Bloch sah ein, Holz würde nie in die DDR übersiedeln dürfen und wäre er ein Genie wie weiland Prof. Hegel. Also. blieben dem Doktor Holz genau jene politischen Verwicklungen erspart, die ihn später in der BRD bekümmerten, weil ihm die hiesigen Ideologie-Bürokraten nun seiner KP-Nähe wegen zusetzten. Mehr über den Fall Holz und seine Weiterungen steht in Folge 82. Hier ein Auszug: Edgar Most, vormaliger Vizepräsident der DDR-Staatsbank, der seine Karriere als Direktor und Vorstandsmitglied in der Deutschen Bank fortsetzen konnte, äußerte in der jungen Welt vom 2./3. Mai 2009: „Wir brauchen eine Marktwirtschaft, einen dritten Weg. Der Marktkapitalismus hat versagt, ebenso der Staatssozialismus. Markt und Staat müssen zum Wohle der Menschen zusammengebracht, der Dollar muss als Leitwährung abgeschafft werden. Wir brauchen eine fiktive Weltwährung.“ Am 11. Mai wurde Most in Neues Deutschland noch konkreter: „Es muss endlich ein Pakt Ost beschlossen werden, der für 40 Jahre gilt, egal wer regiert – eine Art zweites Grundgesetz für Ostdeutschland. Man hat sich mit der Wiedervereinigung gegen eine neue Verfassung entschieden. Es wurden nie die Vorteile Ost und West auf den Prüfstand gestellt und abgewogen. Die Bevölkerung ist nicht gefragt worden. Und damit haben wir auch nicht die mentale Einheit. Die Ostdeutschen fühlen sich über den Tisch gezogen. Es ist das eingetreten, was wir immer gelehrt bekommen haben: ›Das Sein bestimmt das Bewusstsein.‹ Wenn man keine Arbeit hat, keinen gefüllten Geldbeutel oder bei Sozialleistungen unterschiedlich behandelt wird, wie soll man dann das System befürworten? Ein System wird daran gemessen, wie viel Armut es versorgt oder zulässt. Das gilt auch für den Dritten Weg.“ Das konkrete Sofort-Programm von Most lautet: „Solidaritätszuschlag abschaffen, Stasi-Akten schließen, denunziatorische Geschichtsbilder zerreißen. Vor allem aber Steuermodelle speziell für den Osten, die nationales und internationales Kapital anlocken. Großbetriebe mit mehreren Standbeinen, auch in der Landwirtschaft, Erhöhung der Bildungs- und Forschungsausgaben, Rückholung der abgewanderten jungen Leute durch spezifische Anreizprogramme, finanzielle Absicherung kultureller Standorte etc. Dann kann der Osten sich selber nähren und wird gesamtgesellschaftlich zur Wertschöpfung beitragen. Und es kann endlich innerer, sozialer Frieden einkehren.“ In der jungen Welt hatte die nach dem chinesischen Dritten Weg klingende Forderung prompt zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. In einem ersten Leserbrief war Most ein „fundierter Fachmann“, im zweiten hieß es im üblichen Jargon: „Sein Gefasel vom ›dritten Weg‹ zeigt, dass er die ökonomische Basis der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht kennt, weil er sonst wüsste, dass an gesellschaftlichen Hauptproduktionsmitteln nur entweder privates oder gesellschaftliches Eigentum bestehen kann …“ Die braven Orthodoxen, welcher Glaubensrichtung auch immer, greifen automatisch zum großen Hammer. Dazu gibt's einen feinen Witz: Ein nach Bayern verpflanzter Berliner Steppke wird vom Lehrer gefragt: Was ist das? Es ist lockig, hüpft munter von Ast zu Ast und hat einen langen buschigen Schweif? Antwort: Ick hätt ja jedacht, es ist ein Eichhörnchen, doch wie ick den Betrieb hier kenne, wird's wohl das liebe Jesulein sein. Was dem einen sein Jesulein, ist dem anderen das Eigentum an den Produktionsmitteln. Dogmatiker aller Kirchen vereinigt euch. Im 3. Weg finden sie zueinander gegeneinander und gegeneinander zueinander. Hatte Heinrich Schwartze schon 1957 in Neues Deutschland vor der Illusion des Dritten Weges gewarnt, warnt 52 Jahre später der DKP-Theoretiker Hans Heinz Holz: „Einen dritten Weg zwischen Marx-Engelscher Dialektik und einer anderen Interpretation philosophischen Wissens gibt es nicht …“ Die Artikel-Überschrift lautet: Parteienkampf in der Philosophie.(junge Welt 13.5.2009) Tags darauf holt Genosse Prof. Holz noch einmal weit aus und behauptet so umfangreich wie unverdrossen die „Unmöglichkeit des dritten Wegs“, wobei er, einmal im teutonischen Elan, gleich den ihm zu idealistischen Königsberger Immanuel Kant mit erledigt.
Mein Pseudonym Gert Gablenz, einmal im Schwung, möchte die gesamte Folge 82 zitieren. Da spreche ich ein Machtwort. Wer Näheres zum 3. Weg wissen will, kann im poetenladen selber reinklicken. Hier die lustigen 3 Schluss-Sätze der Folge 82: … gestern durfte in der jungen Welt der marxistische Prof. Dr. Wolfgang Fritz Haug mit Fug und Recht dem marxistischen Prof. Hans Heinz Holz die Leviten lesen. Die Herren Genossen Akademiker werden doch nicht etwa auch noch den Moskauer 20. Parteitag der KPdSU von 1956 entdecken. Bei soviel Fortschritt wird einem ja ganz schwindelig. Laut jW-Anmerkung ist der Holz-Beitrag vom 9.7.2010 die überarbeitete Fassung des 1985 in der Schriftenreihe der Marx-Engels-Stiftung, Band 4, dokumentierten Vortrags Ernst Bloch – Denker der Zwischenwelten. Bloch gelangte demnach von 1985 aus den Zwischenwelten auf die Epochenschwelle von 2010 – die Jahre 1989/90 sind dabei verschwunden wie die vormaligen Holz-Einsichten vom Sperma der Blochschen Philosophie. Logos Spermatikos. Ernst Blochs Philosophie der unfertigen Welt, Luchterhand, 250 Seiten, Darmstadt/Neuwied – ein interessantes Buch, leider vom Verfasser in die Luft ejakuliert. Das ist ideologische Lüftlmalerei, und dieses scherzhafte Angebot steht hier aus Achtung vor dem früheren, jedenfalls vergangenen Marxisten Holz. Ein Wort noch zur Zeitung junge Welt, in der auch Artikel erscheinen, die wir jedenfalls nicht missen möchten, etwa Was war 1968 von Helmut Dahmer oder Ungezogene afghanische Kinder von Kurt Pätzold – beides erschienen am 12.7.2010, nennen wir als jüngstes Beispiel noch Otto Köhlers Doppelseite vom 13.7. über Christian Wulffs seltsame Haltung zu den von ihm favorisierten Schlesier-Treffen und Polen. Wir schalten zur jungen Welt vom 8. und 9.7. zurück, wo Holz seinen Antikommunismus-Vorwurf in einer Ulbricht-Apologie münden lässt. Demnach enthielt Ulbrichts „Rechenschaftsbericht an das 30. Plenum des ZK der SED … keinen einzigen direkten Vorwurf gegen Bloch“, auch werde „die gespannte Leipziger Lage nur mit einem kurzen Zitat aus dem Brief der Parteileitung der SED am Institut für Philosophie an Bloch erwähnt. Kurt Hager führte in seiner Diskussionsrede dann Beispiele für parteifeindliche Interventionen von Bloch-Schülern an und fuhr fort: ›Man fragt sich, was ist das für eine Philosophie, die derartige Resultate hat?‹ “ Ich weiß nicht, woher Prof.Holz seine Informationen bezieht. Als Prognostiker, der ich mitunter bin, beantwortete ich die Fragen zu Ulbricht, Bloch, Hager schon vor Jahren, so dass ich den Text nur dem Hausarchiv zu entnehmen brauche: Ein Brief Walter Ulbrichts und die Unsterblichkeit Ernst Blochs Inzwischen aufgefundenen Geheim-Akten sowie Unterlagen von Staat, Partei und Universität ist zu entnehmen, dass bis zum November 1956 nicht beabsichtigt war, Ernst Bloch zu repressieren. In unserem Archiv findet sich ein Brief Walter Ulbrichts an Paul Fröhlich, den 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig. Mit Datum vom 28.11.1956 wird vor ideologischen Einflüssen aus Polen und Ungarn gewarnt. Gleich zu Beginn ist Ernst Bloch genannt. Das Schreiben, im Ton gemäßigt, bezieht sich auf bereits übermittelte „Materialien“ und fordert zur ideologisch- Leipzig war alarmiert. Bereits am 15.12.1956 wurde ein umfangreicher „Bericht“ über Blochs Philosophisches Institut fertiggestellt, an dessen Erarbeitung sich Partei und Staatssicherheit beteiligten. Die Mischung aus Tatsachen und flüchtigen Fehlern wie schwerwiegenden Irrtümern gibt von jetzt an die Linie der Verfolgung für das ganze Jahr 1957 vor. Ulbrichts Hinweis so radikal wie möglich interpretierend, setzte Fröhlich den Philosophen wiederum an die Spitze der Verdächtigen, womit Bloch in allen Untersuchungen von vornherein zum Hauptbelasteten erklärt werden konnte. Auf dem geheimen 33. Plenum im Oktober 1957 behauptete Ulbricht, Bloch habe „konterrevolutionäre Stimmungen ... erzeugt. “ Auf eine nicht befriedigende Antwort Kurt Hagers folgte laut Protokoll ein Zuruf, der wahrscheinlich auch von Ulbricht stammt: „Er hatte doch seinen Plan für die Konterrevolution.“ (Zitiert nach der Beilage zu Das Parlament vom 18.12.1957) Der verschärfte Vorwurf ist durch die streng vertraulichen, dem SED-Plenum vorliegenden Informationen nicht völlig gedeckt. Auch wird unterschieden zwischen „A. Die staats- und parteifeindliche Gruppierung Harich-Janka“ und „B. Ideologische Bastionen feindlicher Art“, worunter Bloch und seine Schüler gerechnet werden, was darauf deutet, dass Ulbrichts Bemerkung über einen konterrevolutionären Plan Blochs nicht strafrechtlich, sondern im ideologischen Sinne gemeint war. Der Berliner Zeitgeschichtler Prof. Siegfried Prokop schrieb mir am 29.3.2001 über das 33. Plenum: „In der Diskussion mussten Becher, Bredel, Dahlem und Hager Selbstkritik üben. Sie hatten aus der Sicht Ulbrichts alle eine falsche Position zu der konterrevolutionären Gruppenbildung Blochs.“ Im Laufe des Jahres 1957 entwickelte Ulbricht sich vom zurückhaltenden Bloch-Gegner zum radikalen Feind. Abgesehen von subjektiven Gründen sind dafür zwei andere Faktoren bestimmend. Erst die gezielte Zuarbeit durch die Leipziger Parteiführung ermöglichte es, Bloch zum Hauptfeind aufzubauen. Damit sah Ulbricht sich imstande, seine Berliner Widersacher in Politbüro wie ZK zu bedrängen und anzugreifen. Die von Siegfried Prokop genannten Personen können durch weitere Betroffene ergänzt werden. Das 33. Plenum im Oktober 1957 festigte Ulbrichts Position durch Schwächung seiner Gegner. Dabei war bisher unbekannt, dass Ulbrichts Brief vom 28.11.56 sich nicht nur gegen Bloch richtete, sondern auch gegen Johannes R. Becher. Laut Aktennotiz des MfS vom 26.11.56 signalisierte „die KP May“, dass „von Seiten des Kulturministers Genosse J. R. Becher veranlasst wurde, dass am 27.11.1956 im Haus der Wissenschaften Leipzig C1, Dimitroffstr. eine Aussprache von Intelligenzlern stattfindet. Genosse J.R. Becher spricht zu dem Thema ›Aktuelle kultur-politische Fragen.‹ Der Kulturbund des Bezirkes Leipzig wurde verantwortlich gemacht, ca. 60 – 80 Personen einzuladen. Zu den eingeladenen Personen gehören Generalintendanten, Direktoren der Hochschulen u.a. Besonderen Wert legt Genosse Becher auf den Zwerenz-Kreis und den Schriftsteller Loest. Besondere Einladungen werden zu dieser Aussprache nicht verschickt. Alle Personen werden fernmündlich geladen. Genosse Wagner, Siegfried – Bezirksleitung der SED Leipzig, wurde ebenfalls eingeladen.“ Ein Vergleich der Daten ergibt: Becher signalisiert am 26.11.56 von Berlin aus seinen plötzlichen Besuch für den nächsten Tag in Leipzig. Das beabsichtigte Treffen wird vor Ort hintertrieben, der Kulturminister fährt enttäuscht am Morgen des 28.11. nach Berlin zurück. Am selben Tag richtet Ulbricht seinen Brief an den Leipziger Bezirkssekretär, durch den der Konflikt mit Bloch eskaliert. Becher muss auf dem 33. Plenum für seine Verständigungsversuche vom Vorjahr zusammen mit Hager, Dahlem und Bredel Asche auf sein Haupt streuen. Die endgültige Abrechnung mit Bloch erfolgte noch im Dezember auf der Ebene des Kulturbundes.
Der Leserbrief blieb ohne Antwort. Wir haben verstanden: 1957 beschuldigte Walter Ulbricht den Philosophen der Konterrevolution im Osten, 1980 sah Joachim Fest, damals FAZ-Mitherausgeber, den Denker im Westen revolutionäre Unruhe verbreiten. So zweifach bescheinigt ist die Unsterblichkeit des ewigen Ketzers und konterrevolutionären Revolutionärs Ernst Bloch gewiss. Soweit unsere Reaktion auf die Löcher im Wissen eines „der deutschen Universalgelehrten“ (siehe Wikipedia) Holz, insofern es die DDR-Geschichte von Ulbricht bis Bloch angeht. Es kann jederzeit mehr dazu geliefert werden. Die vom FAZ-Herausgeber manifestierte Unkenntnis, Bloch betreffend, scheint sich übrigens im Blatt genetisch fortzusetzen. Fest-Nachfolger Frank Schirrmacher beleitartikelte am 10.10.2007 Bloch als „Mystiker, der leider ins rote Prophetentum abglitt.“ Wir kehren vom schreckhaften Bürgerfeuilletonisten zum KP-Philosophen zurück. Im Dezember 2009 lieferte Holz einen Text, der im KomInform so eingeleitet wird:
Hans Heinz Holz über Stalin
21.12.2009, 02:39 Beitrag von: Anonymous
In beiliegendem Artikel behandelt der berühmte marxistische Philosoph Hans Heinz Holz Leben und Werk Stalins, fern der apologetischen Verehrung, aber auch der Dämonisierung und Verteufelung, wie es heutzutage in Kreisen der „modernen Konjunkturlinken“ gar so schick ist, aber weder den historischen Tatsachen, noch einer marxistischen Analyse gerecht wird. Ob man nun Kommunist, Ex-Kommunist, Antikommunist oder nur wissensdurstig ist, die drei Seiten zum Stalin-Geburtstag wollen gewürdigt sein. In strenger Objektivität selbstverständlich, dekonstruktiv eben, wie es die Meisterdenker lehrten. Diesen Spaß behalten wir uns fürs nächste Nachwort vor. Jedenfalls nähern wir uns in konzentrischen Kreisen dem Leipziger Bloch-Quadrat mit dem vormaligen Dimitroffplatz an der Pleiße und Auerbachs Keller, wo unser Stück spielt, dessen Weltenbürger- Dieser Tage parlierte unsere polyglotte Reisekanzlerin munter po russki mit Medwedew und Putin zwecks Wirtschaftsbeziehungen. Ende der dreißiger Jahre gab es sowas schon mal, bis es 1941 anders kam. Unsere NATO-Spitzen begründen die Wehrpflicht mit dem Verweis auf Georgiens Aufnahme ins Bündnis und seine Bedrohung durch Russland. Mal sehen, wie diesmal im Reichstag entschieden wird. Ein weiteres Nachwort ist für Montag, den 26.07.2010, geplant.
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Gerhard Zwerenz
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