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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 50. Nachwort
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
50. Nachwort |
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Leipzig am Meer 2013
Nicht Bach, sondern Meer müsste er heißen, sagte Beethoven über den Thomaskantor an der Pleiße. Wie kommt die Pleiße nach Leipzig? Wie kommt Leipzig ans Meer? Warum sollte das Land eine Linke benötigen, wenn Leipzig keine braucht? Bereits im 1. Weltkrieg bereitete sie nur Ärger. Erst gegen den Krieg hetzen, dann auch noch Revolution machen. Ihre Spitzenpolitiker wurden erledigt, die Parteien 1933 verboten. Im 2. Weltkrieg gab es schon wieder welche. Danach hagelte es Verbote für die Linken im Westen und im Osten verfolgten sie einander, bis sie nichts mehr zu sagen hatten. Der einzelne Linke ist jedes Linken Feind. Sie brauchen eine Arche Noah, wo alle miteinander auskommen müssen, um gerettet zu werden. Gebt mir einen Berg Ararat! Hoffnung blauer Vogel! Was soll denen ein Berg. Wo sie landen, ist immer das unter goldener Abendsonne im Meer versinkende Atlantis.
Soweit die Kurzfassung von 99 Folgen und 49 Nachworten, die den ganzen Roman für Auerbachs Keller spielbar macht. Es treten alle 777 namentlich bekannten Personen verkürzt zu Übermenschen auf, immer 12 Stück als 1 Schauspieler. Die Namen der Helden lassen wir manchmal aus Platzgründen weg. Als erstes treten die 3 toten Stalingrader auf, die wir aus Nachwort 40,41 und 44 kennen. Der Verhungerte sieht fast gut genährt aus. Der Erschossene ist vergnügt. Der Erschießende macht einen nicht nachdenklichen Eindruck.
Sie begleiteten Minister zu Guttenberg an die Front nach Afghanistan. So einen Krieg möchten wir auch haben. Ob die Bundeswehr uns nimmt? Habt ihr den KT gefragt? Was will ich mit drei mürben Skeletten? Wenn wir am Hindukusch fielen wären wir zweimal tot. Hält doppelt nicht besser? In Stalingrad gab's 1,50 Reichsmark pro Tag, in Kundus wird mit täglich 110 Euro gelöhnt. Mit dem Tod fürs EURO-Land, Leute, wird's schwierig. Er findet selten statt. Ein Wochenende auf der Autobahn bringt mehr, da fällt nur kein Name auf dem Ehrenmal an. Ein Trauerspiel. Und ungerecht. Ist die Würde des Toten teilbar?
Dass ich die DDR 1957 verlassen musste, weil ich keine Lust hatte, Unehrenbürger in Bautzen zu werden, hindert mich nicht, den Verlust der DDR für ein historisches Unglück zu halten. Das Land war in der Folge von Chruschtschows Rede im Februar 1956 auf dem 20. Parteitag in Moskau veränderbar. Jedenfalls bis zum 28. November, als Walter Ulbricht beschloss, Ernst Bloch zu privatisieren. Blochs Philosophie und die Ökonomie von Fritz Behrens wiesen den eigenen 3. Weg. Die DDR-Repression verhinderte die Ökonomie von Behrens und verfremdete Blochs Philosophie zur Geheimlehre. Soweit mein Kurzmonolog zum Märchen Es war einmal.
Ein Geheimdienst, nimmt man an, informiert seine Regierung über Gefahren.1988 war ich mir sicher, die DDR stand vor ihrem Ende. Da ich das nicht wollte und immer noch auf einen kleinen Rest Reformpolitik hoffte, warnte ich auf allen mir verfügbaren Kanälen vor dem nahenden Desaster. Nach dem DDR-Finale zeigt sich, das MfS hatte meine gedruckten und gesendeten Warnungen fleißig gesammelt und auch meine Briefe an mir bekannte DDR-Adressen zur Kenntnis genommen. Wie ein Blick in die Papiere zeigt, der Geheimdienst funktionierte zwar, doch die Zentrale von Staat, Partei und Diensten erwies sich als handlungsunfähig. An diese Fakten muss ich denken, wenn Scholl-Latour, seine lebenslangen internationalen Erfahrungen nutzend, den Untergang des weißen Mannes prognostiziert. Der Ost- Untergang als Vorspiel des West-Untergangs. Das Märchen von Hans im Glück bietet unser Schlüsselwort. Die schöne Unfähigkeit, zu behalten, was man hat, weil es immer mehr sein soll, führt zum Verlust des Ganzen. Da aber liegt die Differenz. Der gute Hans ist mit seinem Verlust glücklich. Unsere Hänse aber verlieren all ihr Glück beim Tanz ums Goldene Kalb. Und wären sie so christlich wie sie vorgeben, wüssten sie, dass ihr Gott sie vernichtet, wie es ihre Bibel weissagt.
Fette Schlagzeile Seite 1 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 21.11.2010: „Polizei rüstet sich für Anschlag“, gemeint ist ja wohl gegen Anschlag – doch ob für oder gegen, Hauptsache ist: „Terrorgefahr wie noch nie – Reichstag als Ziel?“ 1933 waren es Kommunisten, 2010 sind es Islamisten. Es sind immer Untote, die uns als Rachegeister beunruhigen. Würden die Kommunisten ihre ermordeten Widerständler zu Märtyrern erklären, müssten sie in Deutschland viele Kirchen und Kapellen errichten, an sie zu erinnern. Die Christen aber gerieten für die Zeit von 1933 – 1945 in Bedrängnis. Die Konservativen wiederum beschuldigen seit jeher die linken Opfer, eine zweite Diktatur angestrebt zu haben, und sie gedenken der eigenen erstdiktatorischen Väter mit Nachsicht, sich selbst im Nachhinein eine jüdisch-christliche Tradition anlügend, die den fließenden Übergang vom Täter zum Opfer konstituiert. Auf die Frage, was die Buchstaben DDR bedeuteten, antwortete eine West-Abiturientin flott: Das Dritte Reich. Die Methode entbehrt nicht elitärer Vorbilder. Für Generalmajor Jürgen Reichard, den vormaligen Heeresamtschef der Bundeswehr hatte der Geist der deutschen Fallschirmjäger seine „tiefsten Wurzeln in unserer deutschen Militärgeschichte, in unserer abendländischen Kultur und in unserer christlichen Ethik ...“ Und noch eins drauf: „Das ist der Segen der Tradition.“ Die mahnte Arnulf Baring an: „Der erforderliche Wandel im Denken und Verhalten der deutschen Soldaten wird zugleich uns allen die Frage stellen, welche Werte, welche Lebensformen uns wirklich so wichtig sind, dass wir für sie notfalls zu sterben, andere in den Tod zu schicken bereit sind“ (Europäische Sicherheit 1/96).
Da war die tüchtige FAZ schon einen Schritt weiter, als sie am 8. 2. 1991 einen Artikel der rasanten Philosophin Dr. Barbara Zehnpfennig druckte, in dem gefragt wurde: „Was macht eigentlich das Leben so lebenswert, warum soll man es unter allen Umstanden erhalten?“ Ja, warum wohl, du christliches Abendlandjuwel?
Der Westtradition, sich eine bessere Vergangenheit als die Hitlersche anzuschwindeln, entspricht trotz aller Ungleichzeitigkeit die östliche Last mit Stalin, dem laut Brecht Verdienten Mörder des Volkes. Der Blochsche Rechtsaußen Günter Zehm warf dem Philosophen einst in einem Welt-Artikel vor, in Tübingen nicht konsequent genug gewesen zu sein. Zehm vermisste den von ihm betriebenen Springerschen Anti-Marxismus. Tatsächlich blieb Bloch im Westen unter seinen Möglichkeiten. Das liegt an der Konsequenz, mit der Georg Lukàcs und er von Beginn an auf ihren marxistischen Linkskurs gegangen waren. Lukàcs versuchte es innerhalb der kommunistischen Parteien, Bloch von außerhalb. Der Ausstieg zog sich bis 1956/57 hin, sie wollten halt beileibe keine Renegaten sein.
Das ist eine Geschichte von Sachsen mit Leipzig und der Pleiße als Zentrum, wie sie nirgendwo aufgezeichnet wird und wie sie nicht vorhanden wäre ohne meine fatale Neigung, dasjenige aufzuschreiben, was die zeitgenössischen Übermenschen nicht notiert und nicht wahrgenommen haben möchten. In Leipzig zum Beispiel wollen selbst die klügsten Köpfe nicht kapieren, was es mit diesem Bloch auf sich hatte und hat. Die ihn gern zitieren, sind auch nicht hinreichend ausgestattet. Wir verweisen auf Nachwort 39, wo unter dem Titel Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel zu lesen ist: Blochs These, der Mensch sei erst noch im Werden begriffen, richtet sich gegen Nietzsches Satz: Der Mensch ist etwas, das überwunden werden muss. Der Bomberpilot und die Bomberpilotin überwinden den Menschen in sich, wenn sie den Tod verbreiten. Steinigung ist ein exorbitant scheußliches Verbrechen unterm Deckmantel islamischer Gesetzestreue. Der mit christlichen Bomben abgeworfene Tod ist potenzierte Steinigung. Foucaults Gedanke, die Philosophie auf eine „Frage des Subjekts in der Politik“ zu konzentrieren enthält, was Foucault nicht wissen konnte, die Erkenntnis der Marxbrüder Lukács und Bloch, die in ihrer Heidelberger Zeit vor 1914 auf Marx setzten und im Prozess dieser Kehre doch differierten. Lukács wurde direkt in der kommunistischen Bewegung aktiv, Bloch auf Distanz. Beiden ging es um ihre Philosophie des Subjekts in Politik und Geschichte. Beide scheiterten an Stalin, der die Subjekte zu Objekten seiner Mordlustlisten machte.
Im Nachwort 39 zogen wir mit dem Monolog des Genossen Ulbricht die daraus resultierenden logischen und poetischen Konsequenzen: Odysseus ließ sich, um den Gesängen der Sirenen nicht zu verfallen, an den Schiffsmast binden. Die Fahrt durch die Meerenge von Messina führte zwischen Scylla und Charybdis hindurch. Um nicht mit der gesamten Mannschaft unterzugehen, steuerte er auf nahe Distanz an Scylla heran und vorbei. Das Seeungeheuer verschlang sechs Mann. Die anderen überlebten.
So der Genosse Walter aus Leipzig, der Hitler entkam, indem er zu Stalin steuerte und Stalin entkam, indem er einen Teil seiner Mannschaft opferte. Ulbricht legte am 28.11.1956 den Rückwärtsgang ein, um auf gleiche Höhe mit Adenauer zu gelangen. Immer zwischen Scylla und Charybdis hindurch bis zur letzten Insel, wo heilige Rinder weiden und die Götter darauf warten, beleidigt zu sein. Will Faust vorwärts, Mephisto zurück?
Soweit der Ulbricht-Mythos. Am 9.11.2009 fand sich in der jungen Welt eine Überschrift: Immer Erdbeeren. Zugrunde lag eine Ulbricht-Rede aus dem Jahr 1961:
„Unser Tisch soll mit dem Besten gedeckt werden, was die Natur zu bieten hat: hochwertige Fleisch- und Milchprodukte. Edelgemüse und beste Obstsorten, früheste Erdbeeren und Tomaten zu einer Zeit, da sie auf unseren Feldern noch nicht reifen. Weintrauben im Winter, nicht nur zur Zeit der großen Schwemme. Als Sozialisten sind wir uns darüber klar, dass im sozialistischen Lager bis 1965 ein Überfluss an Lebensmitteln erreicht werden soll. Was da auf den Handel zukommt, diese immer mächtiger anschwellende Woge von Lebens- und Genussmitteln aus aller Herren Länder, von Kleidern und Schuhen, von wundervollen neuwertigen Stoffen, von Küchen- und Waschmaschinen, Autos, von Kunstgewerbe und Schmuck, von Fotoapparaten und Sportgeräten!“ Frommer Wunsch eines Unfrommen.
Walter Ulbricht nach seiner Absetzung:
Aber meine Weintrauben kriege ich doch weiter?
Als der Staatsratsvorsitzende 1971 von Honecker abgelöst wurde, soll er am nächsten Morgen gesagt haben: Aber meine frischen Weintrauben krieg ich doch noch jeden Vormittag … Nach anderen Quellen ging es um Erdbeeren. Ebensowenig verbürgt, aber vorstellbar ist die Kunde vom einsichtigen Walter, der einräumte: Hätten wir gewusst, wie schwer es ist, den Sozialismus aufzubauen, hätten wir damit gar nicht erst angefangen … Ein Sachse wurde nüchtern.
Bei den kleinen Mythen dürfen die Klassiker nicht fehlen. In Die Antworten des Herrn Z. (Dingsda Verlag 1997) heißt es: Als der reale Sozialismus so irreal geworden war, dass er verging, kehrte der exilierte Marx aus der Fremde zurück und besichtigte in Chemnitz, vormals Karl-Marx-Stadt, seinen mächtigen, steinernen Kopf.
Wie geht's? fragte Marx seinen Kopf.
Ich überdauere, antwortete der Stein.
Als Jesus anno 1997 den Dom zu Köln betrat, erbleichte er und musste sich übergeben. Man besprengte ihn fürsorglich mit Weihwasser. Zufällig zog eine Prozession kirchlicher Fürsten vorüber, der Kardinal im prächtigen Gewande voran.
Mein Gott, entfuhr es dem blassen Jesulein, wie viele muss ich noch christianisieren, und es ist doch schon so spät.
Da ich einmal Marx und Jesus bemühte, nehme ich mir die Freiheit, Karl den Großen aus Trier noch weiter zu strapazieren: Da ich keine Religion stiftete, sollt ihr nicht Gläubige sein, sagte Marx zu den unentwegt Ehrfürchtigen, die ihn anbeteten und das Heil von seinen Worten erwarteten. Wenn ihr alle unsere Erkenntnisse vergesst und verleugnet, seid ihr nur intellektuelles Lumpenproletariat, sagte Marx zu den Chamäleons, die daraufhin, den neuen Herren zu gefallen, die Schwärze der tiefsten Nacht annahmen.
Zu einigen Genossen, die sich ostentativ weigerten, den neuen Westglauben annehmend, sich mit dem Öl aus den Sozialwirtschaftsmärkten taufen zu lassen, sagte Marx: Als ihr hier herrschtet, konnte ich nicht atmen unter euch. Es könnte jedoch sein, es bleiben, da ihr als Mächtige vergangen, einige gute Erinnerungen an eure Zeiten.
Der große WU, wie wir intern den gewieften Walter Ulbricht nannten, zögerte im Jahr 1956 bis zum 28.11. und entschied sich dann mit dem Kurs gegen Bloch für den taktischen Rückschritt zu Stalin, obwohl er's besser wusste. Der kleine Walter saß im großen Staatsmann WU und gab seinem Stalin-Trauma freie Fahrt. Über Bord gehen oder andere über Bord gehen lassen. Vor der Mauer von 1961 stand die Mauer von 1956/57. Mit der Wende gegen Bloch rettete WU seine Macht im Politbüro und signalisierte, Partei und Staat entledigen sich intellektueller Potentialität ohne Rücksicht auf Volksfront-Begleitung.
Gedicht mit Anmerkungen vom Kultur-Sekretär Siegfried Wagner | Zoom per Klick
Als ich am 30.1.1957 in der Leipziger Kongresshalle auf Siegfried Wagners Polemik gegen mein Freiheitsgedicht, aus dem er zitierte, mit dem Vorlesen aller Strophen reagierte, lag die Entscheidung beim Publikum, den versammelten, teils mit Bussen aus dem Land herangekarrten Kulturarbeitern. Es herrschte Schweigen, am Ende Schlussapplaus für die Partei und ihren erneuerten Rückwärtskurs. Später wurde mir heimlich Wagners Redemanuskript zugespielt. Es besteht aus der Zeitungsseite mit dem Gedicht samt Wagners Anmerkungen und enthält in aller Kürze das Kernprogramm unserer Differenzen. Die Kongresshallen-Szene schilderte ich erstmals 1974 in Der Widerspruch, erschienen bei S. Fischer, Frankfurt/Main, 1991 legte der Aufbau-Verlag mit einer TB-Ausgabe nach. Nie wurde ich darauf angesprochen. Das gesamte 5-Punkte-Programm des Jahres 1957 gegen Bloch soll vergessen sein. Der Westen hat keine Ahnung, der Osten will keine haben.
Blochs Sprache entstand aus dem Expressionismus als die ganz andere Artikulation und als Weigerung, den Duktus der Feinde, dieser Weltkrieger des 20. Jahrhunderts widerstandslos anzunehmen. In der Klassengesellschaft sitzt das kommandierende Gesindel oben, und unten beten sie ihr Kreuz an, bevor sie auf Befehl schießen und bomben. In den Politbüros aber gefiel die linke Naivität sich zuletzt in Paraphrasen. Aus Theorie wurde Ideologie. Aus Revolution Verlegenheit. Der große WU schaltete 1956 so auf die östliche Vergangenheit zurück, dass sein Land bis zum bitteren Ende noch 33 Jahre brauchte. Die westlichen Gegenspieler nutzten die Zeit zur Festigung ihrer Macht.
Sie ist auf Sand gebaut. Im Kampf gegen die östliche Alternative siegten sie gedankenlos bis zur eigenen Alternativlosigkeit. Das spricht sich langsam herum.
FAZ-Wirtschaftsteil 22.11.2010: „Die Staaten als Geiseln der Banken – Rettet uns! Sonst reißen wir euch mit in den Abgrund!“ Sonst was? Die Ökonomie ist nur ein Sonderfall von Existenzverlust.
Generalfeldmarschall Hindenburg mit Soldaten
Bei Arte wagte vor kurzer Zeit ein noch unangepasster Historiker die historische Hindenburglinie zu ziehen. 1866 bei Preußens Sieg über Österreich war Paul H. Leutnant. 1871 stand er als Major im Versailler Spiegelsaal Spalier zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs.1914/15 besiegte Paul H. als Feldmarschall die Russen bei Tannenberg und 1933 übergab er Hitler die Macht. Hindenburgs Geist überlebte 1945 unter den Durchhalteoffizieren und ihrem traditionellen Tross.
Mit der Delegitimierung von Bloch und Lukács verlor die DDR 1957 die intellektuellen Energien einer inneren Alternative. Der Verlust machte die Partei kopflos. Ihr Staatsleichnam täuschte bis 1989 noch Leben vor. Der Restbestand ließ sich 1990 entmachten und zum Unrechtsgebilde erklären.
Die braven letzten Linken finden sich mit ihrem Schattendasein ab. Es fehlt an Courage zur Selbstbefreiung. Statt die revolutionäre Tragödie zu erkennen und zu benennen wird kleinlaut und kleinlich gebuckelt vor Hitlers Generälen und Leutnanten samt Nachfolgern bis ins dritte und vierte Glied. Die Sieger aber kehren arg- und geistlos zum bauern- und judenfeindlichen Luther zurück und die Kohlschwarzen erbitten vom Papst Erlaubnis zum Kondomgebrauch. Die einen blasen den Gummi auf, bis er platzt, die andern ziehen ihn als Zipfelmütze übern Kopf.
Diese liebenswürdigen Sätze zählen zur Regieanweisung fürs Theater in Auerbachs Keller. Der Kriegsminister von und zu ist schon da, von ca. 180.000 Blei-und Zinnsoldaten umgeben. Türsteher Kafka kann sich des Lachens nicht erwehren. Vom Papst wird bekannt, Kondome sind nur für seltene Fälle freigegeben. Das klingt wie seltene Erden. Auf denen sitzt China, das die Ausfuhr beschränkt. Die Sicherheit von Export und Import sowie der internationalen Verkehrswege aber ist NATO-Aufgabe. Inmitten seiner versammelten Generäle hält Minister K.T. Kriegsrat. Es geht gegen die gelbe Gefahr, die eine rote Gefahr ist. Kafka zwischen zwei Lach-Anfällen: Krieg entsteht aus einem Mangel an Phantasie. Und Kafka, auf den Minister weisend: Ist das euer neuer Paul von Hindenburg? Wenn ja, dann schließt die Tore, bevor es zu spät ist.
In stern.de vom 3.10.2010 mault ein aufgeweckter Holger Witzel: „Erst Heldenstadt, dann angeblich Boomtown – inzwischen ist Leipzig nur noch Hauptstadt der Armut. Aus der friedlichen Revolution ist ein Opernball für Zugezogene geworden.“ Nicht nur Leipzig, ganz Sachsen hat Besseres verdient und bleibt unter seinen Möglichkeiten. Das ist natürlich nur meine unschuldige und ganz individuelle Meinung. So quer dachte ich schon im Dritten Reich und ging, weil's keiner wissen wollte, davon. So dachte ich auch von der DDR, in der ich gern geblieben wäre, nur begriff die Herrschaft sich als U-Boot auf Tauchfahrt ohne aufzutauchen. 1989/90 fragte ich mich: Was wird wohl aus der friedlichen Revolution werden? Holger Witzel gibt Bescheid: „Arme Leipziger Helden.“ Und dann: „In einer aktuellen Vergleichsstudie des Statistischen Bundesamtes hat Leipzig sogar Berlin von Platz 1 verdrängt und kann sich seit Juni ganz offiziell die ärmste Großstadt Deutschlands nennen.“ Als Altsachse vom Pleißenstrand reagiere ich ein wenig ungläubig. Was ist mit Land und Stadt los? Als wir vor längerer Zeit vorschlugen, die Leipziger Universität oder ein Institut nach Ernst Bloch zu benennen, erwiderte man uns, das sei für die Studenten und ihre späteren Berufsaussichten nicht förderlich. Die Folge 2 dieser Serie trägt den Titel: „Wird Sachsen bald chinesisch?“ China jedenfalls ist inzwischen mit Marx und Kapital Weltspitze geworden. Da wird auch Ernst Bloch gut reinpassen. Sachsen sollte sich auf seine geistigen, kulturellen, industriellen Kontinuitäten besinnen. Mit Rotbraunrotschwarz ist kein Staat zu machen. Ich sehe das Land am Meer, nicht am Sumpf.
Chinas Revolutionsgeschichte reicht als rote Linie des 3. Weges von Maos Sieg im Bürgerkrieg bis zur heutigen Weltmachtstellung. Die Sowjetunion versuchte es erst mit Chruschtschows halber Entstalinisierung, dann mit Gorbatschows Perestroika und Glasnost. Die DDR-Elite trabte brav mit bis ins bittere Ende. Das Resultat ist die heutige permanente Weltkrise, in der China zum Rettungsanker wird. „China hat Europa geholfen, aus der Wirtschaftskrise zu kommen.“ (FAZ-Wirtschaftsteil – am 27.11.2010, Gespräch mit Peter Löscher, Vorstandvorsitzender der Siemens-AG und Vorsitzender im Asien-Pazifik Ausschuss APA der Deutschen Wirtschaft) Löscher übersieht nur die Krisenpermanenz infolge westlicher Systemschwäche. Da wird Abhilfe aus Moskau angeboten. Doch Putins Plan einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok wurde gerade von der Teflon- Merkel ruppig abgewiesen. Russland wie China aber suchen Kooperationen. Warum keinen Freihandel bis Peking? Industrie-Pioniere sind längst dabei. Dem Euro droht der Sumpf, der Dollar steckt schon mittendrin. Die Gläubiger retten ihn – wie lange noch?
Wenn gar nichts mehr geht, löst das Schwert den Gordischen Knoten? Minister zu Guttenberg will per Bundeswehrreform mit 180.000 beamteten Berufssoldaten dabei sein. Schon gibt es sieben neue Tapferkeitsorden, seit Monaten aber keine Gefallenen mehr. Die liefert der Feind und wer dazu gemacht wird.
Kürzlich durfte Lafontaine mal wieder talken. Brauchte sich nur selbst zu zitieren. Erhielt sogar Applaus als Arzt am Krankenbett der Sozialdemokratie. Diese SPD simuliert ihre Verflüchtigungen nicht. Sie ist so flüchtig seit 1914. Die Eliten kommen und gehen, ihr Deutschland bleibt chronisch linkenfeindlich sowie rotzdumm, und die SPD passt sich an, bis es nicht mal mehr quietscht. Die Linken könnten vom 3. Weg Chinas lernen. Das Kapital vom Rhein statt in Randprovinzen verpulvert mit Russlands Potential und Chinas Produktionsrevolutionen gebündelt. Ideen müsste die Elite haben statt Schiss im Hirn und die Hände in den Taschen der Steuerzahler.
Im Internet wütet inzwischen der Tsunami Wikileaks. Die enttarnte originale Sprache der West-Eliten dekonstruiert den letzten Versuch, das alte Römische Weltreich zu kopieren, das einst Karthago besiegte.
Afghanistan ist nicht Karthago. Russen und Amerikaner zogen siegesgewiss ein und sieglos wieder ab. Ob der Hindenburg-Verschnitt zu Guttenberg mit seinen Bundeswehr-Beamten einen Sieg erringen wird, steht in den Sternen der Astrologen. Ob es sich lohnt, dafür das schöne Grundgesetz zu vergessen, sollte eine Volksabstimmung wert sein. Aus Leipzig aber wird gemeldet, man bereite sich auf den 200. Geburtstag von Richard Wagner vor, der 1813 in Leipzig geboren wurde. Ach ja, und die Völkerschlacht gabs damals auch noch. Und das Völkerschlachtdenkmal wird 100 Jahre alt.
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
- Einiges Land oder wem die Rache gehört
- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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