Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
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Gerhard Zwerenz
Die Antworten des Herrn Z. oder
Vorsicht, nur für Intellektuelle
Dingsda Verlag 1997
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Ab und zu kommt die Pleiße in den Taunus auf Besuch. Da wir uns von 1957 bis 1989 nicht kennen durften und auch danach kaum Zeit dafür fanden, erzählt die Pleiße aus ihrer Vergangenheit und ich versuche dem kleinen Sachsen-Missisippi nahezubringen, was für ein possierlicher, treuer Auslandsgenosse ich gewesen bin. Auf die Frage der Besucherin nach meinen Büchern gebe ich ihr
Die Antworten des Herrn Z., 1997 im Dingsda Verlag erschienen, im Anhang
Freunde und Feinde – eine Dokumentation:
Otto Köhler, „Die Zeit“, 1.6.1990:
Ein Prozeß vor dem Amtsgericht Buxtehude
„Für den General ist alles ganz klar. Der Deserteur Gerhard Zwerenz las aus seinem Buch vor, daß Hitler die Generale mit Geldgeschenken und Rittergütern gekauft habe. Sie hätten doch gar nichts mehr davon gehabt, erläuterte der General dem Gericht, des unglücklichen Kriegsendes wegen. Klar ist auch, daß ›Zwerenz sehr geworben hat für Deserteure‹ und daß der General sich darum fragen mußte, welchem Zweck das dient. Er, der General halte es nicht für richtig, junge Menschen zur Desertion zu verleiten, das werde, so habe er sich kundig gemacht, mit fünf Jahren Gefängnis bestraft. Zwerenz habe genau gewußt, wen er da beleidigt: ›Es ist absolut sicher, daß er von vornherein wußte, daß ich ein hoher Offizier der Wehrmacht und General der Bundeswehr bin.‹“
Ralph Giordano, „Die Tageszeitung“, 13.4.1988:
„Wer am Titel Anstoß nimmt – ›Soldaten sind Mörder‹ – ein Zitat von Kurt Tucholsky aus dem Jahre 1931, der sollte sich zunächst einmal auseinandersetzen mit dem zentralen Widerspruch von Staatsgeschichte und Strafrecht, also daß, was in Friedenszeiten das höchste Kapitalverbrechen ist, nämlich einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, im Kriege plötzlich geheiligt wird als vaterländische, als heldische Tat. Wenn überhaupt, könnte das natürlich nur gerechtfertigt werden, so man angegriffen wird und Notwehr übt. Der Angreifer ist der Mörder! Und so hat sich denn bisher jede Armee, haben sich alle Staatsmänner, Oberbefehlshaber, Offiziere und Soldaten durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch als Verteidiger, als Angegriffene ausgerufen – die große Lüge der Kriegsgeschichte.“
Wolfram Schütte, „Frankfurter Rundschau“, 1973:
„Die Ausweglosigkeit, in die Zwerenz seine Personen stürzen läßt, reflektiert einen augenblicklichen Zustand, beschrieben aus der Perspektive der späten sechziger Jahre und ihrer zusammengebrochenen Revolte; sie gibt ein Protokoll der Widersprüche, an deren Unterdrückung wieder einmal gearbeitet wird; sie offenbart, als Versuch einer möglichst aufrichtigen Bestandsaufnahme, die lllusionslosigkeit eines Schriftstellers, der das Potential seines rigiden Anarchismus nicht aufzugeben gewillt ist. ...“
Robert Neumann in seiner Autobiographie „Vielleicht das Heitere“, 1968:
„Zwerenz ... ein hochbegabter, erbitterter, schwer kämpfender Mann, der es im Westen nicht leicht hat, weil er sich dem Klüngel nicht anschließt, der hier das Wetter macht.“
„Abendpost-Nachtausgabe“, 1978:
„Gerhard Zwerenz, Buchautor, der bei Gesellschaften gern ultralinke Sprüche von sich gibt und den Wohlstand genießt, hat sich vor seine neue Villa im Taunus einen BMW-Luxuswagen gestellt. Zwerenz ist Fan für große und schnelle Autos.“
Leserbrief-Antwort von Zwerenz an die „Abendpost~Nachtausgabe“:
„Die Villa im Taunus ist ein Fertighaus, der Luxuswagen ein gebrauchtes Mittelklassenauto und auf Gesellschaften gehe ich nie. Zu Ihrem Blatt allerdings fallen mir nur linke Sprüche ein.“
Gustav Just, 4 Jahre Bautzen, in seinem Buch „Zeuge in eigener Sache“, 1990:
Notiz vom 18.2.1957: Von Gerhard Zwerenz brachten wir das Gedicht ›Die Mutter der Freiheit heißt Revolution‹, ein Gedicht unseres sozialistischen Geistes, das aber von den Bürokraten mißverstanden wurde ... Noch schlechter bekam ihm und uns sein Feuilleton ›Leipziger Allerlei‹. Wir hatten ihn beauftragt ... Widersprüche aufzudecken, einen Artikel also in der Art zu schreiben, wie sie Brecht mir im Sommer angeraten hatte. Zwerenz schrieb das Feuilleton, wir druckten es. Es gab einen Skandal ...“
Horst Krüger, „Der Spiegel“ über Gerhard Zwerenz, 1971:
„Ein ganz Schlimmer.“
Karl Korn, „Frankfurter Allgemeine“, 1966:
„Und Zwerenz hat das Zeug, den Lebensbereich seines Herrn und kleinen Herrn bei aller Drastik des epischen Details ironisch als ein simplizianisches Helden- und Renommierstück zu stilisieren. ... In diesen simplizianischen Partien steckt trotz mancher Derbheit und Unflätigkeit viel epische Kraft und das heißt sprachliche Kraft.“
Ernst Bloch in einem Brief an Gerhard Zwerenz, 1966:
„Das ist ganz Blick von unten auf die Bagage und allwegs mit der tieferen Bedeutung. ... Die Rezensenten des Kleinen Herrn werden wohl auch dadurch determiniert werden, wie sie selber einen haben.“
„Neues Deutschland“, 1957:
„Ich kehre zu den Gedankengängen von Zwerenz zurück. ... welche Absichten der sogenannte Bloch-Kreis verfolgt, der sich durch den Mund von Zwerenz vorstellt, ist klar ... Nicht nur Stopp für den Aufbau des Sozialismus, sondern die Liquidierung des Sozialismus überhaupt.“
Hermann Kant, „Neues Deutschland“, 1990:
„Wenn mich Herr Zwerenz zu den Autoren zählt, mit denen ihn eine ›heftige jahrzehntelange ... Feindschaft verbindet‹, muß ich erwidern, ›verbindet‹ ist etwas viel gesagt. Um neun Buchstaben zuviel.“
Hermann Kant, „Neues Deutschland“, 1962:
„Und dabei hat Zwerenz, seitdem er sich und seine Familie in Freiheit setzte, schon zwei Romane ... auf den Markt geworfen. Da liegen sie nun und keiner hebt sie auf, und Familie Z. geht knurrenden Magens ins Bette und debattiert, wenn sie nicht gerade der Erinnerung an Leipziger Fleischtöpfe nachhängt ...“
Hans Teubner, „Leipziger Volkszeitung“, 1961:
Verräter Zwerenz und Konsorten in der Gosse – als Prostituierter schreibt er das Zeug, das ihm die reaktionären Verlage und Redaktionen abnehmen. Treu seiner Gesinnung schmiert er für die Feinde des Volkes ... Unsere Zeit verlangt von jedem einzelnen die Entscheidung, auf welcher Seite er zu stehen hat ... Eine Zwischenposition gibt es nicht. ... Schmach, Schande und Verderb denen, die wie Kantorowicz ... Zwerenz, Zöger und Konsorten zu erbärmlichen Verrätern werden.“
„Leipziger Volkszeitung“, Juli 1990:
„Anfang der sechziger Jahre verging sich die Leipziger Volkszeitung an Zwerenz in Rezension und Leitartikel mit Vokabeln wie ›Verräter‹, ›Prostituierter‹, ›Ganove‹, ›Bandit‹ ... Wir bitten Gerhard Zwerenz und mit ihm andere, die zu drangsalieren die LVZ als Zeitung in vier Jahrzehnten beigetragen hat, um Entschuldigung.“
Werner Fuld, „FrankfurterAllgemeine“, 1989:
„Da der Autor aus häufig wechselnder Verlagserfahrung weiß, daß kaum ein Leser freiwillig ein zweites Buch von ihm zur Hand nimmt, konnte er aus sechs alten Sünden die autobiographischen Teile ... zu einem Produkt zusammenleimen, mit dem er wieder seine bewegliche Vergangenheit vermarkten möchte, in der er zwar vieles erlebt, aber als leider zumindest darin exemplarischer Deutscher nur wenig dazugelernt hat, vor allem bis heute nicht die Kunst des Schreibens.“
Georg Hensel, „Süddeutsche Zeitung“, 1971:
„Was ist das? Die Autobiographie eines Anarchisten? ... Die politische Polemik eines heimatlosen Sozialisten? ... Genießt ein Epikuräer seinen Weltekel? Schluchzt da ein neuer Maxim Gorki? ... Zuviel Karl Marx gelesen oder Karl May? ... Trotzdem: Irgendwie hat mir dieses ... beschissene Buch doch gefallen.“
Hans Krebs, „Augsburger Allgemeine“, 1989:
„Pazifist schießt scharf – seit Zwerenz 1989 die 1931er Tucholsky-Wörter ›Soldaten sind Mörder‹ zum Titel seines Zündbuches gemacht hat, ist hierzulande auch so etwas wie Ehrenrettung des Deserteurs in der Diskussion.“
Alfred Kantorowicz, „Deutsches Allgerneines Sonntagsblatt“, 1975:
„ ...verdächtig war Zwerenz mit seinem Widerspruch ohnehin“... So viel Bekennermut und Widerspruchsgeist erbitterte die Parteiwächter drüben sogar noch mehr als die Scharfmacher hüben."
Aus der Stasi-Akte Erich Loest, abgedruckt in Erich Loests Buch „Der Zorn des Schafes“:
„In Absprache mit der zuständigen Diensteinheit ist eine offizielle Dokumentation über die Feindtätigkeit des Gerhard Zwerenz zu erarbeiten. In Auswertung der Kontrollergebnisse über Loest ist sein Kontakt zu Zwerenz in geeigneter Weise zu dokumentieren, um eine offizielle Auswertung zu ermöglichen.
Auf der Grundlage dieser offiziellen Angaben ist Loest durch eine geeignete Schlüsselposition zur Einstellung des gemeinsamen feindlichen Wirksamwerdens mit Zwerenz aufzufordern.“
Der Landrat des Hochtaunuskreises – Kriminalkommissariat – 1989:
„Sehr geehrter Herr Zwerenz!
Zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Mannheim – Az.: 503 UJs 98/88 – sollen Sie hier als Beschuldigter vernommen werden. Das Ermittlungsverfahren wurde in Zusammenhang mit der Autorenlesung in Hockenheim und der damit verbundenen Veröffentlichung ›Soldaten sind auch Mörder‹ eingeleitet.
Ich darf Sie bitten, am Donnerstag, den 13.10.1988, um 10.00 Uhr, beim Kriminalkommissariat Bad Homburg, Saalburgstraße 116, Zi. 238, zwecks Vernehmung vorzusprechen.“
„Darmstädter Echo“, 12.10.1989:
„Als Gerhard Zwerenz 1988 auf einer Lesereise in der Bundesrepublik unterwegs war, erklärten ihm Buchhändler, sie könnten sein Buch ›Soldaten sind Mörder‹ nicht in die Schaufenster stellen, weil sie befürchteten, daß dann die Scheiben eingeworfen würden ...
Für Provokationen war Zwerenz immer gut. Auch wenn er, wie in jüngster Zeit, durch die diversen Fernseh-Talkshows der dritten Programme eilt, bietet er die Garantie für ein paar erfrischend gegenläufige Bemerkungen. Der Mann, der 1944 von der Wehrmacht zur Roten Armee desertierte, als Volkspolizist in Sachsen arbeitete, erst manche Hoffnungen in den DDR-Sozialismus setzte, dann aber auch hier aneckte und schließlich in den Westen floh, stimmt heute gleichwohl nicht in das multimedial angestimmte Freiheitslied ein, verweist bei aller Kritik an dem bankrotten östlichen System auch auf die Defizite hierzulande.
Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten deutsch-deutschen Ereignisse ist das Buch ›Vergiß die Träume Deiner Jugend nicht‹ eine packende Lektüre. (nb)“
Hans Kals, „Publik-Forum – Zeitung kritischer Christen“, 1986:
„Mit der ›Rückkehr des toten Juden‹ des Titels ist die traumatische Erinnerung an die in den Vernichtungslagern ermordeten Menschen gemeint. Die Deutschen haben versucht, zu vergessen ... Zwerenz formuliert an vielen Stellen in schmerzhafter Zuspitzung. Aber ich fürchte, er hat recht, wenn er sagt: ›Der deutsche Mord am Volk der Juden hat in der menschlichen Geschichte einen Abdruck hinterlassen, der unvergessen bleibt, solange die Welt besteht.‹ Ein gutes Buch. ... Doch werden die, die seine Lektüre am nötigsten hätten, es vermutlich nicht lesen. Leider.“
Martin Gregor-Dellin, 1971:
„... Gerhard Zwerenz ist eine der umstrittensten und streitbarsten Figuren auf der deutschsprachigen Literaturszene ... ›Kopf und Bauch‹ ist ein glänzendes und ärgerliches Buch ... Zwerenz hat nie aufgehört, die Intellektuellen zu hassen, obgleich er mittlerweile längst zu ihnen gehört ... Schwierig aufzuzählen, was ›Kopf und Bauch‹ alles ist: autobiografisch, politisch, polemisch, pornografisch, erzählend, quälend, umsichtig, kurzsichtig, klug und dumm und sicherlich eines der am wenigsten rezensierbaren Bücher ... Spannend und bemerkenswert ... ein typischer Zwerenz. Noch nie war er so ausfallend: die ganze Kulturscheiße auf dreihundert Seiten versammelt – und dann rein in die Fresse. Jede Seite ein Schlag.“
„Allgemeine Zeitung Mainz“, 1989 über Vergiß die Träume Deiner Jugend nicht:
„War das Buch wirklich nicht zu vermeiden?“
„Deutsche Nationalzeitung“, 1990:
„... neues Machwerk von Linksschriftsteller Gerhard Zwerenz: Während der pflichtgetreue Landser als widerliches Skelettmonster erscheint, wird der Fahnenflüchtige als Held gerühmt ...“
Norbert Blüm an Gerhard Zwerenz, 1990:
„Sie haben wie ich erst einen Handwerksberuf gelernt und später Philosophie studiert. Sie sind zum Schreiber aus Passion geworden und haben frühzeitig dem Sozialismus den Bankrott attestiert. Ihre konsequente Denkweise habe ich bewundert, obwohl wir vermutlich aus den Ereignissen des letzten Jahres unterschiedliche Konsequenzen ziehen.“
Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht:
„Berlin,19.7.1976 Bescheinigung:
Zwerenz, Gerhard ... geb. 3.6.1925
Letzte Meldung: am 22.8. 1944 vermißt gemeldet“
Antwortschreiben von Gerhard Zwerenz an die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächstenAngehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht vom 4.8.1976:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit teile ich Ihnen mit, daß Ihre ›Letzte Meldung‹ vom 22. August 1944, mich betreffend, wonach ich vermißt werde, ein wenig antik geworden ist. Inzwischen vermißt mich kaum noch jemand. Im Gegenteil, ich stehe häufig welchen im Wege. Auf alle Fälle lebe ich noch, auch wenn es Sie wundert.
Mit freundlichen Grüßen"
Rainer Werner Fassbinder beginnt seinen Essay über Claude Chabrol 1975 mit einem Zitat seines Freundes Zwerenz:
„Es gibt nichts Schöneres als die Parteinahme für die Unterdrückten. Die wahre Ästhetik ist die Verteidigung der Schwachen und Benachteiligten.“
Das ist ein Stück meiner Biographie. Von der Kundenseite her gesehen. Frontenbildung. Ich kann's zufrieden sein. Für einen Kupferschmiedegesellen, der aus Versehen unter die Intellektuellen geriet, setzte ich der Beamtenklasse von Kakademikern ganz schön zu. Nun ist das ja so: Bücher werden besprochen. Gut, schlecht oder gar nicht. Die Geister, Geschmäcker und Arschgeweihe sind verschieden. Zum Buchwesen tritt das Netz. Hast du was reingelegt, meldet Google flink den Wasserstand. Das versuche mal einer der Pleiße zu erklären, in der schon vor Goethe und Karl May die Neandertaler badeten. Pass auf, Flüsslein aus dem Sachsen-Thüringer Grenzland, auf Print- und Onlinepublikationen reagiert Google mit belesener Dokumentationslyrik. Buchrezensionen benötigen den Kritiker, der kann klug sein oder dumm, gehässig oder liebevoll. Google ist ein maschinelles Genie ohne Subjekt zu sein, gefräßig allwissend, dabei kurz und bündig. Das geht, nur als Beispiel, richtig avantgardistisch zu und bietet einem älteren Herrn die Chance, tief ins 20. Jahrhundert zurückzugreifen und es mit dem heutigen Tag in der Echtzeit des 21. zu verbinden. Ein Buch ist ein abgeschlossen Ding, als online-Text wird es zum Hier und Heute. Was im www. steht, ist kein Buch, weil spontan und aktuell, kann aber als Dokumentation, als Buch post festum notwendig werden.
Soviel als Kostprobe aus der Wortwerkstatt, gespiegelt von mobilen Wortgeistern. Buchkritik ist wie's Wetter so launisch. Wer Staatsdichter werden will muss den Hofknicks beherrschen wie den Kirchgang und voll in die Mussolinikurve von links unten nach rechts oben gehen. Das ist gottgewollte tv-Priesterschaft. Ich bin ungläubig geboren. Wer die hier versammelten Kritiken und die phantastischen Google-Lektürehilfen mit Sympathie zu lesen wagt, denn nur die Lumpe sind bescheiden, wird bemerken, es sind Pfade, Wanderhinweise, Ortstafeln des 3. Weges. Die Ostpolitik der Ära Willy Brandt endet nicht mit dem Jahr 1989, das nach kurzem Freudentaumel alte Feindschaften verlängerte und einen frisch angefachten Kalten Krieg bis hin zu globalen heißen Kriegen installiert. Eine erneuerbare Ost- und Weltpolitik ist denkbar, also möglich nach der Devise „Kampf, nicht Krieg“. Das ist der Sinn der Bücher, die ich mir erlaubte, als kleine Bibliothek des 3. Weges zwischen die großen Literaturen West und Ost zu schieben. Wer's nicht erkennen kann oder will, der bleibt freiwillig abstinent, denn der Weg zur Hölle ist mit schlechten Vorsätzen gepflastert. Alle singen:
„Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünfhundert Säuen!“
(Faust, Auerbachs Keller in Leipzig)
In meinem Bändchen Die Antworten des Herrn Z. lautet die 195. Eintragung:
Aus den letzten Tagebuchblättern des Herrn Z.
Als der reale Sozialismus so irreal geworden war, dass er verging, kehrte der exilierte Marx aus der Fremde zurück und besichtigte in Chemnitz, vormals Karl-Marx-Stadt, seinen mächtigen steinernen Kopf.
Wie geht's? fragte Marx seinen Kopf.
Ich überdauere, antwortete der Stein.
Als Jesus Christus anno 1997 den Dom zu Köln betrat, erbleichte er und musste sich übergeben.
Man besprengte ihn fürsorglich mit Weihwasser. Zufällig zog eine feierliche Prozession kirchlicher Fürsten vorüber, der Kardinal im prächtigen Gewande voran.
Mein Gott, entfuhr es dem blassen Jesulein, wie viele muss ich noch christianisieren, und es ist doch schon so spät.