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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | 94. Nachwort
Dies ist eine sächsische Autobiographie als Fragment in 99 Fragmenten. Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
94. Nachwort |
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Und trotzdem: Ex oriente lux
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Szenen aus der französischen Emigration –
Peter Zudeick und sein Bloch-Buch Der Hintern des Teufels
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Das Buch. Das andere Buch. Es gibt zu viele Bücher, zu viele gemachte und kalkulierte Bücher. Sie halten vom Leben ab, verwässern und langweilen. Sie drücken nicht das Leben aus. In der inflatorischen Hochflut von Gedrucktem und Gebundenem wird das BUCH wieder wichtig, das schmerzvoll geschrieben werden und gelesen werden muss und wie das Leben eines Menschen selbst ist – einmalig, unwiederbringlich, unwiederholbar, unüberschaubar, nicht restlos zu begreifen. So ein Buch ist die physische Existenz der Liebe selbst, eine Ejakulation, KOPF und BAUCH haben ejakuliert, sind aufgegeilt und ausgepresst worden. Das ist nicht Beschreibung, Schilderung, Denken, Fühlen, Angst, Glück, Tod, Leben, Vögeln, Impotenz, Blut, Krebs, Papier, das ist dies alles und noch viel mehr und wirklich der Versuch ALLES zu sein, zu werden, zu geben, das ist gänzliche Rücksichtslosigkeit sich selbst gegenüber und gegenüber den Freunden, Feinden, Kritikern, Staaten, Ideologien, ästhetischen Wertungen, die völlige Aufhebung aller Traditionen, Formen, Verständigungskategorien, das Ende der Polemik, die Auslieferung des Ich, die gleichmütige, ungerührte Hinnahme von Missverständnissen, Strafexpeditionen, von Gewalt, Hohn und dem fantastischen Reichtum menschenfresserischer Exzesse. Das ist ein Buch, das sich und seinen Urheber ungeschützt in die Freiheit der Todeskultur, in die dampfenden Hallen der Schlachthöfe entlässt – die Stirn dem Bolzenschuss, die Kehle dem Messer geboten, dies ist mein Leib, den IHR fressen wollt, dies mein Kopf, den IHR gekocht und garniert in die Schaufenster stellt. So nehmt denn hin, Konsumenten. Ich werde zwischen EUREN Zähnen zermahlen, wandere in EURE Mägen, kreise durch EURE Adern, besetze EURE Nerven und Gehirnzellen von innen. Ich werde in EUER Sperma eingehen und EURE Nachkommen zeugen und sie aufrührerisch machen und gegen EUCH sich erheben lassen. So nehmt denn hin, Kannibalen.
Die vorstehende Passage nimmt sich aus als gehöre sie noch zum 93. Nachwort. Das trifft zwar zu, der Text wurde jedoch schon im 28. Nachwort vorgelegt. Auch das war keine Premiere. Sie spielte bereits 1971 in Kopf und Bauch – Untertitel: Die Geschichte eines Arbeiters, der unter die Intellektuellen gefallen ist. (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main) Doch das genügt nicht. Offenbar hält das Thema Kopf und Herz des Autors besetzt. Es geht um den Blick derer, die nicht aus Langeweile schreiben. Es geht um Liebe, Hass, Schmerz, Tod, Vergeblichkeit, Klassenkampf und Freiheit statt Freitod.
Beim träge dahinschweifenden Blick übers Fernsehprogramm sticht ein Titel hervor: Bucht der Milliardäre – ja wie denn, was denn, sammeln die Kanaillen nach den Banken und Immobilien nun schon ganze Buchten ein? Früher genügte die eigne Yacht zum standesgemäßen Millionärsdasein. Der Milliardär hat's schwär und braucht die eigene Bucht dazu, sich von den ärmeren reichen Schluckern abzugrenzen. Schon titelt der flotte Günther Jauch ganz von der Höhe der Zeit herab Wer wird Milliardär? RTL übernimmt von der ARD die politische Sonntagabend- Talkshow und die vereinigten ARD/ZDF verschaffen den armen Milliardären die sonntägliche Möglichkeit öffentlicher Transparenz. Eine Bucht für die goldene Sucht ist schon vorhanden, nahe Sanssouci mit dem eingelagerten Alten Fritzen samt edler Windspiel-Zucht. In der ersten Runde von Wer wird Milliardär? schlägt Helmut Schmidt den Genossen Peer Steinbrück vor, was der dankend ablehnt. Er ist es längst. Nach der Billion kommt den Eliten der Billiardär in Sichtweite. Die SPD freut sich auf ihren kommenden Bundeskanzler, gegen den Ost-Angela keine Chance haben wird, denn Geld regiert die Welt. Betend holen sie ihre Panzer, Raketen und Drohnen vom Band.
Ludwig Marcuse lebte nach seiner Rückkehr aus den USA in Bad Wiessee am Tegernsee. Dort besuchte ich ihn und er erinnerte sich an ein gemeinsames Mittagessen mit Bloch im legendären französischen Exil-Ort Sanary-sur-Mer. Bloch habe von drei Sätzen gesprochen, die nie aufgeschrieben würden und nur mündlich von einem Philosophen an den nächsten weitergegeben werden dürften. Als Marcuse drängte, rückte Bloch endlich mit den geheimnisumwitterten Worten heraus. »Es ist nichts. Es war nichts. Es wird nichts sein.« Das wäre blanker Nihilismus, warf ich ein. Wir saßen in einem Restaurant mit Blick auf den See und bekamen das Dessert serviert. Marcuse hielt mit der leicht zittrigen Rechten den Löffel in die Höhe und kicherte: »Bei der Nachspeise, es war wie jetzt hier am Tisch, verriet mir Bloch schließlich noch den vierten Satz:»Es sei denn, du änderst das.« Wir genossen unser Eis und waren's zufrieden. Marcuse hatte seine Ein-Mann-Show zelebriert und ich den Anti-Nihilisten Bloch wiedererkannt.
Ingrid fand die prägnante englische Fassung: »It's nothing. It was nothing. There will be nothing.« Wir nehmen an, Bloch interpretierte die Dreier-Sentenz in seiner typischen Erzählweise der Anverwandlung plus Entgegensetzung durch eine vierte Zutat. Das ist jeweils Provokation, Korrektur, Alternative. Als Geheimnis serviert erhält die Aussage anekdotische Spannkraft und zählt weitergreifend zur existentiellen Subjektphilosophie, wie Bloch sie variantenreich vorzutragen wusste. Beispiele sind die 11. Feuerbach-These von Marx und die Urszene vom »Landregen der Atome« bei Epikur: Die Atome fallen der Schwerkraft folgend von oben nach unten, einige aber weichen vom Kurs ab. Willkürakt der Natur oder Beginn des Subjekts – Natursubjekts – Seele, Freiheit, Wille.
In Peter Zudeicks Bloch-Biographie Der Hintern des Teufels findet sich auf Seite 143 eine ans Zauberhafte grenzende Passage, in der Marcuse den Bloch der französischen Emigrationszeit porträtiert: »In Sanary hatten wir besonderes Glück; es kamen die reizendsten Weltrevolutionäre an
Unter diesen Moskauer Deutschen war einer, gegen den mein Lehrer in Marx Georg Lukács noch ein Primitiver des Dialektischen Materialismus war: Ernst Bloch. Wer die Phantasie-armen und verbreiteten Bilderchen vom Philosophen, vom Denker, vom Weisen zu Hilfe zöge, um sich eine Vorstellung von ihm zu machen, käme zu nichts. Eher ähnelte dieser Mann gewissen legendären rabbinischen Schlauköpfen, die wussten was sie wollten und definitiv wollten, was sie wussten – und in märchenhaften Geschich1en und Geschichtchen, in raffinierten Thesen, in Witzen voll Fußangeln und verspielten Wendungen, die sehr exakt und voll unausgewickelter Einsichten sind, ihre Sache vorwärts trieben.
Ernst Bloch ist unter anderem auch der bedeutendste Spaßmacher des Wanderzirkus Diamat geworden: wendig, ulkig, dogmatisch. Anarchistisch, eine barocke Wort-Fontäne. Lukács ist eine respektable Fabrikmarke; seit Jahrzehnten steht fest, was hier geleistet wird und was nicht. Bloch ist eine one man show, ein Marxismus mit keinem Vorgänger und keinem Nachfolger; ein Marxismus auf eigene Faust. Jene Romantiker, die außerdem noch Kobolz schossen, sprachen so ähnlich. wie er.
Damals in Sanary 1935, als ich ihn kennenlernte, wurde er gerade Fünfzig, man durfte es nicht wissen. Er hatte recht. Vielleicht hätte man das Purzelbaumschlagen des intellektuellsten Lausbuben nicht so sehr genossen, wenn man den Sprühregen von ausgekochten Bonmots einem Herrn in reiferen Jahren hätte zuschreiben müssen. Er brach aus jeder korrekten Debatte aus und rhapsodierte einige Seiten der Phänomenologie, als sei sie eine lockere Arie, zu welcher der Sänger allerdings auch sehr sentimentale Beziehungen habe. Er sprach wie gedruckt, aber nicht papiern, der Druck war nicht drückend, sondern berückend. Der Marxismus wurde in seinem Dialekt ein talmudisch-bänkelsängerisches Klären. Er hatte damals soviel Humor wie Brecht Sarkasmus.«
Aus Marcuses Worten spricht faszinierte Bewunderung und zugleich die spätere Distanz des früheren Bewunderers. Mein Besuch in Bad Wiessee diente der Befriedung beider Philosophen – darüber ist in unserem Buch über Ernst Bloch auf Seite 94/95 nachzulesen. Marcuse ging gern auf die Verfriedlichung ein, begriff jedoch nicht, wie treffend er Bloch charakterisierte und zugleich verfehlte.
Diese andere Dimension berücksichtigt Jochanan Trilse-Finkelstein in Ossietzky 24/2004 bei der Rezension von Sklavensprache und Revolte mit besonderem Augenmerk auf die fatale Rolle Stalins: »Wie war denn das in den Dreißigern? Zumal wenn man nicht in Nazi-Deutschland, sondern im Exil war, so wie Bert Brecht es beschrieb? ›Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder/ wechselnd/ Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt/ Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.› Selbst ich, damals noch Kind, merkte Not und Angst und blickte nach Rettung, sah den Sorgenblick der Eltern – wo war da Hoffnung? Wo blieb Frankreich (das bald besiegt ward)? Was tat Großbritannien anderes, als Hitlers Forderungen zu erfüllen, weil es Deutschland als Rammbock gegen die UdSSR benötigte, sich verrechnend freilich (fürs erste)? Wann traten die USA in den Krieg ein? Die Hoffnung trug für uns Exilanten die von Stalin geführte UdSSR. Wir verfügten nicht über alle Informationen über deren innere Vorgänge. Auch den durch die Länder gehetzten und später in den USA sich mühselig durchschlagenden Blochs ging es kaum besser. Hämische Kritik aus dem weichen Sessel von heute ist da unangebracht. Sondern sorgsame Beschreibung. Zugegeben: Die spätere Preisung ist weniger zu begründen. Hier wollte einer sein Werk retten, verzichtete auf Märtyrertum. Die Glashaus-Magnaten sollten nicht Steine werfen – was war denn da in Deutschland los? Was gibt es denn da für Traditionen? Rettete sich da niemand? In dieser einen Frage bin ich auch mit Ingrid und Gerhard Zwerenz (Sklavensprache und Revolte. Der Blochkreis und seine Feinde in Ost und West) nicht einig. Leipzig ist geografisch-politischer Ort und Zentrum des Buches; Tübingen spielt mit, aber auch der Taunus, wo die beiden leben und schreiben. Das Buch ist unakademisch, dafür literarisch und polemisch. Die Verfasser sind Journalisten, Publizisten, Schriftsteller, Schüler des Meisters, Gefährten, Vertraute, Freunde.
Freunde kennen sich genauer. Da schaut man ins Innerste und kritisiert anders. Ingrid und Gerhard Zwerenz kannten den Alten in Leipzig und begleiteten ihn später, sooft es ging. Sie kannten auch die Widersacher (Rugard Gropp, Siegfried Wagner – warum aber fehlt der Berliner Strippenzieher Hans Koch?) und die Freunde (Hans Mayer, Walter Markov, Wolfgang Harich, Georg Lukács, Walter Janka, die Sonntag-Redakteure, den Ökonomen Fritz Behrens, die Schriftsteller Loest, Pfaff u.a.). Die meisten leben nicht mehr. Sie bildeten damals eine Gruppe und hatten einen politischen Willen: Opposition und Revolte, eine Reform, ja Reformation des damaligen sozialistischen Staates DDR, des Systems bis in seine geistigen Grundfesten. Der geistige Urheber, der Grunddenker, Marx-Fortsetzer war Bloch, der umfassende philosophisch-politische Denker der Linken, um nicht zu sagen des 20. Jahrhunderts überhaupt. Als Kritiker der alten Gesellschaften wie als Kenner aller Kulturen und als Vordenker von Neuem, als messianischer Botschafter der Hoffnung. Die oppositionelle und revoltierende Gruppe hingegen war zu schwach, die Freunde machten politische Fehler (besonders Harich) und scheiterten, das System erst später – in der Hauptsache, weil es reformunfähig und kritikunwillig war. Ihm fehlte, um es blochisch zu sagen, der »Wärmestrom«. Doch das Autorenpaar kritisiert nicht nur das unbeholfen-unfreie DDR- und Sowjet-System, sondern prinzipiell und scharf auch das alte kapitalistische, das heute globalistisch das gesamte Deutschland und viel mehr regiert. Eine »Reformation« täte not, ganzheitlich. Solange sie unsichtbar bleibt, soll der reiche Gedanken- und Erfahrungsschatz dieses Buches die Linke stärken, ihr Bewusstsein erhellen. Dass sie die oft kryptische Sprache des Meisters erhellen, ist eine der Leistungen der beiden Verfasser. Der Alte war ein wunderbarer Erzähler, doch vieles musste verhüllt gesagt werden, in ›Sklavensprache‹. Darüber sagt Gerhard Zwerenz Aufschlussreiches, er musste sich damit auf Vorschlag des Lehrers befassen. Fünfzehn Jahre haben die beiden an ihrem Buch gearbeitet. Ein schweres Geschoss. Aber weitreichend und treffend. Zwar wiederholt sich manches, Striche an einigen Stellen hätten nicht geschadet. Und, wie gesagt, die Kritik am Verhalten von Exilanten, besonders der jüdischen, sollte behutsamer, einfühlender sein. Ach, und es gibt so viele zitatreife Sätze. Nur einer kann am Ende stehen. Ich suche: ›Ohne Bloch ist die deutsche Philosophie und Politik ein Kriegsversehrter, dem der linke Arm fehlt.‹«
Frankfurter Buchmesse 2012 – FAZ-Foto am 15. Oktober auf Seite 1 – Unterzeile: Liao Yiwu nimmt den im Stehen dargebrachten Applaus unter anderem von Bundespräsident Gauck, Ministerpräsident Bouffier und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (von links) stehend entgegen. Die Buchmesse als Staatsakt. Alle stehen. Alle applaudieren dem Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, der seinem Land China das baldige Ende verkündet: »Dieses Imperium muss verschwinden.« Die deutschen Revolutionäre Gauck, Bouffier, Schavan applaudieren leicht verdutzt, doch freundlich. Der Plural von Applaus heißt Appläuse. Der Friedenspreisträger will das Imperium zerschlagen und in lauter kleine Gemeinden auflösen. Ob BMW, Mercedes, VW mit den Gemeinden so gut ins Geschäft kommen wie mit dem Massaker-Imperium? Doch das will der Dichter gar nicht. Die vor ihm stehenden Staatsappläuser wollen es auch nicht? Staatsakte sind eben so. Lesen in Zeiten des Urknalls – FAZ-Leitartikel neben dem Foto. Schwere Plagiatsvorwürfe gegen Schavan – FAZ-Überschrift unter dem Foto. Der Preisträger beschimpft wahrheitsbeflissen auch seine Preisgeber: »Immer mehr Chinesen werden feststellen, das es auch im demokratischen Westen weder Gerechtigkeit noch Gleichheit gibt und dort habgierige Funktionäre und andere Profitgeier sich schamlos nach dem Muster ›Dem Sieger gehört die Beute‹ verhalten.«
In der Tat – ein wahrer Paulskirchenrevolutionär. Doch da erhält urplötzlich ein »Anpasser und Opportunist« namens Mo Yan den Literaturnobelpreis. Der Mann bleibt im Lande, diesem Terror-Imperium und nährt sich rötlich, wagt gar Kritik von innen, ist wohl der Reformist im Gegensatz zum in Frankfurt am Main gefeierten Revolutionär? Die fixe FAZ ist gleich dabei: »Man sollte Mo Yan lesen und beim Wort nehmen. Das letzte Wort muss die Literatur haben.« Etwa wie in der Paulskirche mit den Literaten Gauck, Bouffier, Schavan? Mehr Dissidenz wagen – hier für heute ein letztes Zitat aus der FAZ (14.10.2012), dem Revolutionsblatt, in dem schon der Revolutionär Arnulf Baring vor Jahren Bürger auf die Barrikaden forderte. Es bleibt dabei: Ohne Bloch ist die deutsche Philosophie und Politik ein Kriegsversehrter, dem der linke Arm fehlt.
Dieses Nachwort 94 beginnt mit der dritten Vorlage eines Textes. Er handelt im Prinzip vom Buch und seinem Autor. Der Ton ist aggressiv und ernennt den Leser zum Kannibalen – die Liebe als Ich fress dich! Kann auch sein, eine Schachpartie wird eröffnet, der Gegner zum Kampf aufgefordert. Dann philosophiert der Philosoph Ludwig Marcuse über den Philosophen Ernst Bloch. Beide kennen einander aus dem Exil. Bloch verübelte Marcuse einige Frechheiten, ich suche Marcuse friedensstiftend auf und der versöhnende Versuch gelingt. Zur Debatte steht aber nicht irgendein Frieden. Deshalb tritt der jüdisch-linksintellektuelle Publizist und Theaterwanderer Jochanan Trilse-Finkelstein an, der unser Buch Sklavensprache und Revolte referiert und dessen Universum nachvollzieht, weil es zum Teil sein eigenes ist – der lebenslange Exil-Exkurs durch exotische, oft feindliche Welten.
Ernst Bloch sah in Karl May nicht bloß den Abenteuer-Autor. Die Reisen des kleinen Sachsen in die damals noch unbekannten Regionen äußerer Gefahren führen mit Blochs Reisen in die Exotik menschlichen Innenlebens. Ernst Bloch als den Karl May der Philosophie zu begreifen öffnet eine im bürgerlichen Hochmut verriegelte Flügeltür. Ludwig Marcuse berichtet davon mit der Faszination des geneigten Zuhörers und Flüchtlings, missbilligt aber die politischen Konsequenzen. Für Bloch war der Weg nach Osten nichts grundlegend anderes als der nach Westen. In der Konsequenz des Weltbürgers sind alle Wege des philosophischen Erzählens voll von den Abenteuern, wie sie vordem im fernen Amerika oder wilden Kurdistan zu bestehen waren. Der Reisende ist überall ein Durchreisender, sofern er den Verfolgern entkommt.
Die online vorhandene Serie enthält 99 Folgen. Von den beabsichtigten 99 Nachworten haben wir das 94. erreicht. Der Titel Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte resultiert aus der unerfüllten Heimatsehnsucht, nein Jugendromantik überlebenslang Vertriebener. Im Fortgang der fast 200 Folgen und Nachworte veränderte sich die plural berichtende Erzählweise. Ein korrigierter Titel wird notwendig. Er lautet: Die Blochianer. Notizen von der pazifistischen Revolte. Vielleicht lässt sich da etwas von den Chinesen lernen – mit Marx, Laotse und Konfuzius. Also doch Ex oriente lux.
Ursula Krechel erhielt am 8. Oktober im Frankfurter Römer den Deutschen Buchpreis für ihren Roman Landgericht, die Geschichte von »Erfahrungen, die ein aus der Emigration zurückgekehrter jüdischer Richter als Staatsbürger und Jurist in den frühen Jahren der Bundesrepublik macht
« Geschildert wird »das Leid seiner Familie und das Elend anderer Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft
« (FAZ 9.10.2012) Das ist schön gesagt. Dem Roman liegt ein wahrer Fall zugrunde. Seltsam nur und ein Exempel phänomenaler Vergesslichkeit oder stupender Gedankenlosigkeit in der FAZ-Redaktion ist die Tatsache, dass es exakt in Frankfurt den Fall eines anderen aus dem Exil heimgekehrten jüdischen Juristen gibt, an den wir im 15.Nachwort unter dem Titel Fritz Bauers unerwartete Rückkehr erinnern. Anlass bot Ilona Zioks furiose Film-Dokumentation Fritz Bauer – Tod auf Raten. Mit dem Hessischen Generalstaatsanwalt aber verfuhr die FA Z am 13.5.2009 weit weniger freundlich als mit dem Protagonisten in Ursula Krechels Roman. Das Blatt rüffelte Fritz Bauer, weil er in der Vorbereitung des Frankfurter Auschwitz-Prozesses Justizhilfe aus der DDR nicht abgelehnt hatte. Der Redaktion fehlte immer etwas Licht aus dem Osten. Die implementierten Stahlhelme warfen und werfen zu lange Schatten.
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Gerhard Zwerenz
Serie
- Wie kommt die Pleiße nach Leipzig?
- Wird Sachsen bald chinesisch?
- Blick zurück und nach vorn
- Die große Sachsen-Koalition
- Von Milbradt zu Ernst Jünger
- Ein Rat von Wolfgang Neuss und aus Amerika
- Reise nach dem verlorenen Ich
- Mit Rasputin auf das Fest der Sinne
- Van der Lubbe und die Folgen
- Unser Schulfreund Karl May
- Hannah Arendt und die Obersturmbannführer
- Die Westflucht ostwärts
- Der Sänger, der nicht mehr singt
- Ich kenne nur
Karl May und Hegel
- Mein Leben als Prophet
- Frühe Liebe mit Trauerflor
- Der Schatten Leo Bauers
- Von Unselds Gegner zu Holtzbrincks Bodyguard
- Karl May Petrus Enzensberger Walter Janka
- Aus dem Notizbuch eines Ungläubigen
- Tanz in die zweifache Existenz
- General Hammersteins Schweigen
- Die Pleiße war mein Mississippi
- Im Osten verzwergt und verhunzt?
- Uwe Johnson geheimdienstlich
- Was fürchtete Uwe Johnson
- Frühling Zoo Buchmesse
- Die goldenen Leipziger Jahre
- Das Poeten-Projekt
- Der Sachsenschlag und die Folgen
- Blick zurück auf Wohlgesinnte
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (I)
- Sächsische Totenfeier für Fassbinder (II)
- Brief mit Vorspann an Erich Loest
- Briefwechsel mit der Welt der Literatur
- Die offene Wunde der Welt der Literatur
- Leipzig – wir kommen
- Terror im Systemvergleich
- Rachegesang und Kafkas Prophetismus
- Die Nostalgie der 70er Jahre
- Pauliner Kirche und letzte Helden
- Das Kickers-Abenteuer
- Unser Feind, die Druckwelle
- Samisdat in postkulturellen Zeiten
- So trat ich meinen Liebesdienst an …
- Mein Ausstieg in den Himmel
- Schraubenzieher im Feuchtgebiet
- Der Fall Filip Müller
- Contra und pro Genossen
- Wie ich dem Politbüro die Todesstrafe verdarb
- Frankfurter Polzei-buchmesse 1968
- Die Kunst, weder Kain noch Abel zu sein
- Als Atheist in Fulda
- Parade der Wiedergänger
- Poetik – Ästhetik und des Kaisers Nacktarsch
- Zwischen Arthur Koestler und den Beatles
- Fragen an einen Totalitarismusforscher
- Meine fünf Lektionen
- Playmobilmachung von Harald Schmidt
- Freundliche Auskunft an Hauptpastor Goetze
- Denkfabrik am Pleißenstrand
- Rendezvous beim Kriegsjuristen
- Marx, Murx, Selbstmord (der Identität)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (I. Teil)
- Vom Aufsteiger zum Aussteiger? (II. Teil)
- Der Bunker ...
- Helmut auf allen Kanälen
- Leipzig anno 1956 und Berlin 2008
- Mit Konterrevolutionären und Trotzkisten auf dem Dritten Weg
- Die Sächsischen Freiheiten
- Zwischen Genossen und Werwölfen
- Zur Geschichte meiner Gedichte
- Poetenladen: 1 Gedicht aus 16 Gedichten
- Der Dritte Weg als Ausweg
- Unendliche Wende
- Drei Liebesgrüße für Marcel
- Wir lagen vor Monte Cassino
- Die zweifache Lust
- Hacks Haffner Ulbricht Tillich
- Mein Leben als Doppelagent
- Der Stolz, ein Ostdeutscher zu sein
- Vom Langen Marsch zum 3. Weg
- Die Differenz zwischen links und rechts
- Wo liegt Bad Gablenz?
- Quartier zwischen Helmut Schmidt und Walter Ulbricht
- Der 3. Weg eines Auslandssachsen
- Kriegsverrat, Friedensverrat und Friedenslethargie
- Am Anfang war das Gedicht
- Vom Buch ins Netz und zur Hölle?
- Epilog zum Welt-Ende oder DDR plus
- Im Hotel Folterhochschule
- Brief an Ernst Bloch im Himmel
- Kurze Erinnerung ans Bonner Glashaus
- Fritz Behrens und die trotzkistische Alternative
- 94/95 Doppelserie
- FAUST 3 – Franz Kafka vor Auerbachs Keller
- Rainer Werner Fassbinder ...
- Zähne zusammenbeißen ...
- Das Unvergessene im Blick
1. Nachwort
Nachworte
- Nachwort
siehe Folge 99
- Auf den Spuren des
Günter Wallraff
- Online-Abenteuer mit Buch und Netz
- Rückschau und Vorschau aufs linke Leipzig
- Die Leipziger Denkschule
- Idylle mit Wutanfall
- Die digitalisierte Freiheit der Elite
- Der Krieg als Badekur?
- Wolfgang Neuss über Kurt Tucholsky
- Alter Sack antwortet jungem Sack
- Vor uns diverse Endkämpfe
- Verteidigung eines Gedichts gegen die Gladiatoren
- Parademarsch der Lemminge und Blochs Abwicklung
- Kampf der Deserteure
- Fritz Bauers unerwartete Rückkehr
- Der Trotz- und Hoffnungs-Pazifismus
- Als Fassbinder in die Oper gehen wollte
- Was zum Teufel sind Blochianer?
- Affentanz um die 11. Feuerbach-These
- Geschichten vom Geist als Stimmvieh
- Von Frankfurt übern Taunus ins Erzgebirge
- Trotz – Trotzalledem – Trotzki
- Der 3. Weg ist kein Mittelweg
- Matroschka –
Die Mama in der Mama
- Goethe bei Anna Amalia und Herr Matussek im Krieg
- Der Aufgang des Abendlandes aus Auerbachs Keller
- Jan Robert Bloch –
der Sohn, der aus der Kälte kam
- Das Buch, der Tod und der Widerspruch
- Pastor Gauck oder die Revanche für Stalingrad
- Bloch und Nietzsche werden gegauckt ...
- Hölle angebohrt. Teufel raus?
- Zwischen Heym + Gauck
- Von Marx über Bloch zu Prof. Dr. Holz
- Kafkas Welttheater in Auerbachs Keller
- Die Philosophenschlacht von Leipzig
- Dekonstruktion oder Das Ende der Verspätung ist das Ende
- Goethes Stuhl – ein Roman aus Saxanien
- Meine Weltbühne im poetenladen
- Von Blochs Trotz zu Sartres Ekel
- Die Internationale der Postmarxisten
- Dies hier war Deutschland
- Kopfsprünge von Land zu Land und Stadt zu Stadt
- Einiges Land oder wem die Rache gehört
- Schach statt Mühle oder Ernst Jünger spielen
- Macht ist ein Kriegszustand
- Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
- Damals, als ich als Boccaccio ging …
- Ein Traum von Aufklärung und Masturbation
- Auf der Suche nach der verschwundenen Republik
- Leipzig am Meer 2013
- Scheintote, Untote und Überlebende
- Die DDR musste nicht untergehen (1)
- Die DDR musste nicht untergehen (2)
- Ein Orden fürs Morden
- Welche Revolution darfs denn sein?
- Deutschland zwischen Apartheid und Nostalgie
- Nietzsche dekonstruierte Gott, Bloch den Genossen Stalin
- Ernst Jünger, der Feind und das Gelächter
- Von Renegaten, Trotzkisten und anderen Klassikern
- Die heimatlose Linke (I)
Bloch-Oper für zwei u. mehr Stimmen
- Die heimatlose Linke (II)
Ein Zwischenruf
- Die heimatlose Linke (III)
Wer ist Opfer, wer Täter ...
- Die heimatlose Linke (IV)
In der permanenten Revolte
- Wir gründen den Club der
heimatlosen Linken
- Pekings große gegen Berlins kleine Mauer
- Links im Land der SS-Obersturmbannführer
- Zweifel an Horns Ende – SOKO Leipzig übernimmt?
- Leipzig. Kopfbahnhof
- Ordentlicher Dialog im Chaos
- Büchner und Nietzsche und wir
- Mit Brecht in Karthago ...
- Endspiel mit Luther & Biermann & Margot
- Die Suche nach dem anderen Marx
- Wer ermordete Luxemburg und Liebknecht und wer Trotzki?
- Vom Krieg unserer (eurer) Väter
- Wohin mit den späten Wellen der Nazi-Wahrheit?
- Der Feind ist in den Sachsengau eingedrungen
- Die Heldensöhne der Urkatastrophe
- Die Autobiographie zwischen
Schein und Sein
- Auf der Suche nach der verlorenen Sprache
- Atlantis sendet online
- Zur Philosophie des Krieges
- Deutsche, wollt ihr ewig sterben?
- Der Prominentenstadl in der Krise
- Der Blick von unten nach oben
- Auf der Suche nach einer moralischen Existenz
- Vom Krieg gegen die Pazifisten
- Keine Lust aufs Rentnerdasein
- Von der Beschneidung bis zur
begehbaren Prostata
- Friede den Landesverrätern
Augstein und Harich
- Klarstellung 1 – Der Konflikt um
Marx und Bloch
- Bloch & die 56er-Opposition zwischen Philosophie und Verbrechen
- Der Kampf ums Buch
- Und trotzdem: Ex oriente lux
- Der Soldat: Held – Mörder – Heiliger – Deserteur?
- Der liebe Tod – Was können wir wissen?
- Lacht euren Herren ins Gesicht ...
- Die Blochianer kommen in Tanzschritten
- Von den Geheimlehren der Blochianer
Aufsatz
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